142. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 26. November 1576
Anfang der zweiten Verfolgung in Sevilla.
Jesus sei mit Ihnen, meine Tochter!
Am Tage der Opferung unserer Lieben Frau brachte man mir zwei Briefe von Ihnen mit den Briefen unseres Vaters. Unterlassen Sie ja nicht aus dem Grunde, weil unser Vater mir schreibt, mir Mitteilung über alle Einzelheiten zu machen; denn er berichtet mir nur wenig, und im Hinblick auf seine vielfachen Arbeiten muß ich mich noch wundern, daß er mir überhaupt noch schreibt. Die von Ihnen über Madrid gesandten Briefe, denen, wie Sie sagen, auch der Bericht über den entstandenen Tumult beigelegt war, sind nicht angekommen. Von meinen Briefen ging, wie ich glaube, keiner verloren, außer der im ersten Paket, worin ich Ihnen mitteilte, daß meine kleine Elisabeth das Ordenskleid erhielt und ich sehr erfreut war, als ich ihre Mutter sah. Weil in diesem Paket auch Briefe von der Priorin und den Schwestern nebst einigen Fragen an unseren Vater enthalten waren und Sie mir keine Antwort gaben, so fürchte ich, sie seien verlorengegangen. Schreiben Sie mir bei der ersten besten Gelegenheit!
In jenem Briefe berichtete ich Ihnen auch, daß ich die kleine Elisabeth im Scherze fragte, ob sie schon verlobt sei, und daß sie mir ganz entschieden zur Antwort gab: »Ja, ich bin es!« Und als ich sie wieder fragte: »Mit wem?« da antwortete sie augenblicklich: »Mit unserem Herrn Jesus Christus bin ich verlobt.«
Die Schwestern, die nach Paterna abgereist sind, habe ich sehr beneidet, nicht etwa, weil sie mit unserem Vater reisen konnten — denn daran habe ich gar nicht gedacht —, sondern weil ich sehe, daß dies ein Gang ins Leiden ist. Gebe Gott, daß es ein Anfang von dem sei, wodurch er zeigt, daß er durch unsere Schwestern wirken will! Da diese nur wenige Schwestern in jenem Kloster finden werden, so glaube ich, daß sie nicht viel zu leiden haben werden, außer vielleicht etwas Hunger, da sie dort, wie man mir sagt, nicht einmal genug zu essen bekämen. Gott sei mit ihnen! Wir beten viel für sie. Senden Sie ihnen den beiliegenden Brief auf sicherem Wege; und wenn Sie Briefe von ihnen erhalten, so schicken Sie mir diese, damit ich sehe, wie es ihnen geht. Schreiben auch Sie fleißig an diese Schwestern, sprechen Sie ihnen Mut zu und geben Sie ihnen guten Rat! So allein zu fein, ist für sie eine große Prüfung. Solange ihrer nicht mehrere sind, sollen sie nach meiner Ansicht durchaus nicht singen; denn das würde uns alle in üblen Ruf bringen. Es freut mich sehr, daß die Basen des García Alvarez gute Stimmen haben. Sie haben diese in Anbetracht der jetzigen geringen Anzahl der Schwestern wohl aufnehmen müssen, obwohl sie nur eine unbedeutende Aussteuer mitbrachten.
Ich muß staunen über das unvernünftige Begehren des Beichtvaters, daß er auch einen anderen Priester nach seiner Wahl zum Beichthören senden könne. Das wäre mir ein schöner Brauch. Da ich das Schriftstück unseres Vaters nicht gesehen, kann ich nichts sagen. Ich ging aber mit dem Gedanken um, an García Alvarez zu schreiben und ihn zu bitten, er möge, falls er etwas zu beraten habe sich nicht an solche geistliche Führer wenden, die wenig Wissenschaft besitzen, sondern sich mit gelehrten Theologen besprechen; denn diese haben mich von vielen Seelenleiden befreit. Ich wundere mich nicht über das Leiden, von dem Sie mir berichten; denn auch ich habe vieles erduldet, da man mir sagte, es sei vom bösen Feinde, was in mir vorgehe. Sobald ich von dem erwähnten Schriftstück Einsicht genommen habe, werde ich sogleich an García Alvarez schreiben und Ihnen den Brief offen senden, damit Sie ihn auch dem Prior de las Cuevas zeigen können.
