91. Brief — An die Mutter Maria Baptista, Priorin in Valladolid
Sevilla, am 30. Dezember 1575
Der an sie ergangene Befehl, sich in ein Kloster zurückzuziehen, und einiges über ihren Bruder und ihre Familie.
Jesus sei mit Ihnen, meine Tochter, und verleihe Ihnen noch so gute und so viele Jahre, wie ich ihn darum bitte!
Ich mußte darüber lächeln, daß Sie schreiben, Sie wollen mir Ihre Ansicht über einige Dinge ein andermal sagen. Sicherlich haben Sie gute Ratschläge in Bereitschaft. Am letzten Weihnachtsfeiertag hat man mir den Brief überbracht, der über Medina kam; den anderen mit dem von meinem Vater hatte ich schon vorher erhalten. Der letzte Brief hat mich sehr gefreut wegen der guten Nachricht über die Doña Maria. Sie war, wie mir der Bischof schrieb, am Fieber erkrankt, weshalb ich sehr um sie besorgt war; wir alle haben sie sehr angelegentlich Gott empfohlen. Sagen Sie es ihr mit einem freundlichen Gruß von mir. Gott sei gepriesen, daß er ihr wieder Gesundheit verliehen! Empfehlen Sie mich auch ihrer Tochter und allen Schwestern daselbst.
Der Brief ist mehr mit Ehrfurcht als mit dem Verlangen, gefallen zu wollen, geschrieben. Es wäre mein Wunsch, ich könnte diesem Manne so weit gefällig sein, daß ihm wenigstens einige meiner Worte zusagen würden. Es ist wunderbar, wie die Liebe, die ich zu unserem anderen Vater habe, mir in gar nichts hinderlich ist, gleich als wäre er kein lebender Mensch. Er weiß das, was ich Ihnen hier schreibe, nur zum Teil. Mit seiner Gesundheit steht es gut. O welche Leiden ereilen uns bei diesen seinen Reformen! Mir werden weit mehr Widerwärtigkeiten als Freuden zuteil, seitdem er hier ist. Vorher ging es mir weit besser.
Hätte man mich hier fortgelassen, so wäre ich schon bei Euerer Ehrwürden. Man hat mir nämlich einen Befehl Seiner Wohlehrwürden zugesandt, kraft dessen ich mir ein Kloster zum beständigen Aufenthalt wählen und keine Klosterstiftungen mehr vornehmen sollte, weil mir durch das Konzil verboten sei, das Kloster zu verlassen. Man sieht wohl, daß nur der Verdruß über mein Hieherkommen diesen Befehl erwirkt hat, mit dem man mir ein großes Leid zuzufügen glaubte. In Wahrheit aber ist mir dies ein so erwünschtes Gut, daß ich nur befürchte, es nicht genießen zu dürfen. Ich habe mir Ihr Kloster wählen wollen, und dies aus mehreren Gründen, die ich dem Papier nicht anvertrauen kann. Ein Grund ist der, weil mein Vater und Euere Ehrwürden dort sind. Der Pater Visitator hat mich aber von hier nicht fortgehen lassen; derselbe hat nämlich für jetzt mehr Vollmacht als der wohlehrwürdige [Pater General]. Ich weiß nicht, wie es noch ausgehen wird.
Für mich wäre es sehr gut, wenn ich mich jetzt nicht inmitten dieser Reformunruhen befände; aber der Herr will nicht, daß ich von Leiden dieser Art frei bleibe, die mir so überaus peinlich sind. Unser Vater sagt, daß ich im Sommer gehen könne. Was das hiesige Kloster oder vielmehr dessen Stiftung betrifft, so liegt nichts daran, wenn ich auch fort bin. Meiner Gesundheit ist die dortige Gegend offenbar zuträglicher, und zum Teil habe ich auch dort mehr Ruhe, weil man nicht an den eitlen Ruhm denkt, den ihr hier mir angedichtet habt. Es gibt aber noch andere Gründe, um derentwillen ich es für besser erachte, meinen Aufenthalt dort zu nehmen. Ein Grund ist der, daß ich dort näher bei unseren Klöstern bin. Der Herr möge alles leiten! Denn ich will in nichts meinem eigenen Willen folgen, sondern zufrieden sein, wohin man mir zu gehen befiehlt.
