98. Brief — An Pater Ambrosius Mariano in Madrid
Sevilla, am 9. Mai 1576
Genaue Beschreibung des Gebäudes, das man für das Nonnenkloster angekauft hat. Nachrichten über die Feindseligkeiten der Beschuhten.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Hochwürden!
Mein Gott, wie gut verstehen Sie es doch, mich auf die Probe zu stellen! Meine Tugend muß, ich versichere Sie, groß sein, wenn ich diesen Brief an Sie schreibe. Das Schlimmste aber ist, daß ich befürchte, Sie möchten mit Ihrer Art auch meinen Vater, den Lizentiaten Padilla, angesteckt haben; denn auch er schreibt mir nicht und sendet mir nicht einmal Grüße, geradeso wie Euere Hochwürden. Gott verzeihe es Ihnen beiden! Gleichwohl verdanke ich dem Herrn Lizentiaten Padilla so viel, daß ich es trotz all seiner Nachlässigkeit nicht über mich bringen kann, mich nicht mehr um ihn zu bekümmern. Ich bitte ihn darum, er möge diesen Brief auch als an ihn geschrieben ansehen.
Wenn ich darüber nachdenke, welche Verlegenheiten Sie mir bereitet haben und wie Sie sich um nichts mehr kümmern, so weiß ich nicht, was ich anders denken soll als: »Verflucht sei der Mensch, der sein Vertrauen auf Menschen setzt.« Weil man aber Böses mit Gutem vergelten muß, darum wollte ich Ihnen schreiben, um Sie zu benachrichtigen, daß wir am Tage des heiligen Jakobus von dem erworbenen Hause Besitz genommen und die Brüder geschwiegen haben wie die Toten. Unser Vater hat mit Navarro gesprochen, und dieser, glaube ich, hat sie zum Schweigen gebracht.
Das Haus ist von der Art, daß die Schwestern Gott nicht genug dafür danken können. Er sei gepriesen für alles! Allgemein heißt es, dieses Haus sei wie geschenkt; und man versichert uns, daß es jetzt nicht um 20000 Dukaten gebaut würde. Die Lage sei eine der besten in Sevilla, sagt man. Der gute Prior de las Cuevas ist zweimal hieher gekommen und ist mit dem Hause sehr zufrieden. Auch Pater Bartholomäus de Aguilar war einmal hier, ehe er abreiste. Er ging nämlich, wie ich Euerer Hochwürden schon geschrieben habe, zum Kapitel. Es war ein außerordentliches Glück, ein solches Haus zu finden. Wegen der Steuer haben wir großen Streit; ich glaube, wir werden sie zuletzt ganz bezahlen müssen. Mein Bruder würde uns das Geld leihen; er nimmt sich um den Bau an und enthebt mich vieler Mühe. An der Irrung bezüglich der Steuer war der Notar schuld. Unser Vater und alle anderen sind mit dem Hause gleichfalls sehr zufrieden. Der Pater Soto war hier; er macht sich davon große Hoffnungen. Weil Sie mir nicht schreiben, so soll ich, wie er mir sagte, das gleiche tun. Der Vorbau wird zur Kirche eingerichtet, die ein sehr freundliches Aussehen gewinnen wird. Alles wird wie gegossen. Soviel über das Haus.
Was den Tostado betrifft, so sagte mir ein Ordensbruder, der eben hier ankam, er habe ihn im März zu Barcelona verlassen. Dieser Bruder, der aus dem hiesigen Kloster ist, hat von Tostado ein Patent, worin dieser sich den Titel »GeneralVikar von ganz Spanien« beilegt. Cota kam gestern hier an. Er hält sich im Hause des Don Hieronymus verborgen in der Hoffnung, es werde den Nachrichten zufolge Pater Augustin Suárez ankommen. Die ersten zwei Angaben sind wahr; denn ich habe das von Tostado ausgestellte Patent gesehen und weiß, daß Cota hier ist. Auch das vom Provinzial Gesagte soll gewiß sein. Er wird, wie es noch heißt, sein Amt wieder übernehmen und ein Motu proprio vom Papste mitbringen, das ganz nach dem Wunsche der Beschuhten sein soll. Auch der Prior sagte mir heute, daß er dies von einem, den jene ins Vertrauen gezogen, erfahren habe.
