215. Brief — An Pater Johann Suárez, Provinzial der Gesellschaft Jesu, in Kastilien
Ávila, am 10. Februar 1578
Vorhaben des Paters Kaspar Salazar, die Gesellschaft Jesu zu verlassen und in den Orden der unbeschuhten Karmeliten zu treten.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei allezeit mit Euerer Paternität! Amen
Der Pater Rektor hat mir einen Brief von Ihnen übergeben, der mich in Wahrheit sehr in Erstaunen setzte, weil Sie mir darin vorwerfen, werfen, ich hatte den Pater Kaspar de Salazar überreden wollen, die Gesellschaft Jesu zu verlassen und in unseren Orden vom Karmel einzutreten, und zwar unter dem Vorwande, daß unser Herr es so wolle und dies geoffenbart habe.
Was den ersten Punkt betrifft, so weiß es Seine Majestät, und es wird sich auch als wahr erzeigen, daß ich dies niemals verlangt und noch weniger mit ihm hierüber verhandelt habe. Ja, als ich einmal von diesem Plan Kenntnis erhielt — es geschah aber nicht durch einen Brief von diesem Pater — , ward ich darüber so entrüstet und so schmerzlich berührt, daß meine Gesundheit, die schon sehr schwächlich war, es schwer büßen mußte. Da ich aber dies erst vor ganz kurzer Zeit erfuhr, so muß ich davon nach meinem Dafürhalten erst lange nach Ihnen Kenntnis erhalten haben.
Was nun die Offenbarung betrifft, von der Euere Paternität sprechen, so hat mir dieser Pater weder etwas geschrieben noch sonst etwas über diesen Entschluß mitgeteilt; ich weiß also nicht, ob ihm eine diesbezügliche Offenbarung zuteil geworden ist. Hätte ich aber selbst eine solche Träumerei, wie Euere Paternität sich ausdrücken, gehabt, so wäre ich doch nicht so leichtsinnig gewesen, daß ich auf einen solchen Grund hin eine so wichtige Veränderung gewollt oder dem Pater Salazar angeraten hätte; denn ich bin, Gott sei Dank, durch mehrere Personen über den Wert und den Glauben, der solchen Dingen beizumessen ist, belehrt worden. Ich glaube auch nicht, daß Pater Salazar, ohne einen anderen bestimmenden Grund dafür zu haben, darauf geachtet hätte; denn er ist sehr klug.
Wenn Euere Paternität ferner sagen, die Oberen müßten in dieser Sache nachforschen, so wird dies ganz gut sein, und Sie können diesem Pater Ihre diesbezüglichen Befehle zugehen lassen; denn es ist, soweit ich glaube, klar, daß dieser Pater nichts tun wird, ohne Ihre Erlaubnis und ohne Ihnen davon Mitteilung zu machen. Die innige Freundschaft, die zwischen Pater Salazar und mir besteht, und die mir erwiesenen Dienste werde ich nie verleugnen, wenn ich auch sicher annehmen kann, daß ihn mehr der Dienst unseres Herrn und seiner gebenedeiten Mutter bestimmt hat, mir Wohltaten zu erweisen, als unsere Freundschaft; denn wie ich glaube, ist es wohl schon länger als zwei Jahre, daß wir beide einander nicht mehr geschrieben haben. Da diese Freundschaft schon sehr alt ist und ich mich in früheren Zeiten in großer Notlage sah, so hätte ich damals, wie es wohl einleuchtend ist, eher dieses Vorhaben unterstützen können als jetzt. Denn damals zählte unser Orden nur zwei unbeschuhte Patres, während er, soviel ich glaube, jetzt, Gott sei Dank, mehr als zweihundert besitzt und unter ihnen Männer, die zur Leitung so armer Töchter genügende Befähigung haben. Mir ist noch nie der Gedanke gekommen, daß der Arm Gottes dem Orden seiner Mutter gegenüber kürzer sei als bezüglich anderer Orden.
