256. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 15. Oktober 1578
Tod des Paters General. Pater Gracián und der Nuntius. Ratschläge für die Unterhandlungen in Rom.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Seitdem ich Sie frei weiß von den aufregenden Verdrießlichkeiten bei Vornahme der Visitation, bin ich in bezug auf alles übrige ohne Sorge, und jetzt mag kommen, was da wolle. Ich war tief betrübt über die Nachricht, die Sie mir bezüglich unseres Paters General zukommen ließen; es hat mich diese Nachricht überaus angegriffen. Am ersten Tage hörte ich nicht auf zu weinen, ohne etwas anderes tun zu können. Es tat mir herzlich leid, daß wir ihm soviel Verdruß verursacht haben; er hat es wirklich nicht verdient. Hätten wir uns an ihn gewandt, so wären jetzt alle Schwierigkeiten beseitigt. Gott verzeihe denen, die dies immerfort verhindert haben! Denn mit Euerer Paternität hätte ich mich leicht verständigt, obwohl Sie mir in diesem Betreff wenig Glauben schenkten. Der Herr wird indessen alles zum Guten wenden. Allein der Verlust dessen, von dem ich rede, und die Leiden, die Euere Paternität ausgestanden, gehen mir noch immer tief zu Herzen. Was Sie mir in Ihrem ersten Briefe mitgeteilt, das sind in der Tat Todesängste; ich habe nämlich, seitdem Sie mit dem Nuntius sich besprochen, zwei Briefe von Ihnen erhalten.
Ich muß Ihnen schon sagen, mein Vater, daß ich sehr betrübt darüber war, daß Sie die bewußten Papiere nicht sogleich vorgezeigt haben. Es muß Ihnen das von jemand geraten worden sein, dem Ihre Leiden nur wenig zu Herzen gehen. Indessen freut es mich, daß Sie eine gute Erfahrung gemacht haben, die Sie belehrt, fortan den Gang der Geschäfte einzuhalten und nicht, wie ich immer sagte, gegen den Strom zu schwimmen. Es sind in der Tat Umstände eingetreten, die alles verhinderten. Doch es ist nicht nötig, sich mit dieser Angelegenheit weiter zu beschäftigen; denn Gott fügt die Ereignisse so, daß seine Diener etwas zu leiden haben.
Ich möchte Ihnen gerne noch vieles schreiben, allein man wird die Briefe noch diesen Abend abholen, und es ist schon bald Nacht. An den Bischof von Osma habe ich einen sehr langen Brief geschrieben und ihn gebeten, mit dem Präsidenten und mit Pater Mariano sich über das zu besprechen, wovon ich ihm schrieb; auch ersuchte ich ihn, Euerer Paternität davon Mitteilung zu machen.
Eben war mein Bruder bei mir, der sich angelegentlich in Ihr Gebet empfiehlt. Hier sind wir alle darüber einig, daß sich jetzt, da unser Pater General gestorben ist, die Patres nicht nach Rom begeben sollen, und das aus verschiedenen Gründen. Der erste Grund ist, weil die Sache nicht geheimgehalten werden kann. Vielleicht würden sie die beschuhten Väter gefangennehmen, bevor sie über Kastilien hinauskommen; man würde sie so der Todesgefahr aussetzen, und überdies gingen ihre Papiere und ihr Reisegeld verloren. Dann haben sie keine genügende Erfahrung im römischen Geschäftsgang. Würden sie jetzt nach dem Tode unseres Paters General nach Rom kommen, dann könnte man sie, wenn man sie auf der Straße erblickte, als Flüchtlinge auffangen, und niemand würde für sie einstehen, wie ich schon zu Pater Mariano sagte. Konnten wir hier in Spanien bei aller Gunst, die wir genießen, nicht einmal den Pater Johannes befreien, wie würde es ihnen dann erst in Rom ergehen?
