236. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Ávila, am 4. Juni 1578
Dank für verschiedene Geschenke. Verschiedene Angelegenheiten und Leiden im Kloster zu Sevilla. Auftrag zur Übersendung einer Sammlung von Predigten.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Ihre zwei Briefe habe ich in dieser Woche erhalten; der eine kam über Madrid, den anderen überbrachte mir der Maultiertreiber von Ávila. Sie haben so lange gezögert, mir zu schreiben, daß ich darüber verdrießlich wurde. Alles, was Sie mir gesandt haben, kam ganz gut und unversehrt an, auch das Orangenblütenwasser; es ist vortrefflich und reicht auch aus, so daß wir jetzt keines mehr nötig haben.
Die Krüglein, die Sie mir gesandt haben, gefallen mir; ihre Anzahl genügt. Da ich mich jetzt besser befinde, habe ich keine so ausgesuchten Sachen mehr nötig; ich muß auch wieder einmal anfangen, mich abzutöten. Mit meinem Arm geht es wieder besser, jedoch noch nicht so gut, daß ich mich wieder ankleiden könnte. Man sagt, daß er, sobald einmal die große Hitze kommt, ganz geheilt sein wird. Die Kiste sowie alles übrige war sehr gut erhalten. Denken Sie ja nicht, daß ich so viele eingemachte Sachen genieße; ich bin wirklich keine Liebhaberin davon; aber diese Ihre Freigebigkeit werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Da es uns an Prüfungen nicht fehlt und niemand eine so innige Liebe besitzt, um uns Gutes zu erweisen, wie mein Vater, der Prior de las Cuevas, und Pater García Alvarez, darum ist dies alles notwendig.
Über die Einrichtung des Kochherdes haben Sie meinem Bruder eine so genaue Aufklärung gegeben, daß er sich meiner Ansicht nach nicht irren kann. Man hat mit seiner Aufstellung schon begonnen. Alle Schwestern sind erstaunt über Ihre Geschicklichkeit und danken Ihnen mit mir von ganzem Herzen; aus dem Bestreben, mir in allem Freude zu machen, kann man auf die Liebe schließen, die Sie zu mir tragen. Ich bin von Ihrer Liebe zu mir überzeugt; indessen schulden Sie mir, ich versichere Sie, noch größere Liebe; denn ich kann nur staunen über das Übermaß meiner Liebe zu Ihnen. Seien Sie überzeugt, daß ich Sie hierin bevorzuge, da nicht alle Schwestern mir so zusagen wie Sie. Ich bedauere nur, daß ich daraus so wenig Nutzen ziehen kann, da ich so armselig bin; ich lasse mir aber sehr angelegen sein, Sie Gott zu empfehlen.
Ihr Herzleiden, von dem Sie mir schreiben, macht mir Kummer; es ist dies ein sehr schmerzliches Leiden. Ich wundere mich darüber nicht; denn Sie haben schreckliche Prüfungen ausgestanden und sie ganz allein tragen müssen. Ist auch der Herr so gnädig, daß er uns Kraft und Mut zu deren Ertragung verleiht, so empfindet sie die Natur doch. Über eines aber dürfen Sie sich freuen, daß nämlich Ihre Seele viel weiter in der Vollkommenheit vorangeschritten ist. Glauben Sie mir, ich sage dies nicht bloß zu Ihrem Troste, sondern weil ich es so erkenne. Einen solchen Fortschritt, meine Tochter, macht man nie ohne große Kosten.
Die Prüfung, die Sie jetzt alle betroffen, geht mir sehr zu Herzen; sie ist ein Gegenstand großer Beunruhigung für das ganze Kloster. Es ist schon viel wert, daß eine kleine Besserung eingetreten ist. Ich hoffe zum Herrn, daß diese Schwester wieder gesund wird; denn schon viele, die diese Anfälle hatten, sind wieder geheilt worden. Ein gutes Zeichen ist, daß sie sich der Heilkur unterzieht; gewiß wird Gott sie wieder gesunden lassen. Vielleicht will er Ihnen dieses Kreuz nur für kurze Zeit auferlegen, um daraus einen großen Gewinn hervorgehen zu lassen; und darum bitte ich ihn inständig.
Beachten Sie wohl, was ich Ihnen jetzt sage! Besuchen Sie diese Schwester so selten wie möglich, sonst könnten Sie sich bei Ihrem Herzleiden großen Schaden zuziehen. Halten Sie diese Vorschrift für einen Befehl, den ich Ihnen erteile! Wählen Sie zwei sehr beherzte Schwestern aus, die für die Kranke Sorge tragen sollen! Was die übrigen Schwestern betrifft, so sollen sie die Kranke nicht oder wenigstens nur sehr selten besuchen. Seien Sie alle heiter wie sonst auch und nicht mehr betrübt als über eine andere Kranke; ja man soll selbst weniger Mitleid mit ihr haben; denn Kranke dieser Art fühlen ihre Leiden nicht so wie jene, die von anderen Gebrechen heimgesucht sind.