Mein Bruder ist hier sehr leidend wieder angekommen, doch ist er jetzt frei vom Fieber. Er hat mit seiner Reise nichts ausgerichtet; weil aber das, was er hier hat, schon versichert ist, so kann er gut leben. Im Sommer wird er wieder zurückkehren; denn jetzt wäre die Zeit nicht dazu geeignet. Er ist mit seiner Schwester und mit Johann de Ovalle, die ihn pflegen und erfreuen, sehr zufrieden, und auch diese haben sehr große Freude an ihm. Er hat sich nur kurze Zeit bei mir aufgehalten, weshalb ich über die andere Angelegenheit mit ihm noch nicht gesprochen habe. Ich glaube aber, daß sonst nichts nötig ist, als es ihm zu sagen, und er wird es tun; denn seine Kinder haben einen Begleiter nötig, und so kommt ihnen ein Page ganz gelegen. Meine Schwester sagt, seine Mutter könne dafür sorgen, daß er bei ihr bleibe, wenn er hieher kommt; und wenn er Talent zeige und tugendhaft sei, so könne er mit den Söhnen des Bruders in St. Ägidius studieren, und es werde ihm besser gehen als anderswo. Johann de Ovalle, dem ich sagte, daß Euere Ehrwürden es wünschen, erklärte, sich der Sache mit allem Eifer annehmen zu wollen. Darüber mußte ich lachen; denn mein Bruder tut mit Freuden alles, wovon er denkt, daß ich es wünsche. Und so sehe ich Johann de Ovalle und meine Schwester in so trauter Freundschaft mit ihm verbunden, daß ich zu Gott hoffe, jener werde viel gewinnen, indes dieser nichts verliert, da er bei ihnen volle Ruhe genießt.
Johann de Ovalle steht außerordentlich gut mit meinem Bruder; die Kinder können dies gar nicht genug loben. Ich sage dieses, damit Sie sehen, daß der von Ihnen empfohlene junge Mensch an diesen Leuten nur Tugendbeispiele sehen wird, wenn er hieher kommt. Ich sage, wenn er hieher kommt, und jene im April nicht schon in Ávila sich befinden. Könnte ich in dieser Angelegenheit alles in gute Ordnung bringen, so würde es mich sehr freuen, meinen Vater seiner Sorge zu entheben; denn in Anbetracht seiner Verhältnisse muß ich staunen, wie sehr er sich der Sache angenommen hat. Das war wohl Gottes Werk; denn da gab es sonst keine Hilfe. Es wäre mir gar nicht recht, wenn mein Vater nach Toledo ginge. Ich sehe nicht ein, warum er dort lieber sein will als in Madrid, und ich hoffe, es werde nicht geschehen. Gott wolle es so leiten, wie es mehr zu seiner Ehre gereicht! Denn dies ist hier die Hauptsache. Für Sie tut es mir leid [wenn er Valladolid verläßt], und es würde dies mein Verlangen, in Ihrem Kloster zu sein, bedeutend herabstimmen. Ich glaube aber wohl, man werde mich, wie schon erwähnt, in ein Kloster schicken, in dem ich am notwendigsten bin.
