75. Brief — An die Mutter Agnes von Jesu, Priorin der unbeschuhten Karmelitinnen zu Medina del Campo
Veas, am 12. Mai 1575
Erste Zusammenkunft mit Pater Gracián und Vorbereitung zur Klosterstiftung in Sevilla.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden,
meine Tochter!
Gepriesen sei Gott, daß Ihre Briefe hier angekommen sind! Denn ich hatte keine geringe Sehnsucht darnach. Daran erkenne ich, daß ich Sie mehr liebe als alle anderen Verwandten. Ihre Briefe kommen mir auch immer zu kurz vor. Es ist mir ein großer Trost, zu erfahren, daß Sie jetzt gesund sind. Der Herr erhalte Ihre Gesundheit, wie ich ihn darum bitte! Es tut mir sehr leid, daß Sie in dieser Beziehung immer geplagt sind neben den anderen Beschwerden, die das Amt mit sich bringt. Dieses Übel scheint mir jetzt ein anhaltendes zu werden, so daß die Anwendung eines außerordentlichen Mittels notwendig wird. Der Herr verleihe Ihnen, was Ihnen zum Besten ist!
O meine Mutter, wie sehr wünschte ich, daß Sie in diesen Tagen bei mir wären! Es ist keine Übertreibung, wenn ich Ihnen sage, daß diese Tage meines Erachtens die seligsten meines Lebens waren. Pater Magister Gracián war nämlich mehr als zwanzig Tage hier. Ich versichere Sie, daß ich den Wert dieses Mannes noch nicht ganz erkannt habe, so viel ich auch mit ihm verkehrte. In meinen Augen ist er ein ganz vollkommener Mann und für uns ein Gewinn, wie wir ihn nie hätten von Gott erbitten können. Euere Ehrwürden und alle Nonnen mögen darum Seine Majestät anflehen, daß sie uns ihn als Oberen gebe. Geschieht dies, dann kann ich die Leitung der Klöster ruhig seinen Händen anvertrauen. Ich habe in der Tat nie eine so hohe Vollkommenheit verbunden mit solcher Armut gesehen. Möge ihn Gott in seiner Hand halten und uns bewahren! Ich gäbe nicht um alles in der Welt das Glück hin, ihn gesehen und mit ihm solange verkehrt zu haben. Er wartete auf Pater Mariano, und wir freuten uns sehr, daß dieser solange nicht kam. Julian de Ávila und alle, die ihn gesehen, sind ganz entzückt über ihn. Er predigt wunderbar. Ich glaube ganz gewiß, daß er in der Vollkommenheit zugenommen hat, seitdem Sie ihn gesehen haben; die großen Prüfungen, die er durchzumachen hatte, mußten ihn sehr gefördert haben.
Der Herr hat die Dinge so geordnet, daß ich mit seiner Hilfe am kommenden Montag nach Sevilla reisen werde. Dem Pater Didakus werde ich Näheres darüber schreiben. Hier gebe ich nur den Grund meiner Abreise an. Das hiesige Kloster liegt in Andalusien, und Pater Magister Gracián ist für dieses Gebiet als Provinzial aufgestellt; ich bin ohne meine Absicht seine Untergebene geworden, und als solcher konnte er mir befehlen. Wir waren schon bereit, zur Klosterstiftung nach Caravaca zu gehen, da der Ordensrat die Erlaubnis dazu gegeben hatte. Allein da diese so gegeben war, daß sie für uns keinen Wert hatte, so wurde der Entschluß gefaßt, sogleich die Reise nach Sevilla anzutreten. Es wäre für mich ein großer Trost, Sie mitnehmen zu können; allein ich erkenne, daß es abgesehen von anderen Unzukömmlichkeiten zum Nachteil Ihres Klosters wäre, wenn Sie es jetzt verlassen würden.
Ich denke, daß Pater Magister Gracián vor seiner Rückkehr Sie besuchen werde. Es hat ihn nämlich der Nuntius zu sich berufen, und bis Sie diesen Brief erhalten, wird er schon in Madrid sein. Ich bin gegenwärtig viel gesünder als gewöhnlich, und mein Befinden war hierzulande sehr gut. O wie weit angenehmer wäre der Sommer bei Ihnen als in der heißen Glut von Sevilla! Empfehlen Sie uns dem Herrn, sagen Sie allen Schwestern, sie möchten dasselbe tun, und bestellen Sie einen Gruß an sie!
In Sevilla wird es öfter Botengelegenheit geben als hier, und da werden wir uns auch häufiger schreiben. Ich schließe, indem ich Sie bitte, dem Pater Rektor und dem Lizentiaten meine Empfehlungen entrichten zu wollen. Sagen Sie ihnen, was im Gange ist, und bitten Sie diese Männer, für mich zu Gott zu beten. Ich empfehle mich allen Schwestern. Der Herr mache Sie heilig!
Heute ist der Tag der Himmelfahrt.
Die Schwester [Elisabeth vom] heiligen Hieronymus empfiehlt sich Ihnen. Sie geht mit noch fünf anderen sehr tüchtigen Nonnen nach Sevilla. Und jene, die als Priorin dort aufgestellt ist, eignet sich für dieses Amt vorzüglich.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Ich weiß nicht, warum man mit der Profeß der Schwester Johanna Baptista so sehr eilt. Warten Sie damit ein wenig; denn sie ist noch sehr jung. Wenn Sie jedoch anderer Meinung und mit ihr zufrieden sind, so mag sie Profeß ablegen. Ich meine aber, es wäre nicht unrecht, sie noch länger zu prüfen; denn sie schien mir etwas schwächlich zu sein.