Dieser Tage lasen wir hier, daß in einem Kloster unseres Ordens, in dem die heilige Euphrasia lebte, eine Nonne sich befand, die an derselben Krankheit litt wie jene zu Sevilla; sie unterwarf sich nur der Heiligen, die sie schließlich heilte. Vielleicht ist auch in Ihrem Kloster eine Nonne, vor der sich diese Kranke beugt. Würde uns in diesen unseren Klöstern nicht die Gesundheit zu schaffen machen, so hätten wir den Himmel schon auf Erden und könnten uns keine Verdienste sammeln. Vielleicht würde diese Schwester kein solches Geschrei erheben, wenn man sie die Rute fühlen ließe; schaden wird ihr dies gar nicht. Sie tun gut, wenn Sie dieselbe in sicherem Gewahrsam halten. Ich habe mir auch gedacht, sie könnte vielleicht zu vollblütig sein; sie hatte nämlich, wie ich meine, schon früher Rückenschmerzen. Möge Gott hier Hilfe schaffen!
Seien Sie überzeugt, so schwer dergleichen Zustände auch immer fallen, so kommen sie doch jenem Schmerze nicht gleich, den ich empfinden würde, wenn ich irgendeine Unvollkommenheit oder Unruhe an den Schwestern bemerken müßte. Doch das kommt bei Ihnen nicht vor, und darum betrüben mich die Leiden, denen der Körper unterworfen ist, nicht allzusehr. Sie wissen es schon: Wer sich am Gekreuzigten erfreuen will, der muß ihm das Kreuz nachtragen. Es ist aber nicht notwendig, ihn um Kreuz zu bitten, obgleich Pater Gregor der Ansicht ist, es sei dies von Wichtigkeit. Jene, die Gott lieb hat, führt er denselben Weg wie seinen eingeborenen Sohn.
An meinen Pater Prior de las Cuevas habe ich erst kürzlich geschrieben. Entrichten Sie ihm für diesmal meine herzlichen Grüße. Den beiliegenden Brief, den ich an Pater García Alvarez geschrieben, wollen Sie lesen und ihm übergeben, falls Sie es für gut finden. Das Sausen in meinem Kopf, das zwar etwas nachgelassen hat, aber doch noch sehr heftig ist, hindert mich immer, diesen beiden zu schreiben, die ich sehr liebe. Ersetzen Sie stets, was ich unterlasse!
Es hat mich gefreut, daß unser Vater den zwei Schwestern, die im Gebetsleben so weit vorangeschritten sind, den Auftrag gegeben hat, Fleisch zu essen. Wissen Sie, meine Tochter, was Sie mir betreffs dieser zwei Nonnen geschrieben haben, hat mich mit Furcht erfüllt. Wären Sie in meiner Nähe gewesen, so würde dieser Dinge wegen keine solche Verwirrung entstanden sein. Da diese außerordentlichen Dinge so häufig zutage treten, so kommen sie mir verdächtig vor. Mögen auch einige davon echt sein, so halte ich es doch für klüger, nicht viel darauf zu geben. Sowohl Euere Ehrwürden wie unser Vater sollen ihnen keineswegs ein Gewicht beilegen, sondern sie vielmehr verachten; man verliert dabei nichts, selbst wenn diese Dinge alle echt wären. Wenn ich sage, man solle diese außerordentlichen Vorgänge verachten, so meine ich, man möge diesen Schwestern nahelegen, daß Gott die Seelen auf verschiedenen Wegen führe, daß aber jener Weg, auf dem sie wandeln, nicht jener der größten Heiligkeit sei; das ist Wahrheit.
Was Pater Acosta über eine dieser Schwestern sagt, sowie die gute Meinung, die er von ihr hat, freute mich. Ich wünsche jedoch nicht, daß sie ihm viele solcher Offenbarungen mitteile, damit er, wenn etwas nicht in Erfüllung gehen sollte, seine gute Meinung von ihr nicht verliere, wie es bei mir der Fall gewesen, als ich in Sevilla war. Ich sage indessen nicht, daß sie dadurch an Achtung bei mir einbüßte; denn ich weiß gar wohl, daß dergleichen außerordentliche Zustände, wenn sie auch oftmals Gott zum Urheber haben, manchmal nur Gebilde der Phantasie sind. Ich habe den Zeitpunkt vergessen, an dem sich erfüllen soll, was mir die andere Schwester voraussagte. Berichten Sie mir, ob sich ihre Voraussetzung erfüllt hat oder nicht! Mit diesem Boten gehen Ihre Briefe sicher. Eben kommt mir der Gedanke, daß es besser sei, dem García Alvarez nicht zu antworten, bis Sie mich benachrichtigt haben, ob er etwas von diesen außerordentlichen Vorgängen wisse; ich werde ihm dann eine diesbezügliche Antwort geben. Entrichten Sie ihm einstweilen meine freundlichen Grüße und teilen Sie ihm mit, daß mich sein Brief, den ich noch beantworten werde, gefreut hat.
Was die zwei Kandidatinnen betrifft, die eintreten wollen, so überlegen Sie wohl, was Sie tun! Es ist von großem Werte, daß sie dem Pater Nikolaus gefallen. Unser Vater wird sich mit Hilfe des Herrn im Monat September und vielleicht schon eher nach Sevilla begeben. Er hat dazu den Auftrag erhalten, wie Sie wohl schon wissen werden. Vollführen Sie dann, was er befiehlt! Es tut mir nur sehr leid, ihn unter jenen Leuten zu wissen. Das Gebet ist jetzt sehr notwendig. Alle Schwestern bitten, sie inständig Gott zu empfehlen.
O wie hüpfte nicht Theresia vor Freude über das, was Sie ihr sandten! Ihre Liebe zu Ihnen ist außerordentlich groß. Ich glaube, sie verließ ihren Vater, um bei Ihnen sein zu können. Mit ihrem leiblichen Wachstum nimmt sie auch zu an Tugend und Verständnis. Sie geht jetzt schon zur heiligen Kommunion, und zwar mit großer Andacht.
Mein Kopf fängt an, müde zu werden; darum begnüge ich mich damit, Ihnen zu sagen, Gott möge Sie behüten, wie ich ihn darum bitte. Empfehlen Sie mich inständig dem Gebete aller Schwestern, insbesondere dem der Portugiesin und ihrer Mutter!
Suchen Sie jede Traurigkeit zu verscheuchen und schreiben Sie mir, wie es mit Ihrem Herzleiden steht! Das Orangenblütenwasser ist vortrefflich. Seit einigen Tagen geht es mir mit meinem Herzleiden besser. Nach allem zu schließen, will eben der Herr so viele Leiden nicht auf einmal über mich verhängen.
Heute ist der 4. Juni.
Lesen Sie das Bittgesuch oder die flehentliche Bitte, die ich auf
beiliegendem Blatte an Sie richte! Verwenden Sie doch um der Liebe des Herrn willen auf diese Angelegenheit recht große Sorgfalt! Es handelt sich um eine Dienstleistung, die mir von einer Person empfohlen wurde, gegen die ich sehr große Verpflichtungen habe. Ich habe dieser Person auch gesagt, daß niemand als Euere Ehrwürden dies fertigbrächten, da mir Ihre Geschicklichkeit und zugleich auch Ihr Glück in all Ihren Unternehmungen bekannt sei. Lassen Sie sich also diese Sache recht angelegen sein! Sie werden mir dadurch sehr große Freude machen. Vielleicht kann Ihnen der Pater Prior de las Cuevas dabei behilflich sein, wenn ich auch auf Pater García Alvarez noch größeres Vertrauen setze. Zwar scheint die Sache schwierig zu sein; allein wenn Gott es will, dann läßt sich alles leicht machen. Es wäre ein großer Trost für mich, und nach meinem Dafürhalten würde auch unserem Herrn ein großer Dienst damit erwiesen; denn es handelt sich um eine Sache, die bestimmt ist zur Förderung der Seelen und niemandem Schaden bringen könnte.
Nun sehen Sie, was Sie besorgen sollen.
Einen vollständigen Jahrgang der Predigten des Paters Salucio aus dem Orden des heiligen Dominikus, aber (wohlgemerkt) die besten, die man haben kann. Ist es Ihnen nicht möglich, alle Predigten zu bekommen, so senden Sie davon, was erhältlich ist, wenn sie nur recht schön sind. Der vollständige Jahrgang der Predigten enthält: Fasten und Adventspredigten, Predigten auf die Feste unseres Herrn, unserer Lieben Frau und der Heiligen des Jahres, endlich Predigten von Hl. Dreikönig bis zur Fastenzeit und von Pfingsten bis zum Advent.
Es ist mir dies als Geheimnis anvertraut worden, und darum wünsche ich, daß Sie mit niemandem darüber reden außer mit solchen, die Ihnen Aufschluß geben können. Gott gebe, daß Sie so glücklich sind, um alle diese Predigten zu finden! Wenn Sie mir diese zuschicken, so geschehe es durch den Überbringer dieses Briefes, und legen Sie ein gutes Porto bei! Adressieren Sie auch die Briefe, solange ich hier bin, an das hiesige St.JosephsKloster und nicht an meinen Bruder! Es ist dies auch, selbst wenn sie für meinen Bruder bestimmt sind, besser und für den Fall, daß er nicht hier sein sollte, sicherer.
Ich empfehle Ihnen also nochmals die Besorgung dieser Predigten. Wenn Sie auch nicht alle bekommen können, so suchen Sie doch möglichst viele zu erhalten! Die guten Berichte, die mir Pater García Alvarez und Pater Gregor über Euere Ehrwürden und Ihre Töchter senden, gereichen mir zu großem Trost. Könnten sie aber als Beichtväter etwas anderes sagen? Gebe Gott, daß alles wirklich so sei!
Euerer Ehrwürden Dienerin.