Wenn Sie sich mit Acosta darüber besprechen könnten, so wäre dies nach meiner Ansicht das beste. Lesen Sie diesen Brief und dann schicken Sie ihn an ihn! Es wäre gewiß kein geringer Gewinn, wenn der dortige Rektor der Gesellschaft Jesu, wie er sagt, die Mühe auf sich nehmen wollte, Sie Beichte zu hören. Es wäre dies in vieler Hinsicht von großem Nutzen für Sie. Diese Priester der Gesellschaft Jesu dringen aber auf Gehorsam, und darum müssen Sie sich ihnen auch unterwerfen. Denn wenn uns auch das, was sie verlangen, manchmal nicht so ganz zusagt, so ist es doch gut, sich zu fügen, weil an ihrer Leitung so viel gelegen ist. Sinnen Sie auf Fragen, die Sie an sie stellen können; denn dies ist ihnen sehr lieb. Diese Väter haben auch recht, daß sie das, womit sie sich befassen, gut verrichten wollen, und sie tun es auch wirklich, wenn sie die Leitung einer Seele übernehmen. An dem Verkehr mit ihnen muß Ihnen auch viel gelegen sein; denn wenn unser Vater einmal fort ist, wären die Schwestern ja ganz verlassen.
Mir ist es nie eingefallen, zu verlangen, daß man die von Nikolaus empfohlene Kandidatin aufnehmen solle, und ich habe diesen Rat nur gegeben, weil ich meinte, Sie seien in großer Geldnot. Wenn die tausend Dukaten, die die Basen des García Alvarez als Aussteuer bekommen, bares Geld wären, so wäre es wohl recht. Gut ist es, wenn diese Personen noch warten, wiewohl sie nach meinem Dafürhalten der Aussteuer wegen nicht ganz abzuweisen sind.
Ergötzlich kam mir der Plan vor, mich nach Indien zu schicken. Gott verzeihe es diesen Leuten! Das beste wäre, wenn sie so viel Lügen auf einmal über mich verbreiten könnten, daß man ihnen gar nicht mehr glaubte. Ich habe Ihnen schon mitgeteilt, daß Sie das Geld nicht eher an meinen Bruder schicken sollten, bis er Ihnen schreibt. Mahnen Sie unseren Vater, daß er vollzieht, was Acosta im Verein mit dem sagt, der in Bälde als Rektor der Gesellschaft Jesu nach Sevilla kommt. Pater Salazar ist hier; er geht nach Granada, um dort zu bleiben, und wird, wie er sagt, vielleicht auch nach Sevilla kommen. Ich empfahl ihm, dort mit dem Provinzial zu reden. Sollte er auch zu Ihnen kommen, so seien Sie recht freundlich mit ihm und reden Sie mit ihm über alles, was Ihnen am Herzen liegt! Sie dürfen das ganz unbekümmert tun; denn er ist sehr erfahren.
Die Mutter Priorin von Malagón befindet sich, Gott sei Dank, besser. Ich habe jetzt viel mehr Hoffnung, daß sie wieder gesund wird; denn mir hat ein Arzt gesagt, sie könne am Leben erhalten werden, da die Lunge nicht angegriffen sei, wenn sie auch eine Wunde habe. Gott gebe dies, da er weiß, wie notwendig wir sie brauchen! Unterlassen Sie nicht, ihn darum zu bitten. Empfehlen Sie mich allen Schwestern! Ich muß schließen, weil ich noch viel zu schreiben habe. An meinen Prior de las Cuevas werde ich ein andermal schreiben, um ihm meine große Freude über seine Wiedergenesung auszudrücken. Gott erhalte ihn uns sowie auch Sie, meine Tochter! Sie sagen mir nicht, ob Sie auch ganz gesund sind, und das macht mir große Sorge. An Delgado und alle Freunde meine Grüße.
Heute ist der 26. November.
Ihre Dienerin
Theresia von Jesu
Geben Sie mir jedesmal Nachricht über das Befinden des Paters Anton! An ihn, an Pater Gregor und Pater Bartholomäus meine Empfehlungen. Wenn ich sehe, was unser Vater wirkt, so preise ich unseren Herrn aus ganzem Herzen dafür, Gott möge ihm Gesundheit verleihen! Ich hoffe zu ihm, meine Töchter werden ihr möglichstes dazu beitragen.
