95. Brief — An Pater Johann Baptist Rubeo (Rossi), General des Ordens unserer Lieben Frau vom Berge Karmel in Rom
Sevilla, anfangs Februar 1576
Antwort auf die gegen sie erhobenen Anschuldigungen, Versuch einer Entschuldigung des Paters Gracián.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei allezeit mit Euerer Wohlehrwürden!
Amen.
Seitdem ich hieher nach Sevilla gekommen bin, habe ich drei oder viermal an Euere Wohlehrwürden geschrieben. Ich habe es deshalb nicht öfters getan, weil die Patres, die vom Kapitel zurückgekehrt sind, mir gesagt hatten, Sie wären nicht in Rom, sondern seien von dort abgereist zur Visitation der mantuanischen Klöster. Gott sei gepriesen, daß diese Aufgabe vollendet ist! In meinem Briefe habe ich Euere Wohlehrwürden auch Rechenschaft gegeben über die Klöster, die im letzten Jahre gestiftet wurden. Es sind ihrer drei, nämlich das zu Veas, zu Caravaca und das hiesige. In diesen Klöstern haben Euere Wohlehrwürden Untergebene, die eifrige Dienerinnen Gottes sind. Die zwei ersteren haben bestimmtes Einkommen, das hiesige ist auf Armut gegründet. Wir haben zwar noch kein Haus, aber ich hoffe zum Herrn es werde sich eines finden. In der sicheren Voraussetzung, daß einige meiner Briefe in Ihre Hände gelangt seien, gebe ich Ihnen in diesem Briefe keine ins einzelne gehende Rechenschaft über das Ganze.
Ich sagte in diesen Briefen, daß es etwas ganz anderes sei, diese unbeschuhten Väter, Pater Magister Gracián und Pater Mariano, selbst reden zu hören, und etwas anderes, die Gerüchte über sie zu vernehmen. Die beiden sind gewiß wahre Söhne Euerer Wohlehrwürden, und ich wage zu behaupten, daß sie im wesentlichen hierin keiner von denen übertrifft, die sich so sehr ihrer Ergebenheit gegen Sie rühmen. Weil sie mich zu ihrer Vermittlerin machten, um ihnen Ihre Gewogenheit wieder zu erwirken — denn selbst wagten sie nicht mehr zu schreiben — so bat ich Euere Wohlehrwürden in jenen Briefen so inständig als möglich und flehe Sie um der Liebe unseres Herrn willen auch jetzt wieder an, Sie möchten mir die Gnade erweisen und mir doch einigen Glauben schenken. Ich habe ja doch gar keinen anderen Grund, als der vollen Wahrheit gemäß zu reden. Ja, selbst wenn ich es nicht für eine Beleidigung Gottes ansähe, die Wahrheit zu fälschen, so hielte ich es, ganz abgesehen von Gott, für einen schändlichen Verrat und für große Bosheit, einen Vater anzulügen, den ich so innig liebe.
Wenn wir vor dem Angesichte Gottes erscheinen, werden Euere Wohlehrwürden sehen, wie viel Sie Ihrer wahren Tochter Theresia von Jesu verdanken. Dies allein ist es, was mich in diesen Leiden tröstet. Denn ich kann mir leicht denken, daß andere das Gegenteil sagen werden. Ich aber werde mich nach Kräften bemühen, daß alle, die sich nicht von der Leidenschaft beherrschen lassen, einsehen und noch während meines irdischen Lebens zur Einsicht kommen, daß ich Ihre wahre Tochter bin.
Ich habe Ihnen schon von dem Auftrage geschrieben, der dem Pater Gracián vom Nuntius zuteil wurde, und wie dieser ihn jetzt wieder zu sich beschieden hat. Euere Paternität werden auch schon wissen, daß er aufs neue den Auftrag zur Visitation der unbeschuhten Brüder und Nonnen sowie auch [der beschuhten Karmeliten] in der Provinz Andalusien erhalten hat. Ich weiß gewiß, daß er sich gegen den letzteren [Auftrag], soviel er nur konnte, gesträubt hat, und es ist dies Wahrheit, wenn man auch anders sagt. Auch sein Bruder, der Sekretär des Königs, hätte gewünscht, daß er davon verschont geblieben wäre, weil doch nur große Schwierigkeiten daraus erfolgen. Nun war die Sache einmal geschehen; und hätten mir die [beschuhten] Brüder geglaubt, so würde alles ganz wie unter Brüdern abgemacht worden sein, ohne daß etwas nach außen gedrungen wäre. Darauf arbeitete ich nach Kräften hin. Denn dies war billig, zumal diese Väter seit unserer Anwesenheit uns in allem unterstützten. Auch finde ich, wie ich Euerer Paternität schon geschrieben habe, unter ihnen Männer von ausgezeichnetem Talente und großer Gelehrsamkeit, so daß ich sehr wünschte, es möchte auch in unserer kastilischen Provinz solche geben.
