171. Brief — An Don Laurentius de Cepeda in Ávila
Toledo, am 10. Februar 1577
Heilsame Unterweisungen bezüglich seines inneren Lebens und Nachrichten über Ordensangelegenheiten.
Jesus sei mit Ihnen!
Nachdem ich mich von meiner Schwäche bereits am anderen Tage wieder erholt hatte, nahm ich, da ich meiner Ansicht nach zuviel Galle habe und deshalb fürchte, ich möchte die kommende vierzigtägige Fastenzeit nicht halten können, ein Führmittel ein. Leider aber hatte ich gerade an jenem Tage so viele Briefe zu schreiben und Geschäfte zu erledigen, daß ich bis nachts zwei Uhr schreiben mußte, was für meinen Kopf sehr nachteilig war. Dennoch glaube ich, daß dies auch seinen Vorteil gehabt hat; denn der Arzt befahl mir daraufhin, nie mehr länger als bis zwölf Uhr zu schreiben und zuweilen durch eine andere Hand meine Briefe schreiben zu lassen.
Die Anstrengung war diesmal, besonders in dieser Winterszeit, wirklich maßlos, und ich habe da sehr gefehlt; denn um am folgenden Morgen frei zu sein, entzog ich mir den notwendigen Schlaf, und weil ich gleich nach dem Erbrechen zu schreiben begann, so half alles zusammen. An dem Tage, an dem ich die Medizin einnahm, war ich sehr elend; indessen scheint jetzt eine Besserung einzutreten. Haben Sie darum meinetwegen keine Sorge; denn ich pflege mich gut. Ich habe Ihnen dies deshalb mitgeteilt, damit Sie den Grund wissen, wenn manchmal ein Brief an Sie gelangt, der nicht von meiner Hand geschrieben ist, oder wenn meine Briefe an Sie kürzer sind wie gewöhnlich. Ich Pflege mich gut, soweit ich es kann, allein ich war doch angehalten über das Geschenk, das Sie mir übersandten; denn es wäre mir lieber, wenn Sie diese Sachen selbst genießen würden da Süßigkeiten mir nicht zusagen. Wohl habe ich davon schon genossen und werde sie alle genießen; allein schicken Sie mir so etwas nicht mehr, sonst würde es mich sehr verdrießen. Sehen Sie denn nicht, daß ich Ihnen gar nie ein Gegengeschenk dafür gebe?
Ich weiß nicht, was diese »Vater unser« bedeuten, die Sie, wie Sie sagen, bei Vornahme der Geißelung beten; denn so etwas habe ich Ihnen nie geraten. Lesen Sie meinen Brief nochmals, und sie werden sich überzeugen. Wenden Sie auch die Geißelung in keiner Weise öfters an, als ich Ihnen dort erlaubt habe, nämlich zweimal in der Woche. Während der Fastenzeit können Sie auch noch an einem Tage in der Woche den Bußgürtel tragen. Dies erlaube ich Ihnen jedoch nur unter der Bedingung, daß Sie ihn wieder ablegen, wenn er Ihnen übel bekommt; denn da Sie so vollblütig sind, so fürchte ich sehr für Ihre Gesundheit. Aus dem gleichen Grunde erlaube ich Ihnen eine öftere Anwendung der Geißelung nicht, weil dies nachteilig auf die Sehkraft wirken könnte. Übrigens ist es jetzt im Anfang eine bessere Buße für Sie, Ihren Eigenwillen zu brechen und die Geißelung nur mäßig anzuwenden, als eigenmächtig sich zu geißeln. Wenn Sie finden, daß Ihnen der Gebrauch des Bußgürtels nicht gut bekommt, müssen Sie es mir schreiben.
Dieses Gebet, von dem Sie reden, ist das Gebet der Ruhe, über das Sie in dem kleinen Buche mehreres lesen können. Was jene sinnlichen Erregungen betrifft, so habe ich Ihnen schon mitgeteilt, wie Sie sich versuchsweise dabei verhalten sollen; denn ich erkenne es ganz sicher, daß diese nichts zu bedeuten haben und es das beste ist, gar nicht darauf zu achten. Mir erzählte einmal ein Gelehrter, es sei einst ein Mann in größter Betrübnis gekommen und habe ihm geklagt, daß jedesmal, so oft er kommuniziere, ihm eine schändliche Versuchung komme, etwas noch weit Schlimmeres, als was Sie erfahren, und man habe ihm infolgedessen befohlen, jährlich nur einmal die Kommunion zu empfangen, um die kirchliche Vorschrift zu erfüllen. Obwohl dieser Gelehrte im geistlichen Leben nicht erfahren war, erkannte er dennoch, daß dies nur von natürlicher Schwäche herrühre, und legte dem Geängstigten nahe, sich nichts daraus zu machen und alle acht Tage die Kommunion zu empfangen. Dieser wurde frei von seiner Angst und auch von seiner schändlichen Versuchung. Legen auch Sie solchen Versuchungen keine Bedeutung bei!
