286. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá
Valladolid, am 7. Juli 1579
Verschiedene Angelegenheiten des Ordens, speziell der Klöster in Valladolid, Alba und Salamanka. Hoffnungen, die die Heilige auf Pater Nikolaus Doria setzt.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Vor vier Tagen bin ich, Gott sei Dank, gesund und ohne Ermüdung in Valladolid angekommen, da die Witterung sehr kühl war. Es ist erstaunlich, wie sehr die hiesigen Nonnen und die Herrschaften über meine Ankunft erfreut waren, und ich weiß doch nicht warum. Alle empfehlen sich in Ihr Gebet. Die Mutter Priorin sagt, daß sie Ihnen nicht schreiben wolle; denn da sie sehr gerne redet, so will sie mit Stummen sich nicht unterhalten. Meine Schwester Maria vom heiligen Joseph habe ich ganz wohl und zufrieden angetroffen, und alle Nonnen sind auch mit ihr vollkommen zufrieden. Ich habe mich gefreut, sie zu sehen und zugleich mich zu überzeugen, in welch gutem Zustand sich diese Klöster befinden; ich dachte daran, in welch großer Armut sie gegründet wurden. Der Herr sei allezeit dafür gepriesen!
Hier in diesem Kloster ist jetzt ein Fräulein eingetreten, das aus guter Familie stammt und treffliche Anlagen besitzt. Ihr Vermögen beläuft sich auf 20000 Dukaten; allein wir denken, daß sie uns im Vergleich zu dem, was sie leisten könnte, nur eine geringe Mitgift überlassen wird, da sie zu sehr an ihren Schwestern hängt. Indessen wird sie doch eine bedeutende Aussteuer mitbringen, und so wird in Verbindung mit dem Gelde, das die Priorin schon besitzt, nur noch wenig fehlen zu einer ausreichenden Rente für das Kloster; denn alle wollen, daß es ein bestimmtes Einkommen habe.
Die von Paulus beabsichtigte Reise nach Rom ist eine Torheit; es wäre zwecklos, darüber ein Wort zu verlieren, und überflüssig, selbst daran zu denken. Ich fürchte vielmehr, er werde, wenn er zum Provinzial erwählt wird, zum Generalkapitel reisen müssen. Denken Sie gar nicht an den Rat, den Ihnen jener so entschlossene Pater gegeben hat, ohne zu sagen wozu und wie! Preisen Sie vielmehr den Herrn, daß er die Angelegenheit in einer Weise geordnet hat, die diese Reise des Paulus unnötig macht! Es würde uns jetzt sonst nichts mehr fehlen, um uns von überstandenen Leiden zu erholen, als dieses Kreuz. Es wäre mein Wunsch, daß Euere Paternität keinen Augenblick einem solchen Gedanken Raum gäben.
Pater Nikolaus war drei oder vier Tage bei mir in Ávila. Es war ein großer Trost für mich, als ich sah, daß Euere Paternität an ihm einen Mann besitzen, mit dem Sie die Angelegenheiten des Ordens beraten können, der fähig ist, Ihnen beizustehen und meinen Wünschen entspricht; denn bisher hat es mir große Sorge gemacht, Sie in dieser Hinsicht so allein im Orden zu sehen. Er scheint mir in der Tat ein verständiger Mann, ein guter Berater und auch ein frommer Diener Gottes zu sein. Wohl hat er nicht jenes gefällige und einnehmende Wesen, wie Seine Majestät es dem Paulus in so hohem Maße verliehen hat — denn Gott gewährt solche Eigenschaften auf einmal nur wenigen Personen —, allein er ist doch ein begabter, sehr demütiger und bußfertiger Mann, der die Wahrheit liebt und die Herzen zu gewinnen weiß. Er wird auch den Wert des Paulus recht zu schätzen wissen und ist, was mir große Freude machte, fest entschlossen, ihm in allem zu folgen. Möchte doch Paulus sich mit ihm verstehen! Er wird dies, wie ich glaube, auch fertigbringen, wenn auch nur, um mir Freude zu bereiten. Möchten beide immer eins sein! Dann werden wir in vieler Beziehung große Vorteile gewinnen; und
das ist für mich ein großer Trost.
