439. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Sevilla
Valladolid, am 1. September 1582
Schmerz über seine Abwesenheit. Schwierigkeiten bezüglich des Testamentes des Don Laurentius. Pater Anton wieder ausgesöhnt. Rat, sich einen Begleiter zu nehmen.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Hochwürden!
Die Briefe, die Sie mir öfters schreiben, reichen nicht hin, um mich von meinem Kummer zu befreien; sie haben ihn aber in etwa gemildert, da Sie mir mitteilten, daß Sie wohl sind und daß die Gegend, in der Sie sich aufhalten, gesund ist. Gott gebe, daß Ihre Gesundheit weiter erhalten bleibt! Ihre Briefe habe ich, soviel ich glaube, alle erhalten.
Die Gründe, die Sie zur Abreise bestimmten, scheinen mir nicht hinreichend. Sie hätten ganz gut von hier aus die Studienordnung an die Religiosen erlassen und sie beauftragen können, die Beichten der Beatinnen nicht mehr zu hören. Die dortigen Klöster hätten nur zwei Monate warten brauchen, und in dieser Zeit hätten Sie die Angelegenheiten der Klöster Kastiliens ins reine bringen können. Ich verstehe darum den Grund Ihrer Abreise nicht. Aber Ihre Abwesenheit habe ich unter den gegenwärtigen Umständen so sehr empfunden, daß
mir selbst das Verlangen, Ihnen zu schreiben, vergangen ist. Deshalb habe ich es bis jetzt verschoben, wo mich die Notwendigkeit dazu zwingt. Heute ist Vollmond. Ich habe mich diese Nacht recht elend gefühlt, und auch mein Kopf ist sehr leidend. Nichtsdestoweniger ging es seit einiger Zeit besser mit meiner Gesundheit; morgen, wenn der Vollmond abzunehmen beginnt, wird auch, wie ich hoffe, dieses Unwohlsein ein Ende nehmen. Mit meinem Halsleiden geht es besser, aber es ist immer noch nicht ganz verschwunden.
Ich hatte hier viel zu leiden von der Schwiegermutter des Don Franz; sie ist merkwürdig. Sie wollte um jeden Preis einen Prozeß, um das Testament meines Bruders umzustoßen. Obgleich sie unrecht hat, so genießt sie doch großes Ansehen; manche bekräftigen sie sogar im Glauben, daß sie im Rechte sei. Man hat mir zu einem Vergleich geraten, um Don Franz vor dem vollständigen Ruin zu bewahren und uns selbst Kosten zu ersparen. Es ist dies zwar zum Nachteil des Klosters St. Joseph; allein ich hoffe von der Güte Gottes, daß dieses doch schließlich alles erben wird, da seine Ansprüche fest begründet sind. Diese Angelegenheit machte mir großen Kummer und bekümmert mich noch, obwohl es der Theresia gut geht. Aber wie schmerzlich fiel es ihr, als sie hörte, daß Euere Hochwürden nicht kommen! Wir hatten es ihr bis jetzt noch nicht mitgeteilt. Einesteils freue ich mich darüber; denn dadurch wird sie einsehen lernen, daß man sich nur auf Gott verlassen darf; diese Widerwärtigkeit hat auch mir keinen Schaden gebracht.
Beiliegend werden Sie auch einen Brief finden, den mir Pater Anton von Jesu geschrieben hat. Ich bin erstaunt darüber, daß er so bald wieder mein Freund geworden ist. Ich habe ihn in der Tat immer als solchen betrachtet, und es wird sich alles wieder gut machen, wenn wir uns gegenseitig aussprechen. Selbst wenn er nicht mein Freund wäre, könnten Sie um keinen Preis einen anderen zum Vorsitzenden bei den Wahlen ernennen. Ich verstehe nicht, wie Euere Hochwürden weder daran gedacht noch auch bemerkt haben, daß jetzt nicht die Zeit zu einer Klostergründung in Rom ist. Denn Euere Hochwürden sind jetzt in großer Notlage, da es Ihnen an Männern fehlt, um die hiesigen Klöster zu versorgen.
Den Pater Nikolaus werden Sie sehr vermissen; meiner Ansicht nach sind Sie allein nicht imstande, so viele Angelegenheiten in Ordnung zu bringen.
Pater Johannes de las Cuevas, den ich schon mehrmals gesprochen, hat sich in diesem Sinne geäußert. Er wünscht von ganzem Herzen, daß Euere Hochwürden in allem das Rechte treffen; er liebt Sie so innig, daß ich ihm wirklich zum Danke verpflichtet bin. Er hat betont, daß Sie gegen die im Kapitel aufgestellten Vorschriften handeln, wonach ein Provinzial, wenn er seinen gewöhnlichen Amtsgenossen nicht mehr hat, sich sogleich einen anderen wählen muß. Ich weiß nun nicht, ob dieser Pater nicht auch sagte, es müsse dies nach dem Gutachten der Prioren geschehen. Nach seiner Ansicht könnten Sie unmöglich alle diese Angelegenheiten erledigen. Moses, sagte er auch, habe sich, ich weiß nicht wie viele Männer auserwählt, die ihn unterstützen sollten. Ich gab ihm zur Antwort, daß hierfür keine Leute vorhanden wären und Sie nicht einmal die geeigneten Männer finden könnten, um die Stellen der Prioren zu besetzen. Ich sagte, daß dies die Hauptsache sei.
Man macht, wie man mir nach meiner Ankunft dahier erzählte, die Bemerkung, daß Sie nicht gern einen Mann von Ansehen um sich hätten. Ich sehe wohl ein, daß Sie nicht mehr tun können; allein da die Zeit des Kapitels sich nähert, so möchte ich nicht, daß man Euerer Hochwürden dies zum Vorwurf machen könnte. Beachten Sie dies um der Liebe Gottes willen und seien Sie vorsichtig bei Ihren Predigten in Andalusien! Ich habe nie gewünscht, daß Sie lange in diesem Lande verweilen. Da Sie mir vor kurzem in Ihrem Briefe von jenen berichteten, die dort so vieles ausgestanden haben, so bitte ich Gott, mir den Schmerz zu ersparen, Sie inmitten solcher Leiden zu sehen. Sie bemerken übrigens sehr wohl, daß der Teufel nicht schläft. Glauben Sie es mir wenigstens, daß ich die ganze Zeit, die Sie in diesem Lande zubringen, überaus besorgt bin.
Ich weiß auch nicht, warum Sie so lange in Sevilla bleiben müssen. Man hat mir mitgeteilt, daß Sie erst zur Zeit des Kapitels kommen würden, und diese Nachricht hat meinen Kummer sehr vergrößert. Ich bin darüber sogar noch mehr bekümmert, als wenn Sie nach Granada zurückkehren würden. Möge der Herr diese Angelegenheit zu seiner größeren Ehre leiten! Es wäre wirklich ein Vikar für diese Gegend sehr notwendig. Wenn Pater Anton sein Amt gut versieht, so könnten Euere Hochwürden ihn nach Andalusien senden, und gerade von hier aus könnten Sie alles übersehen. Denken Sie wenigstens nicht daran, ein Andalusier zu werden; denn Ihre Natur ist nicht dazu geschaffen, in diesem Lande zu leben. Wenn Sie auch nur selten predigen, so bitte ich Sie nochmals, ja vorsichtig zu sein mit dem, was Sie sagen.
Machen Sie sich keine Sorge in bezug auf die Angelegenheiten in Kastilien! Was die Angelegenheit jenes Religiosen betrifft, so hatte sie nicht die Bedeutung, die man sich vorstellte, und Gott hat alles auf das beste geregelt; es ist gar nichts nach außen gedrungen. Die Priorin schreibt an Euere Hochwürden, daß die unbeschuhten Väter in Valladolid sehr krank seien, und gibt Ihnen den Grund an, warum sie die Bevollmächtigungsurkunde nicht an Pater Johannes von Jesu gesandt hat; da er allein gesund ist und alles versteht, so wäre es unmenschlich, wenn er die anderen verlassen würde. Ich habe ihr Kloster besucht, als ich hierher kam; ich habe alles in bester Ordnung gefunden, und die Väter genießen großes Ansehen in jener Stadt.
Über die Schwierigkeiten in Salamanka gibt es vieles zu erzählen. Diese haben mir trübe Stunden verursacht, und gebe Gott, daß endlich Abhilfe geschaffen werde! Wegen der bevorstehenden Profeß der Theresia war es mir nicht möglich, dorthin zu reisen; mitnehmen kann ich sie nicht und hier zurücklassen noch weniger. Ich müßte außerdem mehr Zeit haben, als mir zur Verfügung steht, um nach Salamanka zu reisen und dann nach Alba und von da nach Ávila zurückzukehren. Ich war darum sehr glücklich, als ich hier den Petrus de la Banda und Manrique traf. Ich habe das Haus für ein weiteres Jahr gemietet, um die Priorin zu beruhigen. Gebe Gott, daß es mir gelungen ist!
Die Priorin führt mich, ich versichere Sie, an der Nase herum. Sie hat wirklich den Charakter eines Weibes. Sie behandelt alle Angelegenheiten genau so, als ob sie Ihre Erlaubnis dazu schon hätte; dem Pater Rektor sagt sie, daß sie auf meine Anordnung hin handle, obwohl ich vom Hauskauf nichts weiß und ihn, wie Euerer Hochwürden bekannt ist, auch nicht will. Andererseits aber sagt sie, daß der Pater Rektor nach Ihren Anordnungen handle. Das ist ein Ränkespiel des Teufels, und ich kann nicht begreifen, worauf diese Priorin sich stützt; denn ich bin sicher, daß sie nicht lügen will; aber sie hat ein so heftiges Verlangen nach dem Kaufe dieses leidigen Hauses, daß dadurch ihr Kopf ganz verwirrt sein muß.
Gestern kam Pater Didakus, einer von denen, die sich hier befanden, als Sie Visitation hielten. Er erzählte mir, daß der Rektor von St. Lazarus sich nur gezwungenerweise und aus Liebe zu mir dieser Angelegenheit annahm. Er hat sogar zur Priorin gesagt, daß er sich jedesmal, sooft er sich damit beschäftige, in der Beichte darüber anklagen müsse, da er fürchte, Gott zu beleidigen; aber gegenüber der Zudringlichkeit der Priorin könne er nicht anders. Die ganze Stadt Salamanka ist ungehalten über den Kauf des Hauses. Nach der Ansicht des Doktors Solis kann man es mit dem Gewissen nicht vereinbaren, es zu kaufen, weil es nicht haltbar ist. Die Mutter Priorin ist aber dabei mit solcher Eile zu Werke gegangen, daß sie meiner Ansicht nach mit List handelt, damit ich nichts davon erfahre. Aus dem beiliegenden Briefe werden Sie ersehen, daß das Haus mit den Verkaufsunkosten auf 6000 Dukaten zu stehen kommt. Man sagt allgemein, daß es nicht 2500 wert ist, und man fragt sich, wie denn arme Nonnen auf unnütze Weise so viel Geld ausgeben können. Das schlimmste ist, daß sie keinen Pfennig haben. Offenbar liegt hier eine List des Teufels vor, dessen einzige Absicht es ist, das Kloster gänzlich zu verderben. Deshalb beabsichtigt man gegenwärtig, Zeit zu gewinnen, um dieses Machwerk allmählich zu zerstören.
Ich habe an Christoph Suárez geschrieben und ihn gebeten, die Verhandlungen bis zu meiner Ankunft in Salamanka, die gegen Ende Oktober erfolgen wird, einzustellen. Manrique hat ebenfalls in gleichem Sinne an den Vorstand der Kathedralschule, seinen vertrauten Freund, geschrieben. Dem Christoph Suárez gegenüber bemerkte ich, daß ich gerne wissen möchte, womit man das Haus bezahlen könnte; da er, wie man mir mitteilte, Bürgschaft für die Nonnen leistet, so würde es mir leid tun, wenn er dabei Schaden erleiden müßte. Ich gab ihm zu verstehen, daß man keine Geldmittel habe, um ihn bezahlen zu können; allein er gab mir keine Antwort. Ich ließ ihn auch durch Pater Anton von Jesu bitten, den Kauf zu hintertreiben. Gott wollte, daß unsere Nonnen ihr Geld Euerer Hochwürden geliehen haben, sonst hätten sie es schon mit dem des Anton de la Fuente ausgegeben.
Eben erhalte ich einen anderen Brief, in dem mir die Mutter Priorin mitteilt, daß Christoph Suárez für sie die 1000 Dukaten aufgetrieben habe, die sie brauchen, bis Anton de la Fuente ihnen zurückzahlt, was er ihnen schuldet. Ich fürchte, man hat ihnen diese schon übergeben. Empfehlen Euere Hochwürden diese Angelegenheit Gott! Ich meinerseits werde alles tun, was in meinen Kräften steht.
Noch ein weiterer Mißstand ist vorhanden. Wenn die Schwestern in das Haus des Christoph Suárez einziehen, werden Ihre Studenten in das neue Haus St. Lazarus übersiedeln müssen, was geeignet ist, sie zu belästigen. Ich schreibe an den Pater Rektor, er möge seine Zustimmung dazu nicht geben, und werde darauf mein Augenmerk richten.
Was die 800 Dukaten betrifft, die die Patres den Nonnen schulden, so machen Sie sich darüber keine Sorge; sie werden sie vor Ablauf eines Jahres von Don Franz erhalten. Das beste ist, daß man sie den Schwestern noch nicht zurückzahlen kann, die sie sogleich ausgeben würden. Fürchten Sie nicht, daß ich die Patres dränge, sie möchten diese Summe zurückbezahlen! Es ist doch wichtiger, daß Ihre Studenten gut untergebracht sind, als daß die Nonnen ein so großes Haus besitzen. Woher sollten sie denn außerdem das Geld nehmen, um die Miete zu bezahlen? Mir kommt die Sache ganz unsinnig vor. Wenn Euere Hochwürden ihnen wirklich die Erlaubnis gegeben haben, wie kommt es dann, daß Sie die Angelegenheit an mich zurückverweisen, nachdem sie abgeschlossen ist? Wenn Sie die Erlaubnis nicht erteilt haben, wie können Sie dann Geld vorschießen? Sie haben der Tochter des Schwiegersohnes des Monroy 500 Dukaten zurückbezahlt. Wie können Sie außerdem sagen, daß die Sache so gut abgeschlossen sei, daß sie, wie mir die Mutter Priorin schreibt, nicht mehr rückgängig gemacht werden kann? Möge Gott hier Abhilfe schaffen! Ich hoffe, daß er nicht säumen wird. Seien Euere Hochwürden unbesorgt; wir werden alle Maßnahmen treffen, die uns zu Gebote stehen.
Seien Sie ja um der Liebe Gottes willen vorsichtig in allem, was Sie tun! Trauen Sie ja diesen Nonnen nicht! Wenn sie nach etwas Verlangen tragen, so stellen sie Ihnen tausenderlei vor, um ihren Zweck zu erreichen. Es ist besser, wenn sich unsere Schwestern in Salamanka mit einem kleinen Hause begnügen, wie es armen Leuten zusteht, und hier in aller Demut einziehen, als wenn sie sich mit zahlreichen Schulden belasten; später können sie dann ihr Haus vergrößern. Wenn mir Ihre Abreise wenigstens einigermaßen Befriedigung verschaffen konnte, so war es deshalb, weil ich Sie sicher sah vor so vielen Unannehmlichkeiten; gewiß ist es besser, daß ich sie allein über mich ergehen lasse.
Auf die Schwestern in Alba hat es einen sehr großen Eindruck
gemacht, als ich ihnen mitteilte, daß ich über sie sehr ungehalten sei und sicher bald ankommen werde. Es wäre sehr vorteilhaft, wenn wir mit Gottes Hilfe Ende dieses Monats nach Ávila zurückkehren könnten. Glauben Sie mir, es geht nicht an, daß ich dieses Kind noch länger von einem Ort zum anderen herumschleppe! Ach, mein Vater, in welcher Bedrängnis befand ich mich doch in den letzten Tagen! Aber all meine Sorgen wurden zerstreut, als ich erfuhr, daß es Ihnen gut geht. Möge Ihnen Gott immer seinen Beistand angedeihen lassen!
Grüßen Sie, bitte, die Mutter Priorin und alle Schwestern! Ich schreibe ihnen nicht eigens, da sie aus diesem Briefe Nachricht über mich erhalten werden. Es freut mich, sie gesund zu wissen, und ich bitte sie sehr, sie möchten Euere Hochwürden nicht verwöhnen, aber Ihnen doch die aufmerksamste Pflege angedeihen lassen! Grüßen Sie auch den Pater Johannes vom Kreuz! Die Schwester vom heiligen Bartholomäus läßt Sie ebenfalls ergebenst grüßen. Unser Herr behüte Sie, wie ich ihn darum bitte, und bewahre Sie vor jeder Gefahr! Amen.
Heute ist der 1. September.
Euerer Hochwürden Dienerin und Untergebene
Theresia von Jesu