Was die Schwester des Edelknaben betrifft, so läßt sich darüber nicht reden, bis unser Vater dorthin kommt. Ich fürchte fürwahr, wir verursachen jenen nur mehr Unkosten, während wir sie ihnen ersparen wollen; denn ich kann mir nicht denken, wie ein Mädchen, das von seiner frühesten Kindheit an dort erzogen wurde, sich hier eingewöhnen könnte. Auch muß sie, wie ich halb und halb vernommen habe, nicht gut mit ihren Geschwistern auskommen. Sie scheint mir etwas eigensinnig zu sein. Möchte es nur keine Heiligkeit aus Melancholie sein! Kurz, unser Vater wird sich über alles erkundigen, und bis dahin läßt sich darüber nichts sagen.
Man wird Ihnen meinen Brief schon überbracht haben, worin ich Ihnen mitteilte, daß ich von hier eine Priorin nach Caravaca gesandt habe. Diese hat den Ihrigen mit großer Freude empfangen, und so schreibt mir auch die Priorin von Malagón, wo sie sich aufhielt, daß sie zufrieden sei. Ich sage Ihnen, daß sie eine gute Seele sein muß. Sie hat mir geschrieben, sie wünsche von Euerer Ehrwürden etwas zu erfahren. Sie spricht auch viel von dem, was sie Ihnen verdankt, und redet mit großer Liebe von Ihnen. Das Kloster in Caravaca wird, wenn ich mich nicht täusche, vor Weihnachten schon gegründet sein; ich habe jedoch noch nichts darüber erfahren.
Ich glaube, es wird gut sein, wenn Sie meinem Vater noch nichts von dem Edelknaben sagen, bis Sie mit meinem Bruder gesprochen haben. Teilen Sie mir mit, wie alt er ist und ob er lesen und schreiben kann; denn er muß mit den Söhnen meines Bruders die Studienanstalt besuchen. Empfehlen Sie mich vielmals der Maria vom Kreuze und allen Schwestern sowie der Dorothea. Warum schreiben Sie mir denn nichts vom Kaplan, wie es ihm geht? Sehen Sie, daß Sie ihn behalten können; denn er ist ein guter Mann. Wie steht es mit dem Entwurf des Stockwerkes, und befinden sich die Schwestern im Winter und im Sommer wohl? Was Sie auch immer von der Subpriorin sagen mögen, so sind Sie fürwahr doch nicht gehorsamer als sie. O Jesus, wie so wenig kennen wir uns selbst! Die göttliche Majestät erleuchte uns und erhalte Sie mir!
In bezug auf das Kloster der Menschwerdung können Sie der Elisabeth vom Kreuze schreiben, daß ich von hier aus eher in der Lage bin, zu helfen, als von dort aus. Ich tue dies auch wirklich und hoffe zu Gott, es werde alles in Ordnung kommen, wenn der Allmächtige dem Papste, dem König, dem Nuntius und unserem Vater noch ein oder zwei Jahre das Leben schenkt. Stirbt einer von diesen, so sind wir verloren; denn unser wohlehrwürdiger [Pater General] ist nun einmal, wie er ist. Indessen kann der Herr auch auf andere Weise Hilfe schaffen. Ich habe eben im Sinne, an Pater Rubeo zu schreiben. Ich bin ihm jetzt noch mehr ergeben als zuvor; denn ich liebe ihn sehr und bin es ihm schuldig. Es ist mir recht leid, sehen zu müssen, was er auf falsche Berichte hin tut. Alle Schwestern empfehlen sich Ihnen sehr.
Wir sind nicht in der Stimmung, Gedichte zu machen. Meinen Sie, es sei dies möglich, wenn die Verhältnisse so liegen? Empfehlen Sie alle recht angelegentlich unseren Vater dem Herrn; denn es ist traurig, zu sehen, welche Beleidigungen Gottes jetzt vorkommen. Seine Majestät wolle Hilfe bringen und mich davor bewahren! Könnte ich doch Gott in etwa dienen! Aber mein Leben ist wenig, und ich möchte viele Leben haben. Morgen ist der Vorabend des neuen Jahres.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Mit dem Plane meines Bruders, in ein Kloster zu treten, ging es nicht vorwärts, und es wird auch nichts daraus werden.
