254. Brief — An Rochus de Huerta in Madrid
Ávila, im Oktober 1578
Verteidigung der Reform. Instruktion für die Unterhandlung mit dem Ordensgeneral, um seine Gunst zu gewinnen für die Errichtung einer gesonderten Provinz der Unbeschuhten.
...Sie haben ihm in der Tat genug Briefe geschrieben und erwiesen ihm dadurch eine große Ehre; indessen haben Sie das Gegenteil von dem erreicht, was Sie verlangten. Er selbst schreibt nicht an unsere Klöster und tritt mit ihnen in keinen Verkehr; er handelt, als ob er nicht unser Vorgesetzter wäre. Man sieht deutlich, daß man ihm Dinge über uns gesagt haben muß, die ihn zu einem so befremdenden Verhalten bestimmen.
Drei Dinge sind es, die wir von unserem wohlehrwürdigen Pater General zu erlangen wünschen und die für unsere Klöster von größter Bedeutung sind.
Das erste ist, daß man ihn von der Unwahrheit dessen überzeugt, was man ihm über Theresia von Jesu berichtet hat. Denn sie hat in der Tat nie etwas getan, was sich nicht für eine ganz gehorsame Tochter ziemte. Dies ist volle Wahrheit, und man wird nie etwas anderes an ihr entdecken. Er weiß übrigens, daß sie um keinen Preis in der Welt eine Lüge sagen würde. Er weiß auch, wozu jene fähig sind, die sich von der Leidenschaft beherrschen lassen und mit ihr nichts zu besprechen pflegen, wie er es selbst bestätigt gefunden. Er möge darum Erkundigungen einziehen und als Hirte nicht ein ganz ungerechtes Verdammungsurteil fällen, ohne die Parteien zu hören. Soll aber nur das Geltung haben, was man ihm hinterbracht hat, so möge er Theresia von Jesu ohne Verzug strafen und ihr eine Buße auferlegen, aber nicht mehr weiterhin zürnen; denn alles andere wird sie leichter ertragen, als den Obern über sie erzürnt zu sehen.
Wenn sonst die Väter ihren Kindern selbst die größten Vergehen verzeihen, so wird er um so mehr einer Tochter verzeihen können, die kein Vergehen sich zuschulden kommen ließ und bei Errichtung der Klöster die schwersten Mühseligkeiten auf sich nahm, weil sie glaubte, ihm dadurch Freude zu machen. Denn sie erkennt ihn nicht nur als ihren Obern an, sondern trägt auch die innigste Liebe zu ihm. Er möge doch nicht so vielen Dienerinnen Gottes seine Ungnade fühlen lassen, da niemand an ihnen eine Schuld findet! Möge er sie als seine Töchter betrachten, wie er sie immer dafür gehalten, und sie als solche anerkennen; denn ihre Werke machen sie dessen nicht unwürdig!
Ich komme nun zum zweiten Punkte. Nachdem die Vollmacht des apostolischen Visitators erloschen ist, stehen die Klöster der unbeschuhten Nonnen unmittelbar unter der Jurisdiktion des wohlehrwürdigen Ordensgenerals. Nun wolle dieser Vorgesetzte aufstellen, an die man sich wenden könne, sowohl bezüglich der Visitation als auch bei anderen Anlässen, die sich oft ergeben. Diese Vorgesetzten aber sollen aus den unbeschuhten Karmeliten der ursprünglichen Regel genommen werden, und er möge die Nonnen nicht der Leitung der beschuhten Väter unterstellen; denn die Lebensweise der einen ist in vielen Punkten sehr verschieden von jener der anderen, und es ist unmöglich, daß ein Mann, der nicht nach der gleichen Regel lebt, die vorkommenden Fehler würdigen und verbessern kann. Unser wohlehrwürdiger Pater General weiß es, welch üble Erfahrung unsere Nonnen bezüglich ihrer Leitung schon gemacht haben. Wenn ihm damit gedient wäre, so könnte man ihm zeigen, wie wenig Glück jener Pater in seiner Regierung hatte, dem er die Leitung dieser Klöster in der letzten Zeit anvertraut hatte; dennoch aber würden ihn die Schwestern als den besten wählen. Es war dies vielleicht nicht seine Schuld, da er nicht die Erfahrung besaß, die, wie ich schon sagte, notwendig ist; daraus aber entsteht großer Schaden. Überdies haben die zwei apostolischen Visitatoren, und zwar unter einem Gebote, verordnet, daß die Nonnen dem Ordensgeneral und einem von ihm beauftragten Stellvertreter untergeben seien; dieser letztere sollte aus der Zahl jener sein, die nach der ursprünglichen Regel leben, d. h. ein unbeschuhter Karmelit, da man den Schaden wahrgenommen, der aus einer gegenteiligen Wahl entspringt.
