166. Brief — An Don Laurentius de Cepeda in Ávila
Toledo, am 17. Januar 1577
Verschiedene bemerkenswerte Ratschläge über die Leitung seiner Seele, sowie Nachrichten über ihren eigenen Seelenzustand und über die ihr von Gott erwiesenen Gnaden.
Jesus sei mit Ihnen!
In dem Briefe, den der Bote von Alba Ihnen überbracht hat, habe ich Ihnen berichtet, daß die Sardinen und das Backwerk zur rechten Zeit angekommen sind. Übrigens wäre es mein Wunsch, daß Sie das Beste für sich behalten möchten. Gott vergelte Ihnen diese Gaben! Schicken Sie mir von jetzt an nichts mehr; wenn ich etwas zu haben wünsche, werde ich Sie gewiß darum bitten. Ich wünsche Ihnen recht viel Glück, daß Sie in das Stadtviertel [unserer Schwestern von Sankt Joseph] übersiedeln; aber sehen Sie sich zuvor noch sorgfältig die Wohnung an, von der ich Ihnen geschrieben habe. Denn wenn sie nicht ausgebessert wird, so ist es gefährlich, darin zu wohnen; und der Ausbesserung bedarf sie wohl. Untersuchen Sie also alles genau!
Wenn ich Ihnen sagte, sie sollten das für sich behalten, was ich Ihnen in bezug auf meine Person als Geheimnis anvertraut habe, so wollte ich Sie dadurch nicht unter einer Sünde verpflichten. Solche Verpflichtungen widerstreben mir, da man sich dabei leicht vergessen kann. Sie wissen, daß mir dies unlieb wäre; und dies ist genug.
Bezüglich Ihres Gelübdes hat mir mein Beichtvater gesagt, es sei ungültig, was mich sehr freut; denn dieses machte mir Kummer. Auch bezüglich des Gehorsams, den Sie mir zu leisten versprochen haben, redete ich mit ihm und bemerkte, daß mir dies unpassend erscheine. Er billigte indessen diesen Gehorsam, nur sollten Sie sich nicht durch ein Gelübde verpflichten, weder mir noch einem anderen gegenüber. Darum will ich auch diesen Gehorsam nicht in Kraft eines Gelübdes. Selbst dieser einfache Gehorsam widerstrebt mir; allein ich dulde ihn zu Ihrer Beruhigung unter der Bedingung, daß Sie niemandem gegenüber durch ein Gelübde sich zum Gehorsam verpflichten.
Sie gestehen zu — und das freut mich —, daß Pater Johannes Sie verstehe; er hat eben Erfahrung [in geistlichen Dingen]. Auch Don Franziskus hat ein wenig Erfahrung, allein in Hinsicht auf jene Gnaden, die Gott in Ihnen wirkt, hat er keine. Der Herr sei gepriesen für immer und ewig! Jetzt stehen wir beide gut bei ihm. Unser Herr zeigt sich gegen uns voll Güte. Es scheint, er wolle seine Macht dadurch offenbaren, daß er so elende Geschöpfe, wie wir beide sind, mit so außerordentlichen Gnaden heimsucht; denn ich kenne niemanden, der elender wäre als Sie und ich. Ich will Ihnen sagen, daß ich schon über acht Tage in einem solchen Zustande mich befinde, daß ich meine vielfachen Geschäfte nicht mehr besorgen könnte, wenn er länger andauerte. Schon bevor ich Ihnen das letztemal schrieb, haben mich wieder Verzückungen befallen, die bis jetzt noch nicht aufhörten; zuweilen finden sie öffentlich statt, wie es auch schon bei der Matutin vorgekommen ist, und das ist für mich recht peinlich. Dagegen hilft aber kein Widerstreben, und man kann dies auch nicht verheimlichen. Ich empfinde darauf so tiefe Beschämung in meiner Seele, daß ich mich, ich weiß nicht wohin, verkriechen möchte. Ich habe Gott inständig gebeten, diese Gnaden mir doch nicht mehr in der Öffentlichkeit zu gewähren. Bitten auch Sie den Herrn für mich darum; denn es bereitet dies viel Ungelegenheiten, und diese Gunstbezeigungen scheinen mir keineswegs eine höhere Gebetsweise anzudeuten.
