229. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 17. April 1578
Ermahnung zur Vorsicht auf seinen Reisen, damit ihn nicht die beschuhten Väter gefänglich einziehen. Reise seiner Mutter und Schwester nach Valladolid.
Jesus sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
O wie übel haben Sie doch gehandelt, daß Sie mir einen so kurzen Brief sandten, nachdem Sie doch einen so verlässigen Boten wie Johann hatten! Ich habe mich wirklich gefreut, ihn zu sehen und von ihm ausführliche Nachrichten über Euere Paternität zu vernehmen. In dem Briefe, den Ihnen Pater Prior von Mancera überbrachte, hatte ich schon einige Punkte, worüber Sie meine Meinung zu hören verlangten, beantwortet. Sie haben mir in der Tat eine Abtötung auferlegt, wenn Sie so viel auf mich halten. Übrigens wird das, was Euere Paternität für gut finden, sicherlich auch das Richtige sein.
Seitdem ich sehe, daß der Teufel alles Gute ins Böse verkehrt, bin ich sehr in Furcht; ich wünschte, man möchte doch, bis einmal die Stunde für diese Väter vorüber ist, keinem eine Veranlassung geben, ferner etwas wider uns zu reden oder zu unternehmen. Denn es gelingt ihnen, wie ich schon öfters gesagt habe, alles so, daß ich mich nicht über das wundern werde, was sie vollbringen. Sie meinen nicht gegen den Willen Gottes zu handeln, weil sie die Oberen auf ihrer Seite haben; um den König kümmern sie sich nicht, weil sie sehen, daß er zu ihrer ganzen Handlungsweise schweigt. Wenn sie sich etwa erdreisten sollten, etwas gegen Euere Paternität zu unternehmen, so gerieten wir dadurch in eine sehr schlimme Lage; denn abgesehen von dem tiefen Schmerz und der großen Betrübnis, womit ein solches Ereignis uns alle erfüllte, würden wir alle Kraft und allen Mut verlieren. Möge Gott uns retten! Und er wird uns auch, wie ich hoffe, retten; aber er will, daß wir auch selbst uns helfen. Diese und andere Gründe, die ich Euerer Paternität schon mitgeteilt habe, nötigen mich, von der Bitte, Sie möchten hierherkommen, abzustehen, so sehr ich auch darnach Verlangen trage.
Die Priorin von Alba ist sehr krank; deshalb wäre es notwendiger, daß Euere Paternität sich dorthin begaben. Allein ich wünschte, daß Sie diese Reise mit mehr Ruhe zurücklegen könnten, als es jetzt möglich ist, sowie auch, daß Sie sich nicht von Madrid entfernen, bis die Verhältnisse mehr geordnet sind und dieser Peralta abgereist ist. Aus dem Umstand, daß der König den Pater Mariano zu sich beschieden hat, entnehme ich, was die Beschuhten getan haben, wie sie auch in der Tat in Madrid sich weniger erlauben als hier. Anderseits tut es mir weh, daß Sie Ihrer Mutter, und zwar einer solchen Mutter, die Freude des Wiedersehens nicht bereiten können. Ich weiß darum nichts anderes zu sagen, als daß man in dieser Welt gar nicht mehr leben kann.
Euere Paternität fragen, ob es nicht besser sei, einen anderen Weg zu nehmen, weil jener über Ávila allzu weit sei. Darauf antworte ich, daß ich große Sehnsucht habe, diese Damen zu sehen; allein wenn Sie diese begleiten wollen, würden Sie viel unbemerkter auf dem anderen Wege reisen, weil es dort keine Klöster jener guten beschuhten Väter gibt. Ich meine indessen nicht, daß Sie dies wirklich tun sollen; denn es würde mir schwerfallen, wenn Sie mich wegen eines Umweges von acht Meilen der Freude des Wiedersehens beraubten. Sie könnten dabei einige Tage hier ausruhen und zugleich auch den Schwestern den Trost, Sie zu sehen, bereiten, wonach sich alle sehnen. Ich habe Ihnen dies übrigens schon in dem Briefe geschrieben, den mein Bruder mitbringt, der heute nach Madrid abgereist ist.
Sie sagen drittens, Doña Johanna wolle selbst ihre Tochter bis nach Valladolid begleiten. Es ist mir sehr leid, daß die gnädige Frau gerade jetzt auf die Gefahr ihrer Gesundheit hin, an der so viel gelegen ist, einen Weg von achtzig Meilen zu machen entschlossen ist, da sie dies ja doch so leicht unterlassen kann. Ich habe selbst diesen Weg gemacht, begleitet von Doña Maria de Mendoza, die mir alle Sorgfalt und Aufmerksamkeit angedeihen ließ; aber dennoch ist er mir recht lang vorgekommen.
