370. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Valladolid
Palencia, am 24. Mai 1581
Klage über seine so schnelle Abreise. Beruf des Paters Johann Díaz. Aufzeichnungen des Benefiziaten. Vereinsamung der Laurentia. Schwierigkeiten mit den Studenten.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Sehen Sie jetzt nicht, von welch kurzer Dauer meine Freude war? Ich sehnte mich schon nach der Reise, und ich glaube, sie wäre mir zu schnell vorübergegangen, wenn ich sie in der ersehnten Begleitung hätte machen können, wie das bei anderen Reisen dieser Art der Fall war. Doch Gott sei gepriesen! Wie mir scheint, fange ich an, verdrießlich zu werden. Ich will Ihnen sagen, mein Vater, daß nach alledem das Fleisch schwach ist und sich mehr der Traurigkeit überlassen hat, als mir lieb war; meine Betrübnis war wirklich sehr groß. Sie hätten Ihre Abreise wenigstens bis zum bevorstehenden Umzug in unser Kloster verschieben können; denn acht Tage hätten Sie noch leicht zuwarten können. Auch haben Sie uns hier recht einsam zurückgelassen. Gebe Gott, daß jener, der Ihre Abreise so sehr beschleunigte, es Ihnen besser vergelte, als ich befürchtet! Gott bewahre uns vor solcher Eilfertigkeit! Was wird dieser Mann nachher von uns Karmelitinnen sagen! Ich kann Ihnen in der Tat heute nichts Erfreuliches mitteilen; denn ich bin dazu gar nicht aufgelegt.
Etwas vermindert in diesem Augenblick meinen Kummer. Die Furcht, die mich befallen könnte und auch wirklich schon befallen hat, man möchte sich an diesem Sancta Sanctorum vergreifen, ist, wie ich sehe, eine große Versuchung, und ich versichere Sie, daß ich in dieser Beziehung recht geängstigt werde. Wenn nur dies nicht geschieht, dann bin ich bereit, alles zu ertragen, was über mich kommt; und es treffen mich wirklich viele Schläge. Dies erfahre ich eben jetzt wieder in einer Weise, daß mir alles zum Ekel werden möchte; denn meine Seele empfindet es, um es kurz zu sagen, schmerzlich, daß sie niemanden zur Seite hat, der sie leitet und tröstet. Möge alles zur Verherrlichung Gottes gereichen! Dann haben wir uns über nichts zu beklagen, so groß auch die Leiden sein mögen.
Ich teile Ihnen mit, daß ich bei Ihrer Anwesenheit dahier unterlassen habe, über eine Angelegenheit betreffs des Priesters Johann Díaz mich mit Ihnen zu besprechen; ich wollte damit bis zu Ihrer Rückkehr warten, um mehr Zeit zu haben, sie Gott zu empfehlen. Da mich dieser Priester dringend gebeten hatte, mit Ihnen hierüber Rücksprache zu nehmen, so tat es mir sehr leid, daß Sie nicht mehr zurückgekommen sind; denn er war eigens in dieser Angelegenheit hierher gereist. Hören Sie nun, um was es sich handelt! Dieser Priester ist bereits entschlossen, seinen Stand zu ändern und entweder in unseren Orden oder in die Gesellschaft Jesu einzutreten. Aber seit einiger Zeit hat er, wie er vorgibt, mehr Neigung zu unserem Orden; er möchte gern unsere beiderseitige Meinung vernehmen und bittet uns, ihn Gott zu empfehlen. Ich glaubte, ihm gegenüber meine Meinung aussprechen zu müssen, und erklärte ihm, daß der Eintritt in unseren Orden ihm großen Gewinn bringen werde, wenn er darin ausharre; anderenteils aber würde ihm ein großer Nachteil erwachsen, da seine Werke, die er eben drucken lasse, dadurch an Ansehen