Mit Julian de Ávila können Sie sich über alles besprechen; denn er ist ein sehr tugendhafter Mann. Er schreibt mir, daß er zu Ihnen komme, was mich freut. Besuchen Sie ihn manchmal, und wenn Sie ihm eine Freude machen wollen, so geben Sie ihm ein Almosen; denn er ist sehr arm und allen Gütern der Welt abgestorben. Er ist nach meiner Ansicht einer der besten Priester in Ávila, und eine Unterhaltung mit solchen Seelen ist heilsam, da Sie doch nicht so ganz dem Gebete sich widmen können, daß Sie jedem Umgang entsagten.
Bezüglich des Schlafes rate ich Ihnen an und befehle es Ihnen sogar, daß Sie ihm nicht weniger als sechs Stunden widmen. Bedenken Sie, daß wir in unserem vorgerückten Alter auch dem Leib eine Sorgfalt angedeihen lassen müssen, damit der Geist nicht unterliege; denn dies wäre ein entsetzliches Leiden. Sie können gar nicht glauben, welches Mißbehagen sich meiner in diesen Tagen bemächtigt hat. Ich wage weder mündlich zu beten noch zu lesen, obwohl ich mich, wie schon erwähnt, jetzt wieder besser befinde. Es soll mir dies, ich gestehe es Ihnen, zur Warnung dienen. Tun Sie also, was man Ihnen befiehlt, so erfüllen Sie den Willen Gottes. O wie einfältig sind Sie doch, wenn Sie glauben, daß Ihr Gebet von gleicher Art sei wie jenes, das mich am Schlafe hinderte! Das meinige war ganz anders; denn ich war weit mehr bemüht, zu schlafen, als wach zu bleiben.
Wahrhaftig, ich vermag unserem Herrn nicht genug zu danken für die Gnaden, die er Ihnen erweist, und für die Wirkungen, die Ihrer Seele daraus erwachsen. Da sehen Sie, wie groß Gott ist, da er Sie in einem Augenblicke mehr mit Tugenden bereichert, als Sie durch lange und mühsame Anstrengungen gewinnen könnten. Bei Ihnen kommt die Schwäche des Kopfes weder vom Essen noch vom Trinken. Glauben Sie mir und tun Sie, was ich Ihnen sage! Unser Herr erweist mir eine große Gnade, daß er Ihnen eine so gute Gesundheit verleiht. Möge es Seiner Majestät gefallen, sie Ihnen noch viele Jahre zu erhalten, damit Sie diese zu seinem Dienste verwenden können!
Jene Furcht, von der Sie sprechen, kommt meines Erachtens gewiß daher, daß Ihr Geist die Nähe des bösen Feindes gewahrt. Wenn Sie ihn auch nicht mit leiblichen Augen sehen, so wird ihn doch die Seele wahrnehmen und fühlen. Bewahren Sie immer Weihwasser in Ihrer Nähe; denn es gibt nichts, das er mehr fürchtet als dieses. Dies hat mir schon in vielen Fällen nützliche Dienste geleistet. Manchmal ließ er es bei der Furcht nicht bewenden, sondern er peinigte mich auch sonst in schrecklicher Weise. Dies teile ich nur Ihnen allein mit. Wenn ihn aber das Weihwasser nicht trifft, dann flieht er nicht; darum muß es ringsumher gesprengt werden.
Halten Sie es nicht für einen geringen Gnadenerweis Gottes, daß Sie so gut schlafen können; es ist dies vielmehr ein sehr großer. Darum wiederhole ich es: Suchen Sie ja den Schlaf nicht abzukürzen; denn Sie stehen nicht mehr in den Jahren, in denen man dies tun darf.
Ich halte es für ein Zeichen großer Liebe zu Gott, daß Sie Leiden auf sich nehmen und auf Wonnegenüsse verzichten wollen. Es ist schon eine besondere Gnade von Gott, daß er Ihnen diesen Gedanken einflößt. Andererseits ist es ein großer Unverstand und ein Zeichen geringer Demut, zu denken, Sie könnten sich zufrieden geben, wenn Sie die Tugenden des Don Franz de Salcedo hätten oder jene, die Ihnen der Herr verleiht ohne diese besondere Gebetsgnade. Glauben Sie mir und lassen Sie den Herrn des Weinbergs schalten nach seinem Wohlgefallen; denn er weiß, was einem jeden aus uns notwendig ist. Nie habe ich ihn um innere Leiden gebeten, wiewohl er mir schon viele und sehr schwere während meines Lebens geschickt hat. An diesen inneren Bedrängnissen haben die Beschaffenheit der Natur und die Gemütsart einen großen Anteil. Ich freue mich, daß Sie das Naturell jenes heiligen Mannes nach und nach kennenlernen; ich wünschte nur, daß Sie auch seinen Charakter großmütig ertragen würden.
Glauben Sie es mir, ich habe vorausgesehen, wie mein Gutachten über die verschiedenen Erklärungen aufgefaßt wird, und ich wußte, daß ich dadurch Ihre empfindsame Seite berühren werde, allein ich konnte keine ernste Antwort geben; aber bedenken Sie wohl, ich habe nicht unterlassen, manches von Ihren Ausführungen lobend anzuerkennen. Es war mir nämlich, ohne eine Lüge zu begehen, unmöglich, auf Ihre Antwort anders zu erwidern. Ich versichere Sie, mein Kopf war damals so eingenommen, daß ich nicht weiß, wie ich selbst dieses fertigbrachte. Ich war nämlich an diesem Tage von Geschäften und Briefen ganz überhäuft; denn manchmal scheint mir der Teufel zu bewirken, daß die Arbeiten sich häufen, wie es an jenem Abend der Fall war, an dem ich Medizin einnahm und mich so übel fühlte. Es war ein Wunder, daß ich damals einen Brief, den ich an die Mutter des Paters Gracián geschrieben hatte, nicht an den Bischof von Cartagena absandte. Ich hatte nämlich die falsche Adresse auf den Brief geschrieben, der sich schon im Pakete befand, das für den Bischof bestimmt war. Ich kann Gott nicht genug danken, daß er mich noch zur rechten Zeit auf meine Zerstreuung aufmerksam machte. Ich hatte nämlich dieser Dame geschrieben, was zwischen den Nonnen von Caravaca und dem Generalvikar des Bischofs, den ich nie gesehen, vorgefallen war, und daß mir sein Verhalten als eine Torheit vorkomme. Meine weiteren Worte waren: »Der Generalvikar hat den Nonnen verboten, Messe lesen zu lassen, was aber wieder ausgeglichen ist. Ich habe die feste Hoffnung, daß auch das übrige gut vonstatten geht und die Stiftung anerkannt wird. Man kann gar nicht anders handeln.« Auch begleiteten meinen Brief einige Empfehlungsschreiben. Denken Sie sich doch, was das gewesen wäre! Und erst, wenn ich mich selbst dorthin begeben hätte!
Wir sind immer noch in Angst wegen dieses Tostado, der sich eben wieder an den Hof begibt. Wollen Sie diese Angelegenheit Gott empfehlen. Lesen Sie den beiliegenden Brief der Priorin von Sevilla. Sie sandte mir Ihren Brief, der mir Freude machte, sowie auch jenen, den Sie an die Nonnen geschrieben haben. Dieser letztere ist sehr liebevoll. Alle Nonnen empfehlen sich Ihnen vielmals. Sie hatten an dem Briefe große Freude, besonders meine Gefährtin, jene fünfzigjährige Nonne, die mit uns von Malagón gekommen ist. Sie ist äußerst gut und verständig; wenigstens ist sie sehr aufmerksam auf meine Pflege und eifrigst um mich besorgt.
Die Priorin von Valladolid schrieb mir, daß man sich mit aller nur möglichen Sorgfalt um jene in Frage stehende Angelegenheit annehme und daß Petrus de Ahumada sich dort aufhalte. Nach meiner Ansicht wird der Kaufmann, der sich um die Sache annimmt, sie auch glücklich zu Ende führen. Ich bin darüber ohne Sorge. Empfehlen Sie mich dem Petrus de Ahumada, meinen Kindern, und besonders dem Franziskus; ich möchte sie gerne wieder einmal sehen. Sie haben gut getan, daß Sie jenes Dienstmädchen entlassen haben, wenn Sie auch sonst keinen Grund gehabt hätten, als daß die Dienstboten einander im Wege stehen, wenn ihrer so viele sind. Der Doña Johanna, dem Petrus Alvarez und allen [meinen Freunden] wollen Sie immer meine Grüße entrichten!
Ich will Ihnen mitteilen, daß es mit meinem Kopfe weit besser geht als wie beim Beginn des Briefes. Vielleicht hat dies die Freude bewirkt, daß ich mit Ihnen mich unterhalten kann.
Heute war Doktor Velásquez, mein Beichtvater, bei mir. Ich teilte ihm mit, was Sie mir bezüglich Ihrer Silbergeräte und Wandteppiche geschrieben haben, die Sie zu verkaufen wünschten. Denn ich möchte nicht, daß Sie in Ermangelung meines Beistandes abließen, weitere Fortschritte im Dienste Gottes zu machen. Doch in manchen Dingen setze ich auf meine eigene Ansicht kein Vertrauen; übrigens ist Doktor Velásquez in dieser Hinsicht derselben Meinung wie ich. Er sagt, daß diese Dinge ganz gleichgültig seien, wenn Sie nur darauf achten, daß Sie keinen Wert auf sie legen und Ihr Herz nicht daranhängen. Da Sie Kinder haben, die verheiratet werden müssen, so ist es ganz billig, daß Sie eine Ihrem Stande entsprechende Hauseinrichtung haben. So müssen Sie denn einstweilen Geduld haben; denn Gott pflegt immer die geeignete Zeit zur Ausführung der guten Vorsätze herbeizuführen und so wird er auch in diesem Fall bei Ihnen handeln. Seine Majestät erhalte Sie mir und mache Sie recht heilig! Amen.
Heute ist der 10. Februar.
Ihre Dienerin
Theresia von Jesu
