210. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Ávila, am 10. Dezember 1577
Rückkehr der Nonnen von Paterna nach Sevilla. Vorgänge im Kloster der Menschwerdung. Gefangennahme der zwei Beichtväter. Angelegenheiten des Klosters zu Sevilla.
Jesus sei mit Ihnen, meine Tochter!
O wie lange habe ich doch keinen Brief mehr von Ihnen erhalten, und wie weit von Ihnen entfernt scheine ich hier zu sein! Aber wenn ich auch in Ihrer Nähe gewesen wäre, so hätte ich Ihnen doch in der letzten Zeit nicht schreiben können infolge der entsetzlichen Wirren, von denen ich Ihnen hier erzählen will. Der Herr läßt mir, ich versichere Sie, nur wenig Muße.
Um es nicht zu vergessen, teile ich Ihnen bezüglich des Agnus Dei mit, daß es mein Wunsch wäre, es mit Perlen einfassen zu lassen. Wenn Euerer Ehrwürden etwas gefällt, so ist es nicht nötig, mich dazu um Erlaubnis zu bitten. Ich bin immer glücklich, Sie befriedigt zu sehen, und wünsche Ihnen alle Arten von Freuden.
Man teilt mir mit, daß die Provinz aufs neue in Aufruhr gebracht ist. Ich wünschte darum sehr, daß Sie sich beeilt hätten, unsere Nonnen von Paterna wieder zurückzurufen. Es ist das mein sehnlichstes Verlangen. Unser Vater berichtete mir, er habe Ihnen geschrieben, Sie möchten dies im Einvernehmen mit dem Erzbischof tun. Suchen Sie die Erlaubnis dazu zu erhalten, bevor ein anderes Hindernis dazwischentritt!
Die hiesigen Schwestern erinnern mich, Sie um ein wenig Karanaharz zu bitten, da es mir sehr wohl bekommt, es soll aber gutes sein. Vergessen Sie es also um der Liebe willen nicht! Sie können es gut verpackt der Sendung nach Toledo beilegen, und von da wird man es mir zuschicken, oder es genügt, wenn Sie zuwarten, bis der Bote von hier nach Sevilla kommt.
Unterlassen Euere Ehrwürden ja nicht, die Rückkehr unserer Nonnen von Paterna mit Eifer zu betreiben! Ich wünsche das im Interesse der Schwestern selbst; denn ich weiß nicht, wie sie so vieles dulden konnten. Es wäre dies jedoch auch mein Wunsch, wenn es sich nur um Ihre eigene Ruhe handelte. Meine Begleiterin wird Ihnen jetzt unsere Leiden erzählen.
Schreiben Sie mir doch, ob Sie das Haus schon bezahlt haben, ob den Schwestern noch Geld übrigbleibt und warum Sie es so eilig haben, Ihr Kloster anderswohin zu verlegen. Berichten Sie mir alles; denn der Prior de las Cuevas hat mir schon etwas davon geschrieben.
Ich teile Ihnen auch mit, daß jetzt die Nonnen des Klosters der Menschwerdung von der Exkommunikation losgesprochen sind, der sie, wie Sie vielleicht schon wissen werden, fast zwei Monate lang verfallen waren, und daß man sie sehr strenge behandelt hat. Der König hat dem Nuntius den Auftrag gegeben, sie absolvieren zu lassen. Pater Tostado und seine Ratgeber schickten nun zu diesem Zwecke den Prior von Toledo, und dieser absolvierte sie; aber er quälte sie so, daß es zu weit führen würde, Ihnen dies zu erzählen. Dann verließ er sie wieder in einem Zustande weit größerer Betrübnis und Trostlosigkeit, als sie vorher waren. Dies geschah alles, weil sie mich als Priorin haben wollten und nicht jene, die die Beschuhten verlangten. Auch hat man ihnen die beiden unbeschuhten Karmeliten, die vom apostolischen Kommissär und vom vorigen Nuntius zu ihrer Leitung bestellt waren, weggenommen und sie wie Übeltäter gefangengenommen. Ich empfinde über den Zustand dieser beiden Diener Gottes tiefen Schmerz, bis ich sie wieder aus den Händen dieser Menschen befreit weiß; ich würde sie lieber im Lande der Mauren sehen. Am Tage ihrer Gefangennahme soll man sie zweimal gegeißelt haben, und außerdem werden sie, wie man sagt, auf alle mögliche Weise mißhandelt. Den Pater Johannes vom Kreuz nahm Maldonado, der Prior von Toledo, mit sich fort, um ihn dem Pater Tostado vorzuführen. Den Pater Germanus brachte der Prior von hier nach St. Paul in Moraleja, und als er hierher zurückgekehrt war, bemerkte er den Nonnen gegenüber, die auf seiner Seite standen, daß er diesen Verräter in Sicherheit gebracht habe; der letztgenannte Pater habe auch, so erzählt man, auf dem Wege das Blutbrechen bekommen.