In den letzten Tagen gehe ich fast wie eine Betrunkene umher; aber ich erkenne wenigstens, daß die Seele sich glücklich fühlt in dem Zustand, in dem sie sich befindet. Und da ihre Kräfte gebunden sind, so ist es ihr peinlich, auf einen anderen Gegenstand ihr Augenmerk zu richten als auf den, den sie liebt.
Acht Tage vorher war ich fast beständig außerstande, auch nur einen guten Gedanken zu fassen. Es war dies eine entsetzliche Trockenheit. In einer Hinsicht aber habe ich darüber wirklich Freude empfunden. Denn vorher hatte ich mich schon in demselben Zustand befunden wie jetzt, und darum war es mir sehr erwünscht, mich klar davon zu überzeugen, wie wenig wir aus uns selbst vermögen. Gepriesen sei der, der alles vermag! Amen.
Ich habe jetzt genug gesagt; das übrige ist weder zur Mitteilung in einem Briefe geeignet, noch läßt es sich aussprechen. Billigerweise sollten wir füreinander unseren Herrn lobpreisen, wenigstens wollen Sie ihn für mich loben; denn ich bin nicht imstande, ihm den Dank abzustatten, den ich ihm schulde, und darum bedarf ich großer Hilfe.
Was ich Ihnen über die mir mitgeteilte Gunstbezeigung, die Ihnen zuteil geworden ist, sagen soll, weiß ich selbst nicht. Sie ist offenbar erhabener, als Sie denken, und vielleicht der Anfang einer großen Gnade, wenn Sie diese nicht durch eigene Schuld verscherzen. Ich habe dieselbe Gebetsweise durchgemacht. Nachher verharrt die Seele gewöhnlich in Ruhe, doch nimmt sie auch bisweilen zu Bußübungen ihre Zuflucht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Antrieb der Liebe recht heftig ist; die Seele scheint es da nicht aushalten zu können, ohne daß sie etwas für Gott leidet. Es ist dies ein Stoß der Liebe, den die Seele empfängt, und wenn dieser in Ihnen noch mächtiger wird, so werden sie erfassen, was Sie, wie Sie sagen, in meinem Liede nicht verstehen. Es ist dies nämlich eine sehr große Pein und ein durchdringender Schmerz, verbunden mit einer überaus großen Wonne, ohne daß man die Ursache davon weiß. Und obwohl es in Wahrheit eine Wunde ist, die die Liebe Gottes der Seele schlägt, so weiß man doch nicht, woher und wie sie kommt; auch weiß man nicht, ob es eine Wunde ist, noch was es überhaupt ist. Die Seele fühlt einen wonnevollen Schmerz, worüber sie sich beklagt und ausruft:
»Ohne Wunde machst du Schmerzen,
Machest ohne Schmerz die Liebe
Aller Kreatur zunichte.«
Und in der Tat, ist die Seele wirklich von dieser Liebe verwundet, so wird ihr, und zwar ohne jegliche Pein, die Liebe zu den Geschöpfen derart benommen, daß sie an keine Liebe mehr gefesselt ist, was ohne diese Liebe nicht eintritt. Denn alles Geschöpfliche verursacht der Seele, wenn sie es heftig liebt, Pein, und die Trennung davon ist für sie noch weit qualvoller. Nimmt aber Gott die Seele in Besitz, so verleiht er ihr eine Herrschermacht über alles Geschaffene. Wenn auch diese Gegenwart Gottes in der Seele und diese Wonne sich wieder verlieren, als wäre in ihr gar nichts vorgegangen — und das ist es, worüber Sie sich beklagen — , so ist dies nur in bezug auf die äußeren Sinne wahr, die nach Gottes Willen an dieser Wonne der Seele Anteil genommen haben; er selbst aber entzieht sich der Seele nicht, die diese Gnade beständig besitzt und damit überaus bereichert wird, wie man dies im Laufe der Zeit aus den Wirkungen der Liebe erkennen kann.
Aus den darauffolgenden Bedrängnissen, von denen Sie berichten, machen Sie sich gar nichts! Ich habe zwar dergleichen nie erfahren, da mich Gott in seiner Güte immer vor diesen Sinneseindrücken bewahrt hat, allein es muß dies meiner Ansicht nach daher kommen, daß die außerordentliche Wonne der Seele sich auch der sinnlichen Natur mitteilt. Mit Gottes Gnade wird sich dies verlieren, wenn Sie darauf nicht achten. Andere, mit denen ich darüber gesprochen, haben mir dies versichert. Auch jenes Zittern wird sich verlieren. Denn jetzt ist dies für die Seele noch etwas Neues, und darum ist sie darüber verwundert und hat auch guten Grund zu staunen. Wiederholen sich derartige Gunstbezeigungen öfters, dann erlangt die Seele immer mehr Befähigung dafür. Widerstehen Sie diesem Zittern und vermeiden Sie alles Auffallende im Äußeren, soviel Sie können, damit so etwas nicht zur Gewohnheit wird; denn es würde dies eher zum Hindernis als zur Förderung gereichen.