verlieren würden. Diese Ansicht habe ich auch jetzt noch; übrigens bin ich seinetwegen jetzt weniger mehr in Furcht, da er schon seit langem unserem Herrn in Treue dient. Er hat endlich viel zu leiden und wird sein Leben heiligmäßig beschließen, mag er sich nun entschließen, bei uns oder bei den Vätern der Gesellschaft Jesu einzutreten. Er wird auch, wie er sagt, dem Kloster, in das er eintritt, alle Werke geben, die er von Pater Magister Ávila besitzt. Diese Werke sind alle so wie der kleine Teil, den er mir zu lesen gegeben hat, und die Veröffentlichung seiner Predigten wird für jene, die kein so tiefes Wissen haben wie Euere Hochwürden, von großem Nutzen sein. Er ist überdies ein Mann, der überall ein gutes Beispiel geben wird, wo er sich auch befindet. Desungeachtet ist noch vieles in Erwägung zu ziehen, und ich werde mich mit Pater Nikolaus darüber des näheren besprechen. Ich habe Ihnen dies jetzt mitgeteilt, damit Sie mir, wenn er diese Angelegenheit mit Ihnen noch nicht besprochen hätte, den Gefallen erweisen, ihm zu sagen, ich hätte Ihnen die Sache bereits mitgeteilt; sonst würde er Ursache haben, sich über mich zu beklagen, daß ich Sie davon noch nicht in Kenntnis gesetzt. Empfehlen Sie gütigst diese Angelegenheit Gott! Da Sie diesen Mann besser kennen als ich, so werden Sie auch wissen, was Sie ihm zu antworten haben. Geben Sie mir dann hierüber auch Nachricht! Aber werden Sie auch einen Boten finden, um mir zu schreiben? Das ist eine weitere Sorge für mich.
Hier lege ich Ihnen auch einen Brief bei, den mir der Bischof von Osma zugesendet hat, und einen Zettel, den ich für ihn geschrieben habe; ich hatte nämlich keine Zeit, mich weiter zu verbreiten.
Nach meiner Ansicht sollten Euere Hochwürden nicht ohne den Pater Nikolaus nach Alba reisen, da sich dieser in jenen verwickelten Aufzeichnungen der Almosen, die der Benefiziat zurückgelassen hat, besser zurechtfindet. Da Sie selbst nicht kommen konnten, so haben Sie mir durch die Sendung dieses Paters einen großen Dienst erwiesen. Denn es war ein Mann notwendig, der reden konnte und mehr Ansehen hat als ein junger. O mein Vater, preisen Sie Gott, daß jene, die mit Ihnen verkehren, sich so sehr zu Ihnen hingezogen fühlen! Nach meiner Ansicht könnte Sie mir kein anderer ersetzen. Ach, wie gereicht doch der armen Laurentia alles zum Überdruß! Sie empfiehlt sich recht angelegentlich in Ihr Gebet. Ihre Seele, sagt sie, könne nirgends Ruhe und Frieden finden außer bei Gott und bei Männern, die sie verstehen, wie es bei Euerer Hochwürden der Fall ist. Alles andere ist für sie ein so drückendes Kreuz, daß sie es nicht beschreiben kann.
Die Schwester vom heiligen Bartholomäus ist sehr betrübt. Sie empfiehlt sich vielmals in Ihr Gebet. Geben Sie uns Ihren Segen und empfehlen Sie uns recht angelegentlich Seiner Majestät! Der Herr behüte Sie und halte Sie an seiner Hand! Amen.
Ich muß Ihnen noch mitteilen, daß man da, wo Sie sind, auch eine außerordentliche Furcht vor der Priorin hat; man ist gewohnt, den Obern über niemand etwas zu sagen. Die Angelegenheit in betreff der Studenten, die dem Kloster Dienste erweisen, muß ernstlich in Erwägung gezogen werden. Gott behüte Sie!
Euerer Hochwürden unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu
