170. Brief — An Pater Ambrosius Mariano in Madrid
Toledo, am 6. Februar 1577
Nachrichten und Lob über Pater Gracián. Verhaltungsmaßregeln gegenüber Pater Tostado und den beschuhten Vätern. Verschiedene Empfehlungen.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Bitte, setzen Sie nicht mehr den Titel »Herrin« an die Spitze Ihrer Briefe; denn derartige Ausdrücke ziemen sich nicht für uns. Es ist wirklich eine unangenehme Sache mit diesen Schlägereien in Andalusien.
Unser Vater schreibt mir nichts, außer daß es ihm gut geht trotz aller Unpäßlichkeiten, unter denen er bisweilen leidet. Aber er will sich heilen, indem er das Wasser trinkt, das sich bei Antequera befindet.
Ich kann jene Angelegenheit des Paters Bonaventura nicht begreifen. Denn meines Wissens haben Euere Hochwürden mir geschrieben, daß man ihn seines Amtes entsetzt habe. Wenn man ihn davon enthoben hat unter dem Vorwande, daß es gut sei, den Ordensmännern ein Beispiel zu geben, so sollte man ihn meines Erachtens wieder damit betrauen.
Gott hat uns eine große Gnade erwiesen, daß unser Vater die Prüfung mit solcher Ruhe ertragen hat. Wenn man ihm nicht die Hände bindet, wird er das begonnene Werk zum besten Ende führen. Ich vertraue auf Seine Majestät, die Euere Hochwürden, meinen Vater, erhalten möge!
Warum machen Sie sich, mein Vater, Sorgen über die Ankunft des Paters Tostado? Lassen Sie unsern Herrn walten! Diese Angelegenheit steht ihm zu, der weiß, aus allem den größten Gewinn zu ziehen. Ich habe in keinerlei Weise Sorge. Unsere Angelegenheiten, die eine unseren Wünschen entgegengesetzte Richtung zu nehmen scheinen, wickeln sich, wie ich sehe, besser ab als andere, die dem Anscheine nach auf guten Bahnen sich befinden. Gott wird seine Macht zeigen. Schwieriger ist die Tatsache, daß mit dem Abgang des Nuntius der Auftrag unseres Vaters erlischt.
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß der Nuntius unseren Vater zu sich rufen ließ. Die beschuhten Väter hier sind ganz außer sich, daß Tostado solange nicht kommt. Ich glaube, sie werden einen Boten an Tostado senden, wenn sie es nicht schon getan haben; ihr Fehler, sagen sie, sei gewesen, daß sie niemanden an ihn geschickt hätten, um ihn zu rufen. Wohlan, er möge kommen! Wir wollen sehen, worauf dieses Abenteuer hinausgeht. Aber wenn der König und unsere Gönner sich ebenso verhalten wie vorher, dann hat dieser Pater wenig Aussicht auf Erfolg. Ändern sie aber ihre Ansicht, dann wird es noch besser sein.
Seien Sie, mein Vater, durchwegs ohne Sorge über den Vorschlag, den ich Ihnen machte; bleiben Sie in dem Hause, das man Ihnen gegeben hat! Suchen Sie nicht mehr nach einer guten Lage für eine Gründung! Ich kann es nicht ertragen, daß Sie mit diesen Vätern darüber in Unterhandlung treten und das Sichere um des Unsicheren willen aufgeben; nach einiger Zeit kommt ein anderer. Es möge bleiben, wie es jetzt ist. Es wäre meiner Ansicht nach viel besser gewesen, in Madrid ein Nonnenkloster zu gründen, als einen günstiger gelegenen Ort für ein Männerkloster zu suchen...
Ich habe dies selbst erfahren während der acht Tage, die ich in Madrid zugebracht habe. Seien wir auf der Hut vor ihnen, es sind wichtige Angelegenheiten; und wie Euere Hochwürden sagen, verstehen sie sich am besten darauf, eine Verfolgung gegen uns in Szene zu setzen. Und wer weiß, ob sie uns in diesem Augenblick nicht nützlicher wäre.
Ich bin sehr froh, daß unser Vater nicht in Sevilla ist; wie Euere Hochwürden bemerken, wäre es besser, wenn er hieher in unsere Nähe käme, obgleich wir in Granada ein Haus der unbeschuhten Karmeliten besitzen, in das er sich zurückziehen kann. Falls jedoch sein Amt als Visitator zu Ende gehen und Pater Tostado seine Befugnisse erhalten würde, wäre es gut, wenn sie einander nicht treffen würden. Die beschuhten Väter sagen nur, daß der letztere sich unverzüglich an den Hof begeben müsse; er ist also auf Befehl des Nuntius dorthin berufen worden. Diese Väter fügen bei, was auch wahr ist, daß er durch den König dorthin berufen wurde. Sie müssen diese Angelegenheit besser durchforscht haben, allein sie sind nicht eines Sinnes.
Pater Don Pedro González erzählte mir gestern, er habe in einem Briefe aus Rom gelesen, daß ein Internuntius ernannt worden sei.
Ich glaube, mein Vater, daß dieser Nuntius große Voreingenommenheit gegen uns an den Tag legen wird, wenn er kommt. Aber wenn Gott für uns ist, wer soll dann gegen uns sein? Pater Magister Petrus Fernández ist hier; er hat mich besucht, und ich glaube, daß er sich innerhalb eines Monats nicht an den Hof begeben wird. Seien Sie überzeugt, mein Vater, daß man nichts unternehmen werde gegen die Anordnungen der apostolischen Visitatoren. Sie werden sich dem Pater Tostado unterwerfen und ihm gehorchen müssen, aber nicht in dem, was zu unserem völligen Ruin gereicht. Daher müssen Sie gegen ihn, wenn er kommt, standhaft sein trotz aller Zeichen der Freundschaft, die er Ihnen gegenüber an den Tag legen wird, und niemand darf sich zu dem verleiten lassen, was schließlich unserm Pater General keinen Nutzen bringt; denn wir stehen unter seinem Gehorsam, und man muß uns als seine Töchter ansehen, wenn dies geschieht. Es würde unser Leben sein, wenn man das Werk der Reform wieder weiterführen würde, das berufen ist, so viel Gutes zu stiften. Ich fürchte, mein Vater, daß Gott uns diese Gnade noch nicht schenkt. Möge Seine Majestät alles zu seiner größern Ehre lenken! Dann mag kommen, was da wolle.
Hier liegt ein Brief bei für Pater Johann Diaz; ich bitte ihn, sich gütigst um eine Angelegenheit in Caravaca anzunehmen, wie Euere Hochwürden sehen werden. Ich sende dorthin den Bericht und die Empfehlungsbriefe, die dem Bischof von Cartagena übergeben werden sollen…
Ich bitte ihn außerdem, die Herzogin zu ersuchen, sie möchte einen ihrer Diener absenden… Ich will sie bitten, um der Liebe Gottes willen ja helfend einzugreifen.
Unser Herr sei stets mit Euerer Hochwürden! Amen.
Heute ist der 6. Februar. Meine besten Empfehlungen an Pater Prior.
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
