126. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Sevilla
Toledo, am 23. Oktober 1576
Verschiedene geistliche Belehrungen und Verwahrung gegen die mannigfaltige Arglist des Teufels.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Durch den Generalbotenmeister habe ich heute drei Briefe von Ihnen erhalten und gestern jene, die mir Pater Alfons überbrachte. Unser Herr hat mir mein langes Warten gut bezahlt. Er sei allezeit dafür gepriesen, daß Euere Paternität sich einer guten Gesundheit erfreuen!
Als man mir die Pakete der Mutter Priorin überreichte, war ich anfangs recht betroffen, da sich weder in dem einen noch in dem anderen ein Brief von Ihnen fand. Sie können sich denken, wie leid mir dies tat. Aber bald kam es besser. Bemerken doch Euere Paternität in Zukunft immer, welche von meinen Briefen Sie empfangen haben. Denn oftmals antworten Sie auf etwas nicht, und dann vergessen Sie auch das Datum anzugeben.
In Ihren beiden Briefen fragen Sie mich, wie ich die Doña Johanna gefunden habe; ich habe Ihnen darüber durch den Eilboten von hier schon Nachricht gegeben. Ich hoffe, die Antwort darauf werde in dem Briefe folgen, den Sie, wie Sie sagen, über Madrid gesendet haben. Darum ängstige ich mich nicht sehr. Ich bin gesund, und meine Elisabeth bietet uns die trefflichste Unterhaltung. Ihre Anmut und Fröhlichkeit ist etwas Außerordentliches. Gestern schrieb mir Doña Johanna. Alle Ihre Angehörigen sind wohl.
Ich lobpreise den Herrn von ganzem Herzen, daß unsere Angelegenheiten einen so guten Fortgang nehmen; aber recht betroffen war ich wegen der Verleumdungen, die, wie mir Pater Alfons erzählt, über Euere Paternität in Umlauf gebracht wurden. Mein Gott, wie notwendig war doch Ihre Reise! Wenn sie auch keinen anderen Zweck gehabt hätte, so waren Sie nach meiner Ansicht schon um der Ehre des Ordens willen im Gewissen dazu verpflichtet, sich den Leuten zu zeigen. Ich begreife gar nicht, wie man solche verleumderische Aussagen in die Öffentlichkeit bringen konnte. Möge Gott diese Leute erleuchten! Wenn Euere Paternität einen Mann fänden, dem Sie vertrauen könnten, so wäre es sehr gut, daß man ihnen den Gefallen erwiese und ihnen einen anderen Prior gäbe. Allein da Sie niemanden haben, so wundere ich mich, wie man mir jenen nennen konnte, der ihnen den angedeuteten Rat gegeben hat; das heißt soviel als gar nichts tun. Eine schlimme Sache ist es, daß Sie dort einen Prior haben, der Ihnen in allem entgegen ist; schlimm wäre es auch, wenn er, falls Sie es für gut erachteten, zu resignieren sich weigern würde. Doch was wollen Sie? Diese Väter sind nicht gewohnt, nach Geringschätzung zu verlangen.
Ist das nicht staunenswert? Noch mehr aber wundert es mich, daß Paulus bei so vielen Geschäften, die er hat, bei Joseph einer so süßen Ruhe sich erfreuen kann. Ich lobpreise dafür den Herrn von ganzem Herzen. Sagen Euere Paternität dem Paulus, er möge sich endlich einmal mit seiner Gebetsweise beruhigen und sich nicht kümmern um Verstandestätigkeit, wenn ihm Gott die Gnade des Gebetes in anderer Weise verleiht; sagen Sie ihm auch, daß ich sehr damit zufrieden bin, was er mir hierüber schrieb. Die Sache verhält sich nämlich so. Bei diesen inneren und geistigen Zuständen ist jene Gebetsweise am vortrefflichsten und Gott am angenehmsten, die die besten Früchte hervorbringt. Ich meine damit nicht jene Gebetsweise, die sogleich eine Menge guter Regungen zeitigt; diese sind ohne Zweifel schützenswert, allein manchmal sind sie derart, wie unsere Eigenliebe sie uns vormalt. Ich meine hier solche Früchte, die sich durch nachfolgende gute Werke bewähren, insoferne nämlich das Verlangen nach der Verherrlichung Gottes sich dadurch offenbart, daß die Seele diese Verherrlichung des Herrn wirklich immer im Auge behält und ihr Gedächtnis und ihren Verstand nur damit beschäftigt, wie sie Gott gefallen und ihre Liebe zu ihm mehr an den Tag legen könne.
Gewiß, das ist das wahre Gebet und nicht jene Wonnegenüsse, die zu weiter nichts dienen, als unser persönliches Behagen zu befriedigen. Ist das Gebet von jenen genannten Wonnegenüssen begleitet, so bleibt in unserer Seele nur Schlaffheit, Furcht und Empfindlichkeit gegen jene zurück, die es an Achtung vor uns fehlen lassen. Ich für meine Person würde mir kein anderes Gebet wünschen als jenes, das mir Wachstum in den Tugenden verleiht. Ist es auch von heftigen Versuchungen, Trockenheiten und Trübsalen begleitet, so halte ich es für ein gutes Gebet, wenn ich dadurch demütiger werde. Denn jenes Gebet ist nach meiner Ansicht das bessere, durch das ich Gott wohlgefälliger werde. Man soll ja nicht glauben, daß einer, der leidet, nicht betet; er betet, sofern er seine Leiden dem Herrn aufopfert. Ja, oft betet er weit besser als jener, der in seiner Einsamkeit sich den Kopf zerbricht und meint, er besitze das wahre Gebet, wenn er sich einige Tränen ausgepreßt hat.
Verzeihen Euere Paternität diese so lange Belehrung. Die Liebe, die Sie zu Paulus tragen, nimmt dies willig hin; und wenn Ihnen das gut scheint, was ich gesagt habe, so teilen Sie es ihm mit, wenn nicht, so lassen Sie es sein! Ich sage nur, was ich für meine Person wünschen würde. Ich versichere Sie, es ist etwas Großes um ein werktätiges Leben und um ein gutes Gewissen.
Was Sie mir von Pater Johannes berichten, hat mir gefallen. Möglicherweise wollte der Teufel hier Unheil stiften, während Gott daraus Gutes hervorgehen ließ. Allein, in solchen Fällen ist die größte Vorsicht am Platze; denn ich glaube für gewiß, daß der Teufel nicht aufhören wird, alle möglichen Kniffe anzuwenden, um dem Elisäus zu schaden. Darum tut er gut, wenn er das für ein Werk des Teufels hält. Ich halte es nicht für unrecht, auf solche Dinge gar nicht zu merken. Man will, daß Johannes Buße tut; aber ist er nicht schon genug von Gott geprüft worden? Wenn er leiden mußte, so war er nicht allein; und die drei, die ihm den Rat gegeben, haben nicht unterlassen, ihn sogleich schadlos zu halten.
Was Joseph damals für gewiß sagte, bestand darin, daß Clemens unschuldig war und man es seiner Krankheit zuschreiben mußte, wenn ein Fehler vorkam; übrigens fühlt sich dieser Pater in jener Gegend, wohin man ihn geschickt hatte, zufrieden. Aber Joseph hatte gleich anfangs alle Prüfungen vorhergesagt, die über ihn kommen sollten. Was Laurentia betrifft, so hat sie nichts von Joseph erfahren, sondern sie weiß nur das, was man anderwärts allgemein darüber sagte. Ohne Zweifel teilt Joseph seine Geheimnisse nicht in dieser Weise mit; denn er ist sehr vorsichtig. Ich für meine Person bin der Meinung, daß man diesen Pater falsch beurteilt hat. Ferner höre ich sagen, daß er auch andererseits noch spricht, was Laurentia nicht beweisen konnte; aber das scheint mir eine Erfindung des Teufels zu sein. Ich habe schon gelacht, als ich sah, wo dieser böse Geist jetzt seine Fallen legt. Denn warum wollte sich Clemens von den frommen Seelen entfernen unter dem Vorwand, sein Heil zu suchen? Es wird ohne Zweifel gut sein, den Engel zu bitten, daß dieser Pater in Freiheit gesetzt wird; aber es wäre eine Freude für mich, wenn man den bösen Geist endlich aus diesem Hause verjagen würde durch Mittel, die man zu diesem Zweck gewöhnlich ergreift. Geben Sie acht, und Sie werden sehen, daß dieser Geist der Finsternis zeigen wird, wer er ist. Ich werde diese Angelegenheit Gott empfehlen, und Angela wird Ihnen in einem besonderen Briefe sagen, was sie von allen diesen Kunstgriffen des Teufels denkt. Man ist sehr klug verfahren, daß man diese Angelegenheit unter dem Siegel der Verschwiegenheit behandelte.
Was die Schwester [Elisabeth] vom heiligen Hieronymus betrifft, so wird es notwendig sein, daß man sie einige Tage Fleisch essen läßt und ihr die Übung des innerlichen Gebetes untersagt. Auch müssen Euere Paternität ihr befehlen, ihre Angelegenheiten nur mit Ihnen zu besprechen oder mir darüber zu schreiben; denn sie hat eine schwache Einbildungskraft; und was sie betrachtet, glaubt sie zu sehen oder zu hören. Indessen mag sie manchmal Gesichte und Ansprachen haben, und so war es auch schon in der Tat: denn sie ist eine sehr fromme Seele.
Dasselbe scheint mir bei der Beatrix der Fall zu sein. Übrigens halte ich das, was man mir bezüglich der Zeit ihrer Profeß schreibt, nicht für ein Trugbild, sondern es scheint mir so zu sein. Diese darf wenig auf Fasten sich verlegen. Tragen Euere Paternität dies der Priorin auf sowie auch, daß sie beide zuzeiten nicht dem Gebete obliegen lasse, sondern andere Beschäftigung ihnen zuteile, damit die Sache nicht noch schlimmer werde. Glauben Sie es mir, es ist das eine notwendige Vorsichtsmaßregel.
Daß Briefe verlorengegangen sind, hat mir leid getan. Sie sagen mir nicht, ob jene, die in die Hände des Peralta geraten sind, von großer Bedeutung waren. Ich sende Ihnen diesmal einen Eilboten.
Die Nonnen habe ich sehr um das Glück beneidet, die Predigten Euerer Paternität zu hören. Es scheint wohl, daß sie dieser Gnade würdig waren, während ich nur Leiden verdiene; trotzdem bitte ich Gott, mir noch weit mehr zu schicken.
Daß Sie nach Granada reisen müssen, tut mir leid. Ich möchte gerne wissen, wie lange Sie dort bleiben werden und wie oder wohin ich Ihnen schreiben soll. Teilen Sie mir dieses doch um der Liebe Gottes willen mit! Ein Papierbogen mit Unterschrift ist nicht an mich gekommen; schicken Sie mir, bitte, ein paar davon, wenn ich sie auch nicht notwendig brauche. Ich kenne Ihre leidensvolle Lage und ich möchte sie Ihnen einigermaßen erträglich machen, bis Sie wieder etwas mehr Ruhe bekommen. Gott gebe Ihnen jene Ruhe, die ich Ihnen wünsche, und jene Heiligkeit, die er geben kann! Amen.
Heute ist der 23. Oktober.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