Ich mache immer gerne aus der Not eine Tugend, wie man im Sprichworte sagt, und darum hätte ich gewünscht, die Väter würden, ehe sie sich zum Widerstande anschickten, zuvor überlegt haben, ob sie auch imstande wären, die Sache durchzusetzen. Andererseits wundere ich mich nicht, daß sie der vielen Visitationen und neuen Anordnungen, die ihnen um unserer Sünden willen schon seit vielen Jahren auferlegt werden, überdrüssig wurden. Der Herr gebe, daß wir Nutzen daraus ziehen! Denn Seine Majestät regt uns mächtig an. Indessen scheint doch jetzt dem Orden keine so große Schande zu erwachsen, da der Visitator demselben Orden angehört. Ich hoffe auch zu Gott, es werde alles gut ausgehen, wenn Euere Wohlehrwürden diesem Pater Ihre Gunst so zuwenden, daß man sieht, er stehe bei Ihnen in Gnaden. Er wird selbst an Sie schreiben und verlangt sehr nach dem, was ich sage, um Ihnen ja keinen Verdruß zu machen; denn er betrachtet sich als Ihren gehorsamen Sohn.
Auch in diesem Briefe bitte ich Sie wieder demütig um der Liebe unseres Herrn und seiner glorreichen Mutter willen, die Sie so sehr lieben, ihm ja mit Milde zu antworten; denn auch dieser Pater trägt eine so innige Liebe zu ihr, daß ihn seine große Verehrung gegen sie bestimmte, in diesen Orden zu treten. Vergessen Sie das Vergangene, wenn er auch einige Schuld gehabt haben sollte, und nehmen Sie ihn als Ihren ganz gehorsamen Sohn und Untergebenen auf; denn er ist es in Wahrheit. Auch der arme Mariano ist es, obgleich er manchmal nicht weiß, was er spricht. Ich wundere mich nicht, wenn er an Euere Wohlehrwürden anders geschrieben haben sollte, als er es im Sinne hatte, weil er sich nicht auszudrücken wußte. Er sagt, es sei niemals seine Absicht gewesen, Sie in Wort oder Tat zu beleidigen. Weil der Teufel soviel gewinnt, wenn man die Dinge so auffaßt, wie es zu seinem Zwecke dienlich ist, darum muß er wohl darauf hingearbeitet haben, daß die Patres, ohne es zu wollen, über ihre Angelegenheiten nicht recht berichtet haben.
Bedenken aber Euere Wohlehrwürden, daß Kinder leicht fehlen und daß es Sache der Eltern ist, ihnen zu verzeihen und der Fehler nicht mehr zu gedenken. Um der Liebe unseres Herrn willen bitte ich Sie, mir die Gnade zu erweisen und Milde walten zu lassen. Beachten Sie, daß dies aus vielen Gründen, die Sie vielleicht in der Ferne nicht so kennen wie ich hier, ratsam ist und daß wir Frauenspersonen, wenn wir auch zum Ratgeben nicht geeignet sind, doch manchmal das Richtige treffen. Ich sehe nicht ein, welcher Nachteil daraus entstehen könnte, wenn Sie jene wieder annehmen, die sich mit größter Freude Ihnen zu Füßen werfen würden, wenn sie bei Ihnen wären; dies dürfte im Gegenteil nur viele Vorteile bringen. Gott hört ja auch nicht auf, zu verzeihen. Und wie nützlich wäre es, wenn man merkte, daß Euere Paternität die Reform des Ordens durch einen Ihnen treu ergebenen Sohn gerne sehen und ihm dafür auch gerne verzeihen würden.
O wenn doch viele da wären, denen man dieses Geschäft übertragen könnte! Da sich aber dem Anscheine nach keine Männer von gleicher Tüchtigkeit, wie dieser Pater sie besitzt, finden — und ich weiß gewiß, daß Euere Wohlehrwürden ebenso sprächen, wenn Sie ihn sähen — , warum sollten Sie nicht kundgeben, daß es eine Freude für Sie ist, ihn zum Untergebenen zu haben? Daraus würden alle erkennen, daß die Reform, wenn sie gut durchgeführt wird, durch Sie, durch Ihre Ratschläge und Anweisungen zustande kam. Und merkt man, daß Sie daran Gefallen finden, dann werden sich alle Schwierigkeiten heben.
Ich möchte über diesen Punkt noch gerne vieles sagen, allein ich will lieber zu unserem Herrn flehen, er wolle Sie erkennen lassen, was hierin ratsam ist. Denn schon seit langem geben Euere Wohlehrwürden auf meine Worte nichts. Übrigens bin ich mir gewiß, daß es nicht ein Irrtum des Willens ist, wenn ich in dieser Annahme fehlgehe.
Pater Antonius von Jesu ist hier. Er konnte nicht anders handeln, obwohl er sich wie die erwähnten Patres zu verteidigen begann. Er schreibt an Euere Wohlehrwürden; vielleicht hat er mehr Glück als ich, daß Sie ihm dann glauben, was in Hinsicht auf meine Worte das Geeignete ist. Unser Herr wolle es so lenken, wie er kann und sieht, daß es notwendig ist!
Ich habe von dem Beschlusse des Generalkapitels Kenntnis erhalten, nach dem ich ein Kloster, das ich einmal gewählt, nicht mehr verlassen sollte. Der Pater Provinzial, Pater Angelus, hat diesen Beschluß dem Pater Ulloa mit dem Auftrage zugeschickt, mir ihn mitzuteilen. Dieser meinte, ich werde großen Schmerz darüber empfinden, wie es auch die Absicht jener Väter gewesen ist, die diesen Beschluß erwirkt haben; darum hat er ihn zurückbehalten. Es wird aber schon mehr als ein Monat sein, daß ich auf den Vollzug dieses Beschlusses wartete; denn ich habe von anderer Seite Kenntnis davon erhalten.
Ich versichere Euere Paternität, daß ich, soweit ich mich selbst beurteilen kann, große Wonne und Freude empfunden hätte, wenn Sie mir in einem Briefe diesen Befehl zugeschickt hätten. Ich würde mir da gedacht haben, daß Sie mir wegen der großen Mühseligkeiten, die ich bei diesen Stiftungen zu erdulden hatte, aus Mitleid zu mir und zum Lohne [für diese Mühen] befohlen hätten, auszuruhen. Denn ich bin sehr untauglich für große Leiden. Aber auch, nachdem dieser Befehl auf dem erwähnten Wege an mich gelangt ist, hat es mir großen Trost gewährt, daß ich jetzt in meiner Ruhe bleiben kann.
Weil ich eine so große Liebe zu Euerer Wohlehrwürden trage, so hat es mich bei meiner großen Empfindlichkeit denn doch schmerzlich berührt, daß der Befehl an mich wie an eine sehr Ungehorsame geschickt wurde und Pater Angelus ihn zu Madrid kundbar machen konnte, ehe ich noch eine Silbe davon wußte. Er meinte, es würde mir ein großer Zwang angetan, und darum schrieb er mir, es könne dieser Befehl durch die päpstliche Kammer noch geändert werden, während er mir doch große Erleichterung gebracht hätte. Wahrhaftig, wenn das, was Euere Wohlehrwürden mir befehlen, auch die größte Qual für mich wäre, so könnte mir doch nie der Gedanke kommen, daß ich Ihnen den Gehorsam versagen wollte; Gott möge verhüten, daß ich je eine Zufriedenheit suche, die gegen Ihren Willen wäre! Denn ich kann in Wahrheit sagen, und unser Herr weiß es: Wo immer ich in Leiden, Beunruhigungen, Trübsalen und Schmähungen einige Erquickung fand, kam sie aus dem Bewußtsein, daß ich Ihren Willen erfülle und Ihnen Freude mache. So wird es mir auch jetzt ein Trost sein, daß ich vollziehe, was Sie mir befehlen. Ich wollte auch sogleich Ihrem Befehle nachkommen; weil aber das Weihnachtsfest war und der Weg so weit ist, so ließ man mich nicht reisen in der Voraussetzung, es sei nicht Ihr Wille, daß ich meine Gesundheit der Gefahr aussetze. So bin ich noch immer hier, aber nicht in der Absicht, immer in diesem Kloster zu bleiben, sondern nur bis der Winter vorüber ist; denn ich kann mit den Leuten in Andalusien nicht zurechtkommen. Ich bitte Euere Wohlehrwürden recht sehr um die Gnade, mir, wo auch immer ich mich befinden werde, zu schreiben. Ich fürchte nämlich, Sie möchten mich vergessen, weil ich mich zu meiner großen Freude mit nichts mehr zu beschäftigen habe. Allein ich werde es nicht soweit kommen lassen; denn wenn es Ihnen auch zum Überdruß sein sollte, so werde ich doch nicht unterlassen, zu meinem Troste an Sie zu schreiben.