Was Sie mir betreffs der inneren Glut, die Sie empfinden, berichten, so ist diese ganz ohne Belang für die Frömmigkeit. Sie könnte nur der Gesundheit schaden, wenn sie sehr überhandnähme. Vielleicht aber wird sie auch vergehen wie das Zittern. Nach meiner Ansicht hängen derartige Erscheinungen mit der Naturbeschaffenheit des einzelnen zusammen. Weil Sie nämlich sanguinischen Charakter haben, so kann die gewaltige Erregung des Geistes im Verein mit der natürlichen Wärme, die aufwärts drängt und das Herz ergreift, solches bewirken. Allein das ist, wie schon erwähnt, kein Zeichen, das auf eine erhabenere Gebetsweise schließen läßt.
Ich glaube auf Ihre Bemerkung, daß Sie nach solchen Vorgängen sich wieder ebenso fühlen, als ob nichts vorgefallen wäre, schon geantwortet zu haben. Ich weiß nicht, ob da nicht jene Worte des heiligen Augustin Geltung haben, wenn er sagt: »Der Geist Gottes geht dahin, ohne eine Spur von sich zu hinterlassen, wie der Pfeil, der in der Luft auch keine Spur von sich zurückläßt.« Jetzt erinnere ich mich, Ihnen hierüber schon geantwortet zu haben. Wundern Sie sich nicht über diese meine Zerstreuung; denn ich habe seit der Ankunft Ihres Briefes eine Menge anderer erhalten, und ich muß jetzt noch viel beantworten, weil mir bisher die Zeit dazu fehlte.
Manchmal bleibt die Seele in einem solchen Zustand, daß sie mehrere Tage lang nicht mehr zu sich kommen kann. Da gleicht sie der Sonne, deren Strahlen überall Wärme verbreiten, obwohl man sie selber nicht sieht. Es hat dann den Anschein, als ob die Seele sich anderswo befände als der Leib und als ob sie den Leib beleben würde, ohne im Leibe zu sein. In solchen Fällen ist eines der Seelenvermögen gebunden.
Wenn Sie nicht gerade das Gebet der Ruhe genießen, so ist die Art und Weise, wie Sie Ihre Betrachtung halten, die rechte. Gott sei gepriesen!
Ich weiß nun nicht, ob ich auf alle Ihre Fragen geantwortet habe. Sonst lese ich Ihre Briefe, nachdem ich sie beantwortet habe, gewöhnlich noch einmal durch, obwohl ich sehr wenig Zeit dazu habe, allein heute konnte ich dies nur teilweise tun. Machen Sie sich doch nicht die Mühe, Ihre Briefe, die Sie an mich schreiben, jedesmal noch durchzulesen; ich lese die meinigen nie durch. Gehen einige Buchstaben ab, so setzen Sie diese ein! So mache ich es hier mit Ihren Briefen. Man versteht bald, was man sagen wollte, das übrige ist Zeitverlust und hat keinen Zweck.
Für den Fall, daß Sie sich während des Gebetes nicht recht sammeln möchten oder daß Sie gerne etwas für den Herrn tun können, sende ich Ihnen beiliegenden Bußgürtel. Er dient gar sehr zur Erweckung der Liebe; ich sende ihn Ihnen aber nur unter der Bedingung, daß Sie ihn in keiner Weise am bloßen Leibe und auch nicht während des Schlafes tragen. Sie können ihn auf jeder Seite gebrauchen, und zwar so, daß er Ihnen wenig unbequem wird. Ich gebe Ihnen diesen Rat nicht ohne einige Befürchtung; denn da Sie so vollblütig sind, könnte die geringste Unklugheit Ihr Blut in Aufregung bringen. Indessen bereitet es uns bei einem solchen Liebesdrange, den wir empfinden, große Freude, etwas, und sei es auch noch so wenig, für Gott zu tun. Darum möchte ich nicht, daß wir es unterließen, einen Versuch damit zu machen.