Hier mißbilligen alle die Absendung von Ordensmännern, besonders mein Bruder, der über die Art und Weise, wie man die unbeschuhten Karmeliten verfolgt, sehr betrübt ist. Man meint hier, man sollte jemanden mit dieser Angelegenheit betrauen, der die nötige Fähigkeit besitzt, sie zu betreiben; besonders ist mein Bruder, der die Beschuhten gut kennt, dieser Meinung, und er hält dies für sehr bedeutungsvoll. Man sollte die ganze Angelegenheit den Händen dessen übergeben, von dem ich Ihnen schon geschrieben habe. Doktor Rueda setzt so großes Vertrauen auf diesen Mann, daß nach seiner Ansicht eine Absendung unserer Väter ganz und gar unnötig ist.
Überlegen Euere Paternität alles reiflich, und wenn Sie und Pater Mariano es für gut halten, so senden Sie einen Boten nach Almodóvar, damit man dort nicht die Absendung der Väter nach Rom beschließe, und geben Sie mir baldigst Nachricht darüber! Der Mann, der von hier nach Rom reisen würde, ist ganz geeignet dazu, nur werden die Kosten ein wenig größer werden. Allein wenn man nur jetzt das Geld auftreiben könnte, so würden später die einzelnen Klöster zur Rückzahlung ihren Teil beisteuern. Man könnte auch von jener Erbschaft in Alcalá das Notwendige entlehnen und es dann später wieder zurückbezahlen; denn für den Augenblick wüßte ich nicht, wie man die nötige Summe austreiben könnte. Dies schreibe ich, wie Euere Paternität sehen werden, auch dem Pater Mariano.
Bleiben Sie mir gesund, mein Vater! Gott wird alles glücklich zu Ende führen. Er gebe, daß wir uns in dieser Angelegenheit einmal verständigen und jetzt nichts tun, wovon die Beschuhten Anlaß nehmen könnten, uns zu quälen.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Es ist entsetzlich, zu sehen, wie jetzt unsere Angelegenheiten stehen und wie der Teufel diesen Vätern zu Hilfe kommt. Ich versichere Sie, der böse Feind hat großen Vorteil daraus gezogen, daß der große Engel uns entrissen und an seine Stelle jener bedächtige Mann gesetzt wurde. Ich weiß nicht, wie man diese Ungeschicklichkeit begehen konnte; indessen glaube ich, daß man unter diesen Umständen noch größere Ungeschicklichkeiten begangen hätte, wenn Ardapilla zugegen gewesen wäre. Ich sehe setzt, mein Vater, welches Martyrium Sie inmitten so vieler sich widersprechenden Ansichten ausgestanden haben. Hätte man Sie Ihre eigenen Wege gehen lassen, so würde Sie offenbar Gott geleitet haben.
Alle Schwestern des hiesigen Klosters empfehlen sich Ihnen vielmals. Ich bin froh, daß Sie ihnen befohlen haben, niemandem etwas zu sagen. Gehen wir langsam zu Werke, damit die Angelegenheit in Rom zustande kommt; die Zeit beseitigt alle Schwierigkeiten, und dann wird man sich verständigen, wie Euere Paternität sagen. Ich wünschte nur mehr in Ihrer Nähe zu sein, wo wir uns öfter sehen könnten; es wäre dies ein großer Trost für meine Seele. Allein ich bin dieser Gnade nicht würdig; was ich verdiene, ist nur Kreuz über Kreuz. Falls es Ihnen erspart bleibt, dann möge es nur kommen; es wird gern angenommen werden.
Ich befinde mich so ziemlich wohl, wenn auch mein Kopf recht elend ist. Gott sei mit Ihnen allezeit! Lassen Sie sich’s um der Liebe willen nicht verdrießen, mir oft zu schreiben! Es freut mich sehr, daß man keinen Provinzial erwählt; nach dem, was Euere Paternität mir sagten, scheint mir diese Handlungsweise sehr klug zu sein. Da Pater Anton mir sagte, man könne, ohne eine Sünde zu begehen, nicht anders handeln, so widersprach ich ihm nicht. Ich denke mir, daß in Almodóvar alles beendet ist. Würde man aber der Bestätigung der Wahlen wegen nach Rom sich begeben, so müßte man trotzdem auf die Trennung von der Provinz hinarbeiten. Für den Fall, daß die Abgesandten über Ávila reisen, möge man mir über alle Beschlüsse Nachricht geben, die man dort gefaßt hat.
Heute ist der 15. Oktober.
Ich verbleibe Ihre Untergebene und Tochter
Theresia von Jesu