Sooft ich daran denke, was Euere Paternität von jenen zu leiden hatten, die Sie hätten unterstützen sollen, kommt mir dies in gewisser Beziehung als die schwerste Prüfung vor, die Sie auf sich nehmen mußten. Darum, mein Vater, entzweien Sie sich nicht mit ihm; denn entweder habe ich mich an ihm sehr getäuscht, oder er wird uns in mancher Beziehung großen Nutzen bringen. Wir haben lange miteinander gesprochen und viele Pläne gemacht. Möge der Herr endlich den Tag kommen lassen, an dem wir diese Pläne verwirklichen und jene Herde der allerseligsten Jungfrau, die dem Paulus so viel gekostet hat, vollständig in Ordnung bringen können.
Ich lobpreise unseren Herrn, daß Euere Paternität sich so wohl befinden. Um der Liebe willen bitte ich Sie um die Gnade, bei dieser Hitze nur möglichst kurze Zeit in Alcalá sich aufzuhalten. Ich weiß nicht, wie lange ich hier bleiben werde; denn die Sorge um die Angelegenheit in Salamanka läßt mir keine Ruhe. Indessen befinde ich mich zu meiner Freude wohl; wie könnte ich auch in Wahrheit sagen, daß ich in irgendeinem Stücke mißvergnügt bin? Ich werde aber doch aus allen Kräften darnach trachten, hier nicht länger als einen Monat zu bleiben. Denn es könnte sonst jemand zu unserem Schaden das Haus kaufen, das man uns in Salamanka anbietet, und das, wenn auch etwas teuer, doch für uns ganz passend ist. Gott wird jedoch auch in diesem Stücke für uns sorgen.
Um Euerer Paternität keinen Verdruß zu bereiten, wollte ich Ihnen noch immer verschweigen, wie unerträglich die Tochter des Lizentiaten Godoy ist, die sich im Kloster zu Alba befindet. Ich habe alles mögliche getan und sie in jeder Hinsicht geprüft, allein man kann sie durchaus nicht ertragen. Da es ihr an Einsicht fehlt, so begreift sie nichts. Sie muß sehr mißvergnügt sein, da sie öfters laut aufschreit. Sie sagt, Herzleiden sei die Ursache davon, allein ich glaube es nicht. Ich ersuchte die Priorin, mir einiges von dem, was sie mir über sie mitgeteilt hatte, aufzuschreiben, damit ich es dem Lizentiaten vorlegen könne, worauf sie mir beiligenden Brief übersandte. Nachher hielt ich es jedoch für besser, diesem Herrn den Brief nicht zu zeigen, sondern ihm nur im allgemeinen zu erklären, daß seine Tochter keinen Beruf für unsere Lebensweise habe. Es fällt mir dies freilich recht schwer, denn wir sind diesem Manne zu großem Danke verpflichtet; allein man wird sie in keiner Weise ertragen können.
Ich werde nächstens selbst nach Alba kommen und alles in Erfahrung bringen; es wird dies jedoch wenig nützen, da diese Novizin den Mitteilungen gemäß, die man mir über sie zukommen ließ, keinen Verstand hat. Da sie ihren Vater fürchtet, so wird sie wohl bei ihm am besten aufgehoben sein. Bisher habe ich ihn noch nicht gesehen. In einem Briefe, den er mir nach Ávila sandte, bittet er mich, man möge seine Tochter so lange in Alba behalten, bis er für sie einen anderen Aufenthaltsort ausfindig gemacht habe; so wird es auch geschehen. Ich habe immer gezaudert, sie aufzunehmen, weil ich mir dachte, wie schwer es dem Vater fallen werde, wenn man sie wieder entlassen würde. Wir haben bisher unser möglichstes getan. Gebe Gott, daß ihr Vater dies auch einsieht!
An Pater Bartholomäus bitte ich meine besten Empfehlungen zu entrichten! Sein Brief hat mir große Freude bereitet. Er möge es sich nicht verdrießen lassen, mir diese Liebe öfters zu erweisen. Wenn ich ihm eben jetzt nicht antworte, so liegt der Grund darin, daß ich durch den Besuch so vieler Damen, den ich heute empfangen, zu sehr ermüdet bin. Gestern war die Gräfin de Oforno bei mir. Der Bischof von Palencia ist hier. Euere Paternität und wir alle sind ihm zu großem Danke verpflichtet. Ich empfehle mich auch dem Pater Rektor! Der Herr erhalte Euere Paternität in jener Heiligkeit, um die ich ihn für Sie bitte!
Heute ist der 7. Juli.
Euerer Paternität wahre Tochter
Theresia von Jesu
