56. Brief — An Pater Dominikus Báñez in Valladolid
Segovia, Ende Mai 1574
Aufnahme einer von diesem Pater empfohlenen Jungfrau in das Kloster zu Segovia.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen und meiner Seele!
Man hat sich über nichts zu wundern, was aus Liebe zu Gott geschieht, da die Liebe des Paters Dominikus so viel vermag, daß alles, was er für gut hält, auch mir gut scheint, und daß alles, was er will, auch ich will. Ich weiß nicht, wohin dieser Zauber noch führen soll.
Ihre »Braune« hat uns gefallen. Sie ist seit ihrem Eintritt ins Kloster vor Freude außer sich, so daß sie uns zum Lobe Gottes stimmt. Ich glaube, es nicht wagen zu dürfen, sie nur als Laienschwester zu behalten, da ich weiß, was Euere Hochwürden für sie getan haben; und so bin ich denn entschlossen, ihr einstweilen im Lesen Unterricht erteilen zu lassen, und dann werden wir tun, was ihren Fortschritten angemessen ist.
Mein Geist hat den ihrigen gar wohl erkannt, ehe ich noch mit ihr gesprochen hatte. Seit ihrem Eintritte hat sie den Gebetseifer einer Nonne in der Weise angeregt, daß diese ihm nicht mehr widerstehen kann. Glauben Sie mir, mein Vater, daß es mir jedesmal eine Wonne ist, eine aufzunehmen, die gar nichts mitbringt und einzig um Gottes willen aufgenommen wird. Und wenn ich dann sehe, daß diese Kinder nichts zur Aufnahme haben und aus Mangel an Vermögen ihren Beruf nicht erreichen können, so erkenne ich es als eine besondere Gnade von Gott, daß ich ihnen zum Heile behilflich sein kann. Stände es in meiner Macht, alle in dieser Weise aufzunehmen, so hätte ich dabei die größte Freude; indessen erinnere ich mich nicht, daß ich eine, wenn sie mir sonst gefiel, deshalb abgewiesen hätte, weil sie nichts mitbrachte.
Ein besonderer Trost war es mir, zu sehen, wie Gott Ihnen so große Gnaden erweist, daß er Sie zu solchen Geschäften verwendet, und es hat mich gefreut, daß diese Jungfrau gekommen ist. Sie sind Vater derer geworden, die ohne Vermögen sind, und die Liebe, die Ihnen der Herr zu diesem Amte gibt, erfüllt mich mit solcher Freude, daß ich zu allem bereit bin, um Sie bei solchen Werken zu unterstützen, wenn es in meinen Kräften steht. Das Weinen derer, die mit ihr kam, war derart, daß ich glaubte, es nehme gar kein Ende. Ich weiß nicht, warum Sie diese hierher zu mir gesendet haben.
Der Pater Visitator hat die Erlaubnis schon gegeben; es ist dies mit Gottes Hilfe der Anfang weiterer Zugeständnisse. Vielleicht kann ich dann auch noch jene Weinende aufnehmen, wenn es Euerer Hochwürden eine Freude macht; für Segovia habe ich schon mehr als genug.
Einen guten Vater hatte die »Braune« an Ihnen. Sie sagt, sie könne noch nicht glauben, daß sie hier sei. Ihre Freude stimmt zum Lobpreise Gottes. Ich habe ihn auch gepriesen beim Anblick Ihres kleinen Neffen, der mit Doña Beatrix gekommen ist; darüber freute ich mich sehr. Warum hatten Sie mir vorher nichts davon gesagt?
Von Wichtigkeit ist es mir auch, daß die aufgenommene Schwester sich bei meiner heiligen Freundin aufgehalten hat. Ihre Schwester schrieb mir und bot mir vieles an. Ich gestehe Ihnen, daß mich dies gerührt hat. Ich glaube sie jetzt inniger zu lieben, als da sie am Leben war. Sie werden schon wissen, daß Sie bei der Priorswahl in St. Stephan eine Stimme erhielten; alle übrigen fielen auf den Prior. Diese Eintracht der Brüder hat mich sehr erbaut.
Gestern habe ich ein Mitglied Ihres Ordens namens Melchior Cano getroffen. Ich habe ihm gesagt, man könnte die Klöster dieses Ordens zu beschaulichen umgestalten, wenn in ihnen viele Männer seines Geistes wären.
Nach Ávila habe ich geschrieben, es sollen doch jene, die das Kloster errichten wollen, den Mut nicht verlieren, wenn es dort an Mitteln fehlt; denn ich wünschte sehr, daß einmal der Anfang gemacht werde. Warum berichten Sie mir nicht, was Sie getan haben? Gott mache Sie so heilig, als ich es wünsche! Gerne möchte ich einmal mit Ihnen über die Befürchtungen reden, die Sie hegen und die doch nichts anderes sind als Zeitverlust. Sie wollen mir nicht glauben, weil Sie zu wenig demütig sind. Da ist Pater Melchior ein ganz anderer Mann. Er sagt, die einmalige Besprechung, die er mit mir in Ávila gehabt, sei ihm von Nutzen gewesen, und es vergehe, wie er glaube, keine Stunde, in der ich ihm nicht im Geiste gegenwärtig sei. O welch einen Geist besitzt er, und welch eine Seele hat Gott an ihm! Er gereichte mir zu außerordentlichem Troste. Es scheint, ich habe nichts anderes zu tun, als Ihnen vom Geiste anderer zu erzählen. Bleiben Sie in Gott und bitten Sie ihn, er wolle mir verleihen, in nichts von seinem Willen abzuweichen. Es ist Sonntag in der Nacht.
Euerer Hochwürden Tochter und Dienerin
Theresia von Jesu
Anschrift: An den hochwürdigen Herrn und meinen Vater Magister Pater Dominikus Báñez, meinen Gebieter.