Hier hat man es nie anders verstanden und versteht es auch setzt noch nicht anders, als daß das Konzil und das Motu proprio den Ordensobern die Vollmacht überläßt, zu befehlen, daß sich Nonnen zum Besten des Ordens in andere Klöster begeben, was gar oft vorkommen kann. Ich sage dies nicht in Hinsicht auf meine Person; denn ich tauge zu gar nichts mehr. Ich wollte gerne nicht bloß in einem Kloster, wo ich zu meinem großen Troste einige Ruhe und Stille genießen könnte, sondern sogar in einem Kerker mein ganzes Leben zubringen, wenn ich sähe, daß ich dadurch Euerer Wohlehrwürden Freude bereiten würde. Ich sage dies nur, damit Euere Paternität sich wegen der Vergangenheit nicht beunruhigen. Denn obwohl ich die von Ihnen ausgestellten Vollmachtsbriefe hatte, so habe ich mich doch zu keiner Klosterstiftung begeben — anderswohin konnte ich ja, wie es klar ist, ohnehin nicht gehen — ohne schriftlichen Befehl oder Erlaubnis des Obern. Die Erlaubnis für Veas und Caravaca gab mir Pater Angelus, und Pater Gracián gab sie mir für hier. Er hatte nämlich schon damals vom Nuntius dieselbe Kommission, wie er sie gegenwärtig hat, nur daß er keinen Gebrauch davon machte. Trotzdem hat Pater Angelus gesagt, ich sei als eine Abtrünnige hieher gekommen und deshalb in der Exkommunikation. Gott verzeihe es ihm! Euere Wohlehrwürden wissen es und sind mein Zeuge, daß ich immer bemüht war, ihm Ihre Gunst zu sichern und ihm, sofern es ohne Beleidigung Gottes geschehen konnte, Freude zu machen; und doch konnte er mir nie recht gut sein.
Es wäre ihm weit nützlicher, wenn er gegen Pater Waldemar so übel gesinnt wäre; denn als Prior von Ávila hat dieser die unbeschuhten Väter zum großen Ärgernisse des Volkes vom Kloster der Menschwerdung entfernt. Mit den Nonnen dieses Klosters, das in einem so guten Zustand sich befand, daß man Gott dafür lobpreisen mußte, ist er in unschöner Weise verfahren; man muß über die große Unruhe, in die sie deshalb geraten sind, nur jammern. Indessen schreibt man mir, daß sie ihn noch dazu entschuldigen und alle Schuld sich beimessen. Jetzt sind die unbeschuhten Väter wieder zurückgekehrt, und wie man mir mitteilt, hat der Nuntius befohlen, daß keine anderen die Beichten der Nonnen hören sollen als die Karmeliten.
Die Trostlosigkeit jener Nonnen hat mich sehr geschmerzt; denn einerseits gibt man ihnen nichts zu essen als Brot, und andererseits beunruhigt man sie so, daß es zum Erbarmen ist. Möge Gott in allem Mittel und Wege zur Besserung schaffen und Euere Paternität uns viele Jahre erhalten!
Heute sagte man mir, daß der General der Dominikaner hieher komme. Möchte mir doch Gott die Gnade verleihen und es fügen, daß auch Euere Wohlehrwürden hieher kämen! Andererseits würde ich freilich wieder die Beschwerden, die Sie dabei auf sich nehmen müßten, schmerzlich empfinden. Daher werde ich mich vertrösten müssen bis zu jener endlosen Ewigkeit, wo Euere Wohlehrwürden sehen werden, wie viel Sie mir verdanken. Der Herr verleihe in seiner Barmherzigkeit, daß ich dahin zu gelangen gewürdigt werde!
Ich empfehle mich angelegentlich dem Gebete der dortigen Paternitäten, Ihrer ehrwürdigen Gefährten. Die hiesigen Untergebenen und Töchter bitten Euere Paternität um Ihren Segen, und ich bitte um ihn für mich.