Gesetzt den Fall, daß der wohlehrwürdige Pater General auf diesen Plan nicht eingeht, so könnten Sie ihm zu verstehen geben, daß die Nonnen sich lieber den Bischöfen unterwerfen, als zugeben, daß sie von den Beschuhten visitiert und geleitet werden. Denn der General ist so weit entfernt, daß man, bevor ein Schaden wieder gutgemacht wird, noch Anlaß zu weiteren Verwirrungen geben könnte, was ja, wie Sie wissen, schon vorgekommen ist. Das Gesagte ist auch ein Grund, warum sich die Nonnen den Visitatoren dieser Klöster nicht widersetzten, was sie als reformierte Karmelitinnen hätten tun können; denn sie waren bereits durch Schaden klug geworden, sich in ihrer Gewalt zu sehen. Doch darüber läßt sich nicht reden, bevor man nicht auf dem Vorhergehenden dringend bestanden ist. Ich möchte aber diesen Schritt nicht tun, außer er wäre notwendig, um sich vor dem Untergange zu retten. Denn es wäre in der Tat für die Nonnen eine entsetzliche Qual, dem Ordensgeneral nicht mehr unterworfen zu sein; sollte indessen dieser Fall eintreten, so würden sie überall Unterstützung finden. Abgesehen davon, daß sie ihrer Tugend wegen sowohl beim König als auch bei anderen hochgestellten Personen in sehr hohem Ansehen stehen, sind unter ihnen auch Nonnen von vornehmer Abkunft. Für das, was sie bedürfen, wird es ihnen nie an Geld fehlen, da alle diese Klöster zu einer Gemeinschaft vereinigt und nicht in Not sind. Einige davon haben Personen vom höchsten Range gegründet. Möge Gott es nie dahin kommen lassen, daß diese Nonnen sich in die Notlage versetzt sehen [von der Jurisdiktion eines so guten Hirten getrennt zu werden! Möge er jenem gnädig verzeihen, der das Unkraut gesät hat! Ein Punkt, der von der größten Bedeutung ist und auf den Sie um der Liebe unseres Herrn willen alle Ihre Kräfte verwenden sollen, besteht darin, daß für die unbeschuhten Karmeliten eine eigene Provinz errichtet werde.]
Die Nonnenklöster sollen immer der Leitung des Provinzials unterstehen. Indessen wäre es für diese Klöster, da sie nur mit Gott verkehren, zur Förderung der Abtötung und der Vollkommenheit von größerem Nutzen, wenn deren Leitung womöglich dem Pater Magister Hieronymus Gracián von der Mutter Gottes übertragen würde; denn dieser hat die Klöster in den letzten Jahren visitiert und dabei ein solches Verständnis und solche Klugheit an den Tag gelegt und ist mit solcher Milde, mit so hoher Vollkommenheit und solchem Ernste verfahren, daß es den Anschein hat, die allerseligste Jungfrau habe ihn eigens dazu auserwählt, um diesen Nonnen zu großem Fortschritt in der Tugend zu verhelfen. Sie gestehen, daß durch jede Visitation ihr Eifer aufs neue entflammt und ihre Seelen überaus gefördert worden seien.
Könnte dies erreicht werden, so wäre es offenbar das beste, und alle Nonnen würden es billigen. Aber es scheint dies unmöglich zu sein; denn der wohlehrwürdige Pater General ist über Pater Gracián ebenso aufgebracht wie über Theresia von Jesu, ja noch mehr. Die Gründe dieser Mißgunst werden in einem anderen Berichte angegeben werden. Pater Gracián ist nämlich vom vorigen Nuntius und vom König als apostolischer Visitator aufgestellt worden; und in Anbetracht der Verleumdungen, die man gegen ihn erhoben hat, wundere ich mich nicht, daß der Pater General mit ihm sehr unzufrieden ist.