Wenn Euere Paternität ferner bemerken, ich hätte in der Absicht geschrieben, um das Gerücht zu verbreiten, daß Sie diesem Wunsche des Paters Salazar hinderlich im Wege stünden, so möge Gott meinen Namen nicht in das Buch des Lebens schreiben, wenn mir je auch nur so ein Gedanke gekommen ist. Verzeihen Sie diese übermäßige Besteuerung: Sie scheint mir erlaubt, um Euere Paternität zu überzeugen, daß ich mit der Gesellschaft Jesu handle wie eine Person, der ihre Interessen am Herzen liegen und die für sie ihr Leben einsetzen würde, wenn sie sähe, daß der Dienst unseres Herrn es erforderte.
Die Geheimnisse Gottes sind unergründlich; aber wie ich bisher an dieser Angelegenheit keinen Anteil hatte — Gott ist mein Zeuge — , so wünschte ich auch, daß man mich für die Zukunft nicht hineinziehen möchte. Wirft man die Schuld auf mich, so ist es nicht das erstemal, daß ich unschuldig bin. Aber ich weiß aus Erfahrung, daß unser Herr, wenn er zufriedengestellt ist, alles wieder in Ordnung bringt. Ich kann auch nie glauben, Seine Majestät werde gestatten, daß die Gesellschaft Jesu in wichtigen Sachen den Orden seiner Mutter bekämpfen werde, nachdem der Herr sich dieser Gesellschaft zur Wiederherstellung und Erneuerung dieses Ordens bedient hat. Viel weniger noch wird es der Herr einer so unbedeutenden Sache wegen zu Zerwürfnissen kommen lassen; und wenn er es wirklich zuließe, so fürchtete ich, daß man das, was man auf der einen Seite zu gewinnen glaubt, auf der anderen verlieren wird.
Wir sind alle Untertanen desselben Königs. Gott gebe, daß die Diener seines Sohnes und die Diener seiner Mutter als mutige Soldaten nur darauf sehen, wo die Fahne unseres Herrn weht, um seinen Willen zu vollziehen! Wenn wir Kinder des Karmel in der Tat einen solchen Wandel führen, dann können sich offenbar jene, die den Namen Jesu tragen, nicht von uns fernhalten, wie man mir schon so oft gedroht hat. Möge Gott Euere Paternität noch viele Jahre erhalten!
Ich kenne Ihre Huld, die Sie uns fortwährend entgegenbringen, und ich empfehle Sie darum trotz meiner Armseligkeit recht angelegentlich unserem Herrn. Ich bitte Euere Paternität, das gleiche auch für mich tun zu wollen; denn seit mehr als einem halben Jahre regnet es auf mich arme Greisin unablässig Leiden und Verfolgungen, und gerade die Angelegenheit des Paters Salazar rechne ich nicht zu den geringsten Prüfungen. Bei alldem gebe ich Euerer Paternität das Wort, daß ich diesem Pater nie sagen noch auch durch irgend jemand ihm zureden werde, diesen Schritt zu tun, sowie ich auch nie mit ihm darüber ein Wort gesprochen habe.
Heute ist der 10. Februar.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und
Untergebene
Theresia von Jesu
Brief des Paters Suárez an den Rektor der Gesellschaft Jesu in Ávila, der von diesem der Theresia von Jesu übergeben ist
Jesus!
Wenn ich wüßte, daß ein Religiose eines anderen Ordens in die Gesellschaft Jesu eintreten wollte, und zwar in unsere Provinz, die sechsundzwanzig Niederlassungen und Kollegien zählt, und wenn ich es nicht für gut erachtete, ihn aufzunehmen, so würde ich an alle Oberen dieser Niederlassungen und Kollegien schreiben, die Vollmacht hätten, ihn aufzunehmen. Ein einziger Tag würde mir mit Hilfe unseres Herrn genügen, um an sie den brieflichen Befehl ergehen zu lassen, ihn nirgends aufzunehmen. Die meisten dieser Häuser würden den Befehl innerhalb acht Tagen erhalten, und die anderen binnen vierzehn Tagen. Wenn nun die Mutter Theresia es nicht für gut hält, in ihren Orden den Pater Salazar aufzunehmen, so soll sie allen Ernstes einen Brief an ihren Ordensoberen schreiben, der seinerseits die anderen Vorgesetzten benachrichtigte, oder sie soll sich direkt an die Oberen der einzelnen Häuser wenden, und in vierzehn Tagen werden alle davon verständigt sein. Es ist aber schon mehr als vierzehn Tage, daß die Mutter Theresia und die Mutter Priorin von Ávila von dieser Angelegenheit Kenntnis haben. Diese Maßregel würde mit Gottes Hilfe sehr wirksam sein. Suárez
Brief des Paters Rektor Gonzalo in Ávila, als Begleitschreiben zum Briefe des Paters Suárez an die heilige Theresia von Jesu
Jesus sei mit Ihnen!
Gestern habe ich vom Pater Provinzial einen Brief erhalten. Es hat ihm, wie er schreibt, leid getan, daß er Sie durch seinen Brief gekränkt hat. Ich bitte Sie, diesen Brief zu lesen, wenn der erste schmerzliche Eindruck vorüber ist. Sie werden sehen, daß man ihn im besseren Sinn auffassen kann. Sie können an Pater Salazar, an Ihren Oberen oder an die Oberen des Ordens schreiben, welche die Vollmacht haben, ihn aufzunehmen oder abzuweisen und ihnen die Gründe auseinandersetzen, die hinreichend sind, um seinen Eintritt zu verhindern. Der Pater Provinzial gibt sich damit zufrieden, dadurch seine Pflicht erfüllt zu haben, daß er die beteiligten Parteien sogleich benachrichtigte, von dieser Angelegenheit Kenntnis zu haben. Er wollte sich vor der Kritik sicherstellen, falls der Plan des Paters Salazar sich verwirklichte oder falls man jene, die ihn begünstigten, dafür verantwortlich machen würde. Der Grund ist, das; man nicht die Schuld auf ihn werfe, indem man sagt, er habe um die Angelegenheit gewußt, sie aber niemandem bekannt gemacht. Er bittet Sie um der Liebe unseres Herrn willen, ihn in Ihren heiligen Gebeten Seiner Majestät zu empfehlen. Er wird, wenn es Gottes Wille ist, bald nach Ávila kommen und sich mit Ihnen mündlich besprechen, wenn in dieser Angelegenheit etwas anderes zu tun ist.
So schreibt mir der Pater Provinzial, der mir zugleich beiliegendes Schriftstück sandte, um es Ihnen zu übermitteln. Ich bitte Sie nun um der Liebe unseres Herrn willen, genau nach dem Wortlaute dieses Schreibens zu handeln und einen ernsten Brief an Pater Salazar zu schreiben, wie Sie der
Pater Provinzial darum ersucht. Wie ich Ihnen heute selbst schon sagte, fürchte ich nämlich, daß jener Brief, den Sie ihm neulich sandten, nicht entschieden genug gewesen ist. Sie können ohne Bedenken dem Pater Salazar und den Oberen der unbeschuhten Karmeliten schreiben, indem Sie dem ersteren dringend ans Herz legen, von seinem Vorhaben abzustehen, den anderen aber, ihn nicht aufzunehmen, wenn er nicht eine ausdrückliche Erlaubnis vom Papste oder von seinem Ordensgeneral mitbringe. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, daß er diese nicht besitzt. Sie werden dadurch unseren Herrn keineswegs beleidigen, sondern vielmehr ihm überaus wohlgefallen.
Senden Sie mir, bitte, dieses Schriftstück des Paters Provinzial wieder zurück und teilen Sie mir mit, was Sie zu tun gedenken; denn nach meiner Ansicht ist es von großer Bedeutung für Sie, das zu erfüllen, um was wir Sie im Namen der Liebe bitten.
Ihre Briefe wurden dem Pater Bartholomäus Sicilia übergeben.
