282. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Ávila, am 10. Juni 1579
Sehnsucht nach der Errichtung einer eigenen Provinz. Bevorstehende Abreise der Heiligen. Charakter der Priorin von Valladolid.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Diese Pfingstfeiertage werden Ihnen, wie ich wünsche, so viele Güter und Gaben verschafft haben, als Ihnen notwendig sind, um Seiner Majestät in der Weise zu dienen, wie Sie dazu verpflichtet sind; denn es ist der Wille des Herrn, daß Sie jetzt, nachdem er so viele Opfer von Ihnen verlangt, sein Volk wieder im Genusse des Friedens sehen. Gott sei für alles gepriesen! Man darf wahrhaftig daran wohl denken, und man sollte die ganze Verfolgungsgeschichte beschreiben. Wenn ich auch die Einzelheiten des Abschlusses dieser Sache nicht kenne, so sehe ich doch, daß alles sehr gut ausgegangen sein muß.
Wenn uns der Herr nun noch die Gnade erweist, daß wir eine eigene Provinz erhalten, dann ist wohl noch nie etwas in Spanien zustandegekommen, dem man so viel Gewicht beigelegt und auf das man eine so tiefgehende Untersuchung verwendet hat. Daraus können wir abnehmen, daß der Herr die unbeschuhten Karmeliten zu größeren Dingen ausersehen hat, als wir uns denken. Möge es Seiner Majestät gefallen, den Paulus noch viele Jahre zu erhalten, damit er daran sich erfreuen und weiter wirken könne! Ich werde vom Himmel aus
zusehen, wenn ich diesen Ort verdiene.
Den Zahlungsschein von Valladolid hat man mir bereits geschickt. Ich freue mich sehr, daß jetzt dieses Geld abgehen wird. Der Herr möge alle Verhältnisse so leiten, daß sie bald zum Abschlusse kommen! Wenn wir auch jetzt einen sehr tüchtigen Oberen haben, so vermag er doch nicht alles so in Ordnung zu bringen, wie es nötig wäre. Und schließlich hat man ihn uns doch nur geliehen.
Aus beiliegendem Briefe werden Euere Paternität ersehen, was man bezüglich der armen Alten beschlossen hat. Ich kann mich zwar täuschen, allein allem Anschein nach wünschen diese meine beschuhten Brüder meine Abreise mehr deshalb, weil sie mich fern von sich haben wollen, und nicht, weil das Kloster in Malagón meiner bedarf. Dies hat mich ein wenig verdrossen. Im übrigen empfinde ich nicht das geringste Widerstreben dagegen, ich meine nämlich gegen die Reise nach Malagón. Nur wenn ich als Priorin dorthin gehen müßte, würde es mir schwerfallen; denn ich tauge nicht dazu und fürchte, im Dienste unseres Herrn es fehlen zu lassen. Beten doch Euere Paternität für mich zu ihm, daß ich stets die Treue bewahre; im übrigen mag kommen, was da wolle; je mehr Leiden, desto mehr Gewinn. Zerreißen Euere Paternität für jeden Fall den beiliegenden Brief, sobald Sie ihn gelesen haben!
Es ist für mich ein großer Trost, daß Euere Paternität gesund sind; nur wäre es mir lieb, wenn Sie bei dieser Hitze nicht an jenem Orte verweilen müßten. O wie vereinsamt fühlt sich meine Seele, und das mit jedem Tag mehr bei dem Gedanken, von Euerer Paternität so weit entfernt zu sein! Wohl scheint ihr der Vater Joseph immer nahe zu sein, und so vermag sie denn auch, von allen Freuden dieser Erde entblößt und in beständiger Qual das Leben zu ertragen. Euere Paternität müssen wohl nicht mehr auf dieser Erde leben, nachdem Ihnen der Herr alles genommen, was Sie an sie fesseln könnte, und Ihnen mit vollen Händen zugeteilt hat, was zum Himmel erhebt.