Es würde gewiß unserem Herrn ein großer Dienst erwiesen, wenn die Ernennung des Paters Gracián zustande käme; allein es scheint dies, wie schon erwähnt, unmöglich zu sein. Darum muß man andere Namen nennen, und zwar entweder den angehenden Magister, Pater Anton von Jesu, oder den Pater Johannes vom Kreuz; denn diese beiden Väter waren die ersten unbeschuhten Karmeliten und sind sehr treue Diener Gottes. Will aber Seine Wohlehrwürden auch von diesen zwei Vätern nichts wissen, so mag er dieses Amt jedwedem anderen übertragen, wenn es nur kein Beschuhter und keiner aus Andalusien ist. Tun Sie, was in Ihren Kräften steht; mit der Zeit wird sich mit Hilfe des Herrn noch mehr erreichen lassen. Zunächst wird es schon genug sein, wenn wir frei bleiben von den Beschuhten.
Wer auch von den Erwähnten als Provinzial aufgestellt werden mag, wird es sich angelegen sein lassen, alljährlich die gewöhnlichen Taxen an den wohlehrwürdigen Pater General einzusenden. Es ist dies ganz billig, da es ein Zeichen der Anerkennung ist, daß er die Visitationsgewalt vom General empfängt. Tut er es nicht — er wird es aber tun, da er dazu verpflichtet ist —, so werden sie dafür die Klöster einsenden. Gibt man den Nonnenklöstern den Pater Hieronymus Gracián als Oberen, so sind sie bereit, das Doppelte, ja noch mehr zu geben; denn ihn als Vorgesetzten zu besitzen, ist ihnen so wichtig, daß ihnen, selbst wenn sie viel mehr geben würden, ein überaus großer Gewinn bliebe. Letzteres dürfte man aber nicht dem General selbst, sondern nur irgendeinem Pater aus seiner Umgebung mitteilen, nachdem man sich zuvor erkundigt hat, wer aus ihnen das meiste Vertrauen bei ihm genießt. Auch wäre es sehr ratsam, das bisher Gesagte zuerst mit diesem Vertrauensmann zu besprechen. Ein Punkt, der in meinen Augen von großer Bedeutung ist, besteht nämlich darin, daß man sich sowohl durch Worte als durch Taten die Umgebung des Generals geneigt macht, damit unsere Angelegenheit zu einem günstigen Abschluß kommt.
Das Dritte, was man vom General erwirken soll, ist, daß Seine
Wohlehrwürden die Vollmacht des Oberen unserer Klöster nicht mehr beschränkt, wie dies bei keinem Oberen anderer Klöster der Fall ist. Diese haben, wenn ihnen ein Kloster oder Ordenshaus angeboten wird oder wenn sie selbst ein solches gründen wollen, immer auch die Vollmacht, Nonnen aus anderen Klöstern zu nehmen, um so ein Kloster anfänglich besetzen zu können. Gestattet man dies nicht, so kann sich der Orden nicht ausbreiten, und doch hat noch nie ein General der Ausbreitung seines Ordens Hindernisse in den Weg gelegt. Vielmehr unterstützen sie sonst die Vermehrung der Klöster ihres Ordens und freuen sich darüber, wie es auch bei unserem wohlehrwürdigen Pater General der Karmeliten der Fall war, bevor man ihm so falsche Ansichten über uns beigebracht hat. Ich begreife gar nicht, was man über so eifrige Nonnen, die ein so gutes Beispiel gegeben haben und noch geben, die in so ehrbarer und gottesfürchtiger Weise sich zur Gründung von Klöstern begaben, sagen konnte, daß man ihnen ein Recht nahm, das doch, wie gesagt, alle anderen Orden haben.
Es hat nämlich unser wohlehrwürdiger Pater General auf dem Generalkapitel (zu Piacenza) unter Androhung der Exkommunikation jeder Nonne, besonders der Theresia von Jesu, verboten, das Kloster zu verlassen. Überdies schrieb er allen Oberen vor, keine Erlaubnis dieser Art zu gewähren. Theresia von Jesu begab sich nun gemäß der ihr vom Ordensgeneral selbst erteilten Vollmachten jedesmal, wenn an einem Orte ein Kloster gegründet werden sollte, mit einigen Nonnen
dorthin, um vom Kloster Besitz zu nehmen und das klösterliche Leben dort zu beginnen. Dies geschah immer mit solcher Frömmigkeit, daß alle, die davon Zeuge gewesen, erbaut wurden, worüber man sich, wenn es nötig sein sollte, durch Erkundigungen überzeugen kann...