Seine bischöflichen Gnaden, unser guter Herr Erzbischof, sowie der Stadtrichter und der Staatsanwalt waren der Ansicht, unser Vater sollte sich heimlich entfernen, damit man ihm keine Anzeige von den Vorgängen machen könnte, bis man von Seiner Gnaden, dem hochwürdigsten Herrn Nuntius, die diesbezüglichen Befehle erfahren hätte. Sie hatten viele Gründe für ihre Meinung. Darum begab er sich nach Madrid, indem er die Visitation unterbrach und einen anderen Weg einschlug; denn eine Visitation bei den beschuhten Vätern wäre jetzt, da sie in der größten Aufregung sind, nicht geraten. Gott verzeihe denen, die etwas so Heilsames verhindern! Übrigens glaube ich, daß dies alles im Plane des Herrn zur Förderung eines noch größeren Gutes dient. Möge es Seiner Majestät gefallen, daß jenen doch noch geholfen werde! Bezüglich der Unbeschuhten zweifle ich nicht, daß sie große Fortschritte machen werden; denn der Herr leitet alles zum größeren Heile. Unser Vater ließ hier den KarmelitenPrior Evangelista als Provinzvikar zurück; dieser hat nun den Hieb zu gewärtigen. Indessen sage ich Ihnen doch, man werde ihm, da er nicht das Oberhaupt ist, nichts anzeigen. Er hat guten Mut, und der Stadtrichter ist ganz darauf gefaßt, ihm Hilfe zu gewähren, wenn etwas vorfallen sollte. Morgen reisen der Prior und der Subprior des Klosters de los Remedios nach Umbrete, weil sie der Erzbischof, der sich dort aufhält, zu sich beschieden hat. Wenn diese nicht den Beweis erbringen, daß das, was der Pater Visitator getan hat, ungültig ist, so ist schon viel geschehen; ich glaube aber nicht, daß sie diesen Beweis erbringen werden. Der Herr leite alles zu seiner Ehre! Euere Hochwürden aber und meinen Vater und Herrn, den Lizentiaten Padilla, bewahre er vor dem Sirenengesange! Mein Bruder übersendet Ihnen beiden seine Grüße. Ich möchte Sie unendlich gerne hier haben; denn ich glaube, Sie würden sich sehr über den guten Fortgang freuen, den unser Kloster genommen.
Wir zogen drei Tage, bevor der Stellvertreter des Stadtrichters abzog, in das Haus ein. Mit ihm und seiner Gemahlin wurden wir innig befreundet. Sie versorgten uns alle vortrefflich mit Speisen und zeigten sich sehr freundlich gegen uns. Der Stellvertreter sagt, es gebe in Sevilla kein besseres Haus und keine günstigere Lage. Es scheint mir auch, daß man dort die Hitze nicht so sehr empfindet. Der Hof ist wie aus Zuckerteig gemacht. Gegenwärtig gehen alle hinein, weil bis zur Vollendung des Kirchenbaues die Messe in einem Saale gelesen wird. So kann jedermann das Haus ansehen. Im inneren Hof sind vortreffliche Zimmer, in denen wir besser wohnen als im anderen Hause. Der Garten ist sehr anmutig, die Aussicht ausgezeichnet. Es hatte uns viele Mühe gekostet [bis wir das Haus bekamen], allein ich halte sie für gut angewendet; denn ich hätte nie gedacht, daß wir etwas so Vortreffliches erhalten würden. Die Mutter Priorin und alle Schwestern empfehlen sich angelegentlich in Ihr und meines Vaters Padilla Gebet. Ich empfehle mich auch in die Gebete des Paters Angelus, über den ich erstaunt war, daß er so bald wieder dort ankam. Gott gebe, daß das Kapitel zu seinem Dienste gereiche! Wenn es so geht, wie Euere Hochwürden sagen, dann wird es geschehen. Gott behüte Sie ungeachtet all Ihrer Fehler und mache Sie recht heilig! Heute ist der 9. Mai.
Lassen Euere Hochwürden mir doch Nachricht geben über die gegenwärtigen Vorgänge! Sie wissen ja, daß unser Vater jetzt nicht hier ist und ich niemanden habe, durch den ich etwas erfahren könnte. Ich wünschte, Euere Hochwürden möchten von Madrid nicht weggehen, bis Sie sehen, welchen Ausgang diese Angelegenheiten nehmen. Ich versichere Sie, daß ich Ihre Abwesenheit von hier sehr schmerzlich empfinde; denn Sie kennen sich aus, während wir alle vorsichtig und behutsam sein müssen. Dem Pater Vinzenz meine Empfehlungen; ich gratuliere ihm zu seiner Profeß.
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu, Karmelitin
[Als unser Vater heimlich abreiste, behauptete man, daß er sich in unserem Kloster zu Sevilla verborgen habe.] O welche Lügen sind doch hier im Umlauf! Es ist zum Vergehen. Eben sagt man mir, in Carmona sei der Visitator der Beschuhten — denn so nennen sie ihn —, und in vielen Konventen hätten sie ihm schon Gehorsam geleistet.
Gleichwohl bin ich in Furcht wegen der Angelegenheiten in Rom; denn ich denke an das Geschehene, wenn ich auch nicht glaube, daß dies alles zu unserem Nachteil, sondern zu unserem Besten gereichen werde. Sie müssen sich auf etwas stützen können, sonst wären sie nicht so unbesonnen, daß sie hieher kämen; denn sie wissen noch nicht, daß unser Vater abgereist ist, sondern sind der Meinung, unser Vater befinde sich hier. Uns bringt man eine Menge Glückwünsche dar. Das ganze Stadtviertel ist voll Freude. Ich wünschte nun auch die Angelegenheit unserer unbeschuhten Brüder bereinigt zu sehen. Die Geduld des Herrn mit diesen Beschuhten wird auch eine Grenze und so viel Unheil doch einmal ein Ende haben.