Wahrhaftig, je mehr ich an diesen Sturm denke und an die Mittel, die der Herr zu dessen Beendigung angewendet hat, um so mehr muß ich staunen. Und wenn es dem Herrn gefiele, jene Väter in Andalusien wieder etwas zur Besinnung zu führen, so würde ich es für eine ganz besondere Gnade ansehen, wenn dies nicht durch Euere Paternität geschähe; denn es steht Ihnen nicht zu, mit Strenge gegen sie vorzugehen, obwohl diese früher für sie sehr angemessen war. Ich habe dies allezeit gewünscht.
Was mir Pater Nikolaus hierüber schreibt, hat mir gefallen; darum schicke ich Ihnen seinen Brief. Alle hiesigen Schwestern empfehlen sich recht angelegentlich in Ihr Gebet. Sie empfinden es sehr schmerzlich, daß ich mich von ihnen trennen muß. Ich werde Euerer Paternität darüber Nachricht geben, was geschehen wird. Empfehlen Sie um der Liebe willen diese Angelegenheit recht inständig unserem Herrn! Sie werden sich wohl noch an die üblen Nachreden erinnern, die infolge meiner Reisen gegen mich erhoben wurden, und kennen auch deren Urheber. Sehen Sie da, welch ein Leben ich führe! Doch dies alles hat nur wenig Bedeutung.
Dem Pater Vilar habe ich geschrieben, wie unpassend es wäre, wenn ich [in Malagón] das Priorat übernehmen müßte, da ich die gemeinsamen Übungen nicht mitmachen könnte. Sonst würde es mir nicht schwerfallen; denn wenn der Gehorsam es forderte, würde ich auch bis an das äußerste Ende der Erde gehen. Im Gegenteil, je größer die Mühseligkeiten wären, um so mehr würde ich mich, wie mir scheint, freuen, auch nur etwas Geringfügiges für diesen großen Gott zu vollbringen, dem ich so viel schulde. Insbesondere bin ich der Ansicht, daß ihm dadurch am meisten gedient wird, wenn man nur im Gehorsam handelt. Wie verhielt es sich nur mit dem Gehorsam gegen meinen Paulus? Wenn er mir befahl, konnte ich jedes Werk mit Freuden zustande bringen. Ich könnte ihm darüber vieles sagen, was ihn freuen müßte; allein ich wage dies nicht in einem Briefe anzuführen, zumal es sich um Angelegenheiten der Seele handelt.
Damit Euere Paternität etwas zum Lachen haben, schicke ich Ihnen beiliegende Verse, die mir die Nonnen der Menschwerdung übersandt haben. Übrigens ist es mehr zum Weinen als zum Lachen, wenn man an die Verhältnisse dieses Klosters denkt; allein durch derlei Unterhaltung suchen diese armen Nonnen ihren Kummer zu verscheuchen. Es wird ihnen sehr schwerfallen, mich von hier scheiden zu sehen; denn
sie haben noch immer Hoffnung — und ebenso auch ich —, daß die Verhältnisse in ihrem Kloster geordnet werden.
Die Nonnen von Valladolid geben mir sehr bereitwillig die zweihundert Dukaten. Die Priorin war von derselben Liebe erfüllt; sie würde das Geld, wenn sie es nicht gehabt hätte, zu bekommen gesucht haben. Sie sandte den Zahlungsschein für sämtliche vierhundert Dukaten, was ich ihr, da sie sehr haushälterisch umgeht, hoch anrechne. Ich habe ihr aber auch diese Angelegenheit recht eindringlich ans Herz gelegt. Über Doña Johanna mußte ich lachen, als ich sah, daß sie diese gut kennt; zugleich aber mußte ich staunen, da sie mir schrieb, sie sei darüber etwas beunruhigt, daß die Priorin das Geld schickte, ohne ihr etwas zu sagen. Ich habe in der Tat die Priorin immer zu allem vollkommen bereit gefunden, was die Schwester Maria vom heiligen Joseph betrifft. Kurz, man erkennt die große Liebe, die sie zu Ihnen trägt. Gott erhalte Sie, mein Vater! Amen. Amen.
An den Pater Rektor sowie an den Pater, der mir gestern schrieb, meine Empfehlungen!
Gestern war der letzte Pfingstfeiertag. Mein Pfingstfest ist noch nicht gekommen.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