Ist der Winter vorüber, dann werden Sie eine andere kleine Übung vornehmen können; ich werde Sie nicht vergessen. Schreiben Sie mir, wie Sie mit dieser Kleinigkeit zurechtkommen. Wir können dies wirklich nicht anders nennen, wenn wir in Erinnerung dessen, was unser Herr gelitten, auch nur einigermaßen eine entsprechende Buße üben wollen. Ich muß über mich selbst lachen, daß ich Ihnen für die Sendung von Backwerk, Geld und anderen Geschenken nichts zu geben weiß als einen Bußgürtel.
Empfehlen Sie mich dem Aranda. Er soll von den beiliegenden Rauchkerzchen immer ein wenig in Ihrem Zimmer, oder wenn Sie sich gerade am Kohlenbecken wärmen, anzünden. Sie sind sehr heilsam und echt, und die unbeschuhten Karmelitinnen haben nicht so viele vortreffliche Dinge. So abgetötet Sie auch sein wollen, so können Sie doch den Rauch dieser Kerzchen einatmen. Für Rheumatismus und Kopfleiden ist er vorzüglich.
Das kleine Päckchen lassen Sie der Doña Maria de Cepeda im Kloster der Menschwerdung übergeben!
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß für den Eintritt einer sehr vortrefflichen Dame in Ihr Kloster zu Sevilla schon alles vorbereitet ist. Sie hat sechstausend Dukaten und ist frei von jeder weiteren Verpflichtung. Schon vor ihrem Eintritt hat sie einige Goldplatten hergegeben im Werte von zweitausend Dukaten, und sie dringt so sehr darauf, mit der Bezahlung des Hauses aus ihrem Vermögen zu beginnen, daß die Priorin sich auch dazu herbeiläßt. Diese schreibt mir, daß sie jetzt dreitausend Dukaten bezahlen werde. Darüber war ich sehr erfreut; denn diese Nonnen hatten an ihrer Schuld eine schwere Last zu tragen. Bei ihrer Profeß wird sogleich die ganze Schuld bezahlt, und vielleicht schon eher. Empfehlen Sie diese Angelegenheit Gott und bitten Sie ihn, daß dieses Werk, das Sie begonnen haben, endlich einmal vollendet werde.
Unser Pater Visitator hat sich an den Unterhandlungen mit der erwähnten Dame beteiligt. Er befindet sich wohl und visitiert jetzt die Klöster. Es ist staunenswert, wie er in seiner Provinz alles so beruhigt hat und wie ihn alle so sehr lieben. Der Gebetseifer, die Tugend und die Geistesgaben, die Gott ihm verliehen, leuchten an ihm in hellem Glanze hervor. Gott sei mit Ihnen und erhalte Sie mir! Ich weiß zu keinem Schlusse zu kommen, wenn ich mich mit Ihnen unterhalte. Alle empfehlen sich Ihnen vielmals, auch ich mit ihnen. Dem Franz de Salcedo sagen Sie immer viele Grüße von mir! Sie haben Grund, ihn zu lieben; denn er ist ein Heiliger. Mit meiner Gesundheit geht es sehr gut.
Heute ist der 17. Januar.
Ihre unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Erbitten Sie sich vom Bischof mein Buch, da mir vielleicht einmal der Gedanke kommt, es zu vollenden und die mir vom Herrn später erwiesenen Gnaden beizufügen. Nebst diesem könnte man noch ein anderes, umfangreiches Buch schreiben, wenn mir der Herr die Gnade verleiht, daß ich mich deutlich auszusprechen weiß. Geschieht das nicht, so ist der Verlust von geringer Bedeutung.
In dem Kästchen kamen auch einige der Theresia gehörige Kleinigkeiten mit an; ich schicke sie anbei zurück. Die Metallkugel ist für Petrus de Ahumada. Weil er viele Zeit in der Kirche zubringt, wird ihn an den Händen frieren. Unser Herr vergelte Ihnen Ihre liebende Sorgfalt und erhalte Sie mir! Amen. Die Geldangelegenheit können Sie gar wohl der Priorin in Valladolid übergeben. Sie wird sie ganz gut besorgen; denn es ist dort ein Kaufmann, der mit jenem Kloster und auch mit mir sehr befreundet ist; zudem ist er ein guter Christ.