Wissen Sie, mein Vater, ich bin entschlossen, Doña Johanna nicht weiter als bis hierher reisen zu lassen; denn es ist in der Tat nicht notwendig, da Doña Maria ja so in Begleitung einer Frau und ihres Bruders reisen kann. Unsere Schwestern in Valladolid werden daran keinen Anstoß nehmen, und es wäre für Ihre Mutter ein großer Fehler, eine solche Anstrengung aus sich zu nehmen, nachdem sie ihre Tochter schon gesehen hat. Besser ist es, wenn sie ihre Reise bis auf das Schleierfest verschiebt. Bis dahin wird es, so Gott will, nicht mehr so gefährlich stehen, und dann können Euere Paternität Ihre Mutter leichter begleiten als jetzt. An ihrer Gesundheit ist so viel gelegen, daß ich es nicht wagen möchte, Ihrer Meinung bezüglich dieses Planes beizupflichten. Wenigstens werde ich tun, was ich kann, um sie hier in Ávila zurückzuhalten. Bis hierher ist die Reise weniger ermüdend, da die Witterung gut ist. Eben fällt mir ein, daß es, wenn sie die Reise per Wagen unternimmt, vorzuziehen ist, über Ávila zu reisen; auf diesem Wege gibt es nach meinem Dafürhalten keinen Engpaß wie auf dem anderen.
Gesetzt den Fall, daß Doña Johanna die Reise nicht unternimmt und Herr Thomas de Gracián seine Schwester allein begleitet, wäre es da nicht gut, wenn Pater Anton, der bereits wieder gesund ist, mit ihnen kommen würde? Euere Paternität werden wohl sagen, daß er auch ein Unbeschuhter sei. Doch seine weißen Haare schützen ihn vor jeder üblen Nachrede; und wenn nur Sie nicht dabei sind, so wird man nicht auf die Reisenden achten; denn auf Euere Paternität sind jetzt aller Augen gerichtet. Ich werde mich sehr freuen, diesen Pater wiederhergestellt zu sehen. Dies alles ist mir in den Sinn gekommen. Wenn es nicht zweckdienlich ist, so betrachten Sie es als törichtes Geschwätz! Ich weiß nicht mehr, als ich gesagt habe.
Ich wiederhole, daß es mich sehr freuen würde, Doña Johanna zu sehen; allein es scheint diese Reise für uns ein großes Wagnis zu sein, besonders wenn sie weiter als bis hierher reisen wollte. Möge Gott Erbarmen mit mir haben, da ich so wenig auf meine Ruhe achte! Der Herr verleihe mir einige ruhige Tage, in denen meine Seele sich längere Zeit mit Euerer Paternität geistig erquicken kann!
In dem Brief, den ich meinem Bruder für Sie mitgegeben, habe ich Ihnen schon mitgeteilt, welch große Schwierigkeit Doktor Rueda und Magister Daza in der Wahl der Prioren, die ohne Vollmacht des Papstes oder des Ordensgenerals vorgenommen würde, finden, da es sich hier um eine Sache der Jurisdiktion handelt. Weil ich Ihnen darüber schon ausführlich geschrieben habe, so will ich Sie jetzt nur bitten, um der Liebe unseres Herrn willen dies wohl zu erwägen. Es ist keine kleine Arbeit für Sie, bei so vielen Geschäften auf alles zu achten. Doch Gott wird Ihnen eine andere Zeit dafür geben.
Jetzt, mein Vater, müssen wir Gott bitten, daß er Sie behüte. Die Priorin und die Subpriorin sandten Ihnen durch meinen Bruder Briefe. Wenn es notwendig ist, daß Ihnen der Staatsrat Covarrubias einen Dienst erweisen soll, so müssen Sie es sagen; denn er ist mit meinem Bruder gut befreundet. Der Herr sei mit Euerer Paternität und erhalte Sie mir viele Jahre und lasse Sie zunehmen an Heiligkeit!
Heute ist der 17. April.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Wissen Sie, mein Vater, ich bin in peinlicher Verlegenheit, da ich nicht gedacht, daß Doña Johanna so bald kommen werde. Das Chor ist abgedeckt, die Arbeitsleute machen großen Lärm, und die Gitter sind entfernt. Es wäre schon eine große Freude für mich, wenn ich sie am Gitter sehen könnte. Sehen Sie da, welches Leben wir haben! Man konnte im Chor nicht mehr bleiben, weil es im Winter zu kalt und im Sommer zu heiß war; jetzt aber wird es sehr gut hergerichtet. Sehen Sie, ob es nicht möglich ist, der Doña Maria die Erlaubnis zu geben, daß sie das Kloster betreten darf. Sie wird zwar alles in Unordnung finden; aber es wird ihr dann das Kloster, in das sie sich begeben will, besser gefallen.