Die Nonnen waren und sind über diese Vorgänge mehr betrübt als über ihre eigenen Prüfungen, obgleich diese sehr schwer sind. Empfehlen Sie doch um der Liebe willen diese Nonnen und jene heiligen Gefangenen Gott; denn morgen werden es acht Tage, daß sie im Kerker schmachten. Die Nonnen behaupten, daß sie Heilige seien; solange sie das Kloster geleitet, habe man an ihnen nichts bemerkt, das nicht von ihrer apostolischen Tätigkeit Zeugnis ablegte. Ich weiß nicht, wie weit diese Beschuhten mit ihren Torheiten noch gehen werden. Möge Gott in seiner Barmherzigkeit Abhilfe schaffen, da er sieht, wie notwendig es ist!
Den Pater Gregor grüße ich vielmals mit der Bitte, alle diese Leiden Gott zu empfehlen. Denn es muß großes Mitleid erwecken, wenn man diese Nonnen so vieles leiden sieht; sie sind wahre Märtyrinnen.
Da ich dem Pater Gregor erst vor kurzem geschrieben habe, so unterlasse ich es jetzt. Der Brief an ihn ging mit dem Ihrigen ab. Meiner Gabriela und allen Schwestern empfehle ich mich vielmals. Gott sei mit Ihnen allen!
Heute ist der 10. Dezember.
Ich kann nicht recht begreifen, mit welchem Geld Sie ein anderes Haus kaufen wollen; denn ich weiß nicht einmal, ob das von Ihnen gegenwärtig bewohnte schon bezahlt ist. Sie schrieben mir, soviel ich glaube, daß die Rente schon aufgehoben sei. Wenn aber jene Kandidatin nicht als Nonne eintritt, so ist es klar, daß sie ihr Geld wieder zurückerhält, zumal wenn sie ihre Schwester verehelichen soll. Schreiben Sie mir um der Liebe willen über dies alles ausführlich! Ihre Briefe gelangen sicher an mich durch Pater Padilla, falls Sie dieselben dem Erzbischof übergeben, oder durch unseren Vater, und sie kommen eher an als über Toledo.
Wenn Sie soviel Geld besitzen, so vergessen Sie nicht, daß Sie auch noch bei meinem Bruder eine Schuld haben. Dieser hat eben fünfhundert Dukaten Rente für ein Gut zu bezahlen, das er gekauft hat. Sie würden ihm einen großen Dienst erweisen, wenn Sie ihm zweihundert Dukaten zurückgeben könnten; denn aus Indien hat man ihm nichts geschickt.
Geben Sie mir auch Nachricht über den Aufruhr in der Provinz und wer als Vikar aufgestellt wurde. Grüßen Sie mir den Pater Evangelista und sagen Sie ihm, Gott gebe ihm gute Gelegenheit, um ein Heiliger zu werden. Schreiben Sie mir auch ausführlich, wie es mit Ihrer Gesundheit und jener der Schwestern steht. Wenn Sie keine Zeit haben, so wird mir dies meine Gabriele berichten. An Beatrix und an den Herrn García Alvarez viele Empfehlungen! Seine Krankheit geht mir sehr zu Herzen. Viele Grüße an alle Schwestern und an Pater Nikolaus! Gott erhalte Sie mir!
Ihre Dienerin
Theresia von Jesu
Geben Sie ja recht acht auf Ihre Gesundheit! Sie wissen schon, wieviel daran gelegen ist. Vielleicht werden die Schwestern in ein Haus ziehen, wo sie lebendig verbrennen. Bedenken Sie doch, daß das Haus, in dem Sie sich jetzt befinden, große Bequemlichkeiten bietet und ganz neu ist. Ich habe Sie dort trotz aller Schwierigkeiten eingeführt, weil es mein einziger Zweck war, Ihnen Ruhe zu verschaffen. Sie wissen, wie sehr man uns beglückwünschte, ein so gutes Haus zu haben.
