299. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá
Malagón, vor dem 12. Dezember 1579
Übersiedelung der Nonnen zu Malagón in ein neues Kloster. Vollkommenheit der neuen Priorin. Verantwortlichkeit des Paulus und der Heiligen, des Lizentiaten und des Paters Philipp. Tod des Paters Germanus.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität!
Teile Ihnen mit, daß ich schon in Malagón mich befand, als man mir den Brief des Paulus überbrachte, und so konnte ich nicht länger in Toledo bleiben, wozu er mir in jenem Brief den Auftrag gab. Es war aber so besser, da am Feste der unbefleckten Empfängnis die Schwestern in das neue Kloster einzogen. Ich befand mich schon seit acht Tagen bei ihnen, und während dieser Zeit waren meine Beschwerden nicht geringer als auf der Reise; denn ich hatte viel zu tun und mühte mich sehr ab, damit die Schwestern an diesem so schönen Festtage ihr neues Haus beziehen konnten. Trotzdem aber befinde ich mich jetzt besser als sonst. Ich nehme innigen Anteil an Ihrem Leiden; das ist alles, was ich vermag.
Der Umzug gestaltete sich zu einem großen Freudenfest. Die Nonnen begaben sich in Prozession in ihr neues Kloster, wobei das Allerheiligste aus ihrem früheren Hause mitgetragen wurde. Sie hatten eine große Freude; sie schienen den Eidechsen ähnlich, die im Frühling hervorkommen, um sich zu sonnen. In ihrer früheren Wohnung hatten sie wirklich viel auszustehen; und wenn auch das neue Kloster noch nicht ganz ausgebaut ist und nur elf Zellen besitzt, so kann man doch viele Jahre darin wohnen, ohne weitere bauliche Veränderungen vornehmen zu müssen.
O mein Vater, wie notwendig war doch meine Ankunft dahier, sowohl zu diesem Umzug, der mir nicht so schnell vonstatten zu gehen schien, als mich in anderer Beziehung! Gott hätte wohl auch auf andere Weise helfen können; allein ich sehe bis jetzt noch nicht ein, was für ein Mittel sonst zu Gebote gestanden hätte, um diesen Zauber zu brechen, in dem die Nonnen sich befanden. Sie haben jetzt eingesehen, auf welch verkehrtem Wege sie wandelten. Und je mehr ich die Art und Weise der Leitung jener kennenlerne, die bisher an der Spitze stand, um so mehr überzeuge ich mich, daß es ein großes Wagnis wäre, sie in irgendeinem Kloster als Oberin aufzustellen. Dieser arme Lizentiat scheint mir ein großer Diener Gottes zu sein, und nach meiner Ansicht trägt er auch die geringere Schuld; aber jene Person bringt durch ihr unruhiges Wesen alles in Unordnung. Der Lizentiat nimmt mit voller Bereitwilligkeit alles an, was ich als geeignet für dieses Kloster erkläre. Er ist so demütig und bedauert so sehr, zu diesen Mißständen Veranlassung gegeben zu haben, daß er mich sehr erbaute. Wir aber, Paulus und ich, haben eine große Verantwortung. Sagen Euer Hochwürden dies dem Paulus, daß er es beichte; was mich betrifft, habe ich es schon getan! Wir beide waren wirklich Ursache, daß gewisse Dinge vorgekommen sind; wir hätten diesen jungen Leuten nicht so viel Vertrauen schenken sollen, so heilig sie auch gewesen; vielmehr hätten wir uns auf sie gar nicht verlassen sollen. Da sie keine Erfahrung besitzen, können sie beim besten Willen großes Unheil anrichten. Das soll uns, mein Vater, für die Zukunft als Lehre dienen.
Ich hoffe zu unserem Herrn, daß jetzt wieder alles gut werden wird! Denn die Priorin , die wir an diese Stelle versetzt haben, ist sehr gottesfürchtig und verständig und leitet das Haus so vorzüglich, daß schon alle Schwestern ihr sehr zugetan sind. Sie empfiehlt sich recht dringend in Ihre Gebete. Sie ist Ihre ganz ergebene Tochter. Ich glaube nicht, daß man eine bessere Nonne zur Leitung dieses Hauses hätte auswählen können. Gebe Gott, daß es immer so weitergehe! Die andere [Priorin] erfüllte auch, wie es scheint, ihr Amt sehr gut.
Oh, es ist entsetzlich, welchen Schaden eine Oberin anrichten kann! Obwohl die Schwestern mit eigenen Augen Fehler sehen, an denen sie sich stoßen — und dies ist hier oft vorgekommen —, so meinen sie doch, sie dürften diese nicht übel auslegen, da sie sonst gegen den Gehorsam sich verfehlten. Ich versichere Sie, mein Vater, in dieser Beziehung soll der Visitator der Klöster mit großer Umsicht zu Werke gehen, damit nicht der Teufel aus kleinen Anlässen große Unordnung anrichtet.
Gott habe den Pater Germanus selig im Himmel! Er hatte gute Eigenschaften, allein sein Geist gelangte nicht zu einem tieferen Verständnis der Vollkommenheit. Unser Herr scheint auf eine Weise zu handeln, daß er uns gewisse Dinge nicht verstehen läßt. Gebe Gott, daß mich deshalb keine Schuld trifft, weil ich so sehr darauf drang, den Pater Philipp als Beichtvater zu berufen, und möge auch dieser nicht dadurch gefehlt haben, daß er die Nonnen verteidigte! Der Pater Vikar tat schließlich zwar, was ich von ihm verlangte, allein ich muß ihm sehr großen Verdruß bereitet haben; er sagte selbst zu einer Person, die ihn krank und im Bette liegend antraf, daß ich daran schuld sei. Allerdings hatte ich nur das Beste des Klosters im Auge, und ich war der Ansicht, soviel wie nichts für dasselbe getan zu haben, wenn ich nicht einen Beichtvater dorthin brächte; ein anderer aber stand nicht zur Verfügung. Dennoch bin ich deshalb in Furcht. Sollte ich irgendeinen Fehler begangen haben, so teilen Sie mir Ihre Ansicht mit; denn ich habe niemanden, den ich fragen und der mich beruhigen könnte.
Durch Pater Gabriel sandte ich kürzlich einen Brief an den Pater Rektor, damit Euer Hochwürden etwas von mir erfahren; denn ich wagte es nicht, Ihnen selbst zu schreiben, obwohl ich es, wie ich glaube, hätte tun können. Pater Gabriel ist hierher gekommen, und ich kann nicht begreifen warum, wenn er auch über eine Klostergründung in Villanueva de la Jara unterhandeln wollte. Ich habe mich jetzt über diese Gründung genau unterrichtet und kann Sie versichern, daß es die größte Torheit von der Welt wäre, diese Stiftung anzunehmen. Nichtsdestoweniger bestehen Pater Gabriel und Pater Anton auf deren Annahme. Ich habe alles ihrem Gewissen überlassen und weiß nun nicht, was sie tun werden.
Pater Gabriel nimmt sich auch der Angelegenheit der Doña Elisabeth Osorio an, die eine Schwester jener Novizin ist, die er nach Toledo gebracht hat. Allein diese Angelegenheit wurde bereits zwischen ihr und mir und Pater Nikolaus verhandelt. Pater Gabriel gefiel mir besser als sonst; er zeigte in gewissen Dingen eine große Einfalt, so daß ich darüber erstaunt war. Man hat ihn zum Definitor erwählt, schreibt mir der Pater Vikar, um den Unbeschuhten eine große Ehre zu erweisen; wenigstens läßt er so etwas in seinem Briefe durchblicken. Ich sehe nicht ein, welcher Nachteil sich für die Beschuhten aus dieser Wahl [des Paters Gabriel] ergeben könnte, noch auch, welche Schuld man ihm beimessen sollte, daß er gewählt wurde, zumal man seine Wahl ganz geheim gehalten hatte.
Don Ludwig Manrique eröffnete dem Pater Gabriel, daß die Akten schon nach Rom abgegangen seien. Ich fragte ihn, ob sie für das Generalkapitel abgesandt worden seien, und er antwortete mir, es sei die Absendung auf Verlangen des Königs geschehen, da man bis zur Abhaltung des Kapitels nicht mehr warte. Er war nur einen Tag hier. In der Meinung, ich sei in Toledo, begab er sich dorthin, und als er mich nicht traf, kam er hierher.
Über den Stolz des Paulus mußte ich lachen; da war er gut angewendet. Er soll ja nicht meinen, daß mich das verdrieße oder daß es ihm schade; es wäre dies eine große Torheit, die bei ihm nicht vorkommt. Er möge nur an die Schöpfeimer am Wasserrade denken, die sich ebenso schnell wieder leeren, als sie angefüllt wurden. Ich dachte schon oft an unsere Reise von Toledo nach Ávila, bei der ich mich sehr wohl fühlte und mir kein Übel zustieß. Es ist doch etwas Großes um die Zufriedenheit! So scheint mir jetzt auch sein Brief in meinen Leiden Linderung verschafft zu haben. Danken ihm Euere Paternität dafür!
Ich glaube nicht, daß ich Zeit habe, den ganzen Monat Januar hier bleiben zu können. Das hiesige Kloster wäre zwar für mich nicht übel gelegen, da ich hier nicht mit so vielen Briefen und Geschäften überhäuft werde. Allein da der Pater Vikar so sehr die Stiftung eines Klosters in Arenas wünscht und mit mir zusammentreffen will, so wird er mir meiner Ansicht nach befehlen, daß ich hier bald zu Ende komme. Es ist auch in der Tat das meiste hier schon getan. Euere Paternität können gar nicht glauben, was ich diesem Manne schulde. Er ist mir überaus gewogen. Ich versichere Sie, daß ich ihm sehr verbunden bleiben werde, wenn auch seine Amtsverwaltung zu Ende ist.
Lesen Sie den beiliegenden Brief des guten Velasko! Wenn seine Schwester keine große Lust zeigt, Nonne zu werden, und sich dennoch vorstellt, so geben Sie wohl acht, daß Sie sich in keine Unterhandlung mit ihm einlassen. Denn es wäre mir sehr peinlich, wenn ein Mißverständnis entstehen würde, da ich diesen Mann so sehr liebe und so glücklich bin, daß er diese Stelle einnimmt. Zudem verdanken wir ihm, sowie dem Pater Magister Petrus Fernández und dem Don Ludwig alles Gute, das uns zuteil geworden. Gott verleihe auch Ihnen, mein Vater, alles Gute, wie ich ihn darum bitte, und beschütze Sie noch viele Jahre! Amen. Amen.
Heute ist der 12. Dezember.
Gott verleihe Ihnen glückliche Weihnachtsfeiertage und so viel Wachstum in der Heiligkeit, wie ich ihn darum bitte!
Euerer Paternität wahre Tochter und Untergebene
Theresia von Jesu
Anschrift: An meinen Vater, Pater Magister Hieronymus Graciáin von der Mutter Gottes in Alcalá.
