354. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá de Henares
Palencia, im Februar 1581
Vorschläge betreffs der Beichtväter der Nonnenklöster. Verschiedene Ratschläge betreffs der Person, die als Provinzial erwählt werden soll.
... Setzen Sie für immer fest, daß die Vikare der Nonnen nicht deren Beichtväter sein können; auf diesen Punkt muß ich sehr dringen!
Es ist dies nämlich für unsere Klöster überaus wichtig; denn trotz des großen Nutzens, den unsere Nonnen, wie Euere Paternität bemerken und wie ich selber gestehen muß, daraus ziehen würden, daß sie bei unseren Vätern beichten, wäre es mir viel lieber, es bliebe alles beim alten, und sie dürften bei diesen gar nicht mehr beichten, als daß jeder Beichtvater Vikar des Klosters würde. Daraus ergeben sich viele Mißstände, wovon ich mit Euerer Paternität sprechen werde, wenn wir uns treffen. Ich bitte Sie, mir in diesem Punkte Glauben schenken zu wollen! Als man das Kloster zum heiligen Joseph gründete, wurde diese Frage ernstlich erwogen, und einer von den Gründen, weswegen mehrere Männer mit mir es für gut hielten, das Kloster dem Bischof zu unterstellen, war folgender: Man verhinderte dadurch, daß der Vikar zugleich Beichtvater der Nonnen wurde. Es ergeben sich in den Klöstern, wo diese Einrichtung besteht, große Mißstände;
ich weiß dies aus Erfahrung; und für mich war schon ein einziges Kloster, wo ich diese Einrichtung genau sehen konnte, hinreichend, um dagegen zu sein. Denn wenn der Vikar sich mit einer Nonne im Gespräche unterhalten will, so kann ihn die Priorin nicht hindern, mit dieser so oft zu reden, als es ihm beliebt, weil er ihr Oberer ist; daraus aber entsteht tausenderlei Unheil.
Aus diesen und noch vielen anderen Gründen ist es notwendig, daß die Nonnen auch den Prioren nicht unterstellt werden. Da könnte nämlich einer, der wenig Verständnis hat, kommen und den Nonnen Vorschriften geben, die alle in Verwirrung bringen würden. Denn nicht alle gehen so klug zu Werke wie mein Vater Gracián, und wir müssen auch die Zukunft ins Auge fassen. Die eigene Erfahrung, die wir schon gemacht haben, legt uns die Pflicht auf, alle möglichen Gefahren in diesem Punkte zu beseitigen. Es wäre für uns die größte Wohltat, wenn im Kapitel die Verordnung erlassen würde, daß die Beichtväter mit den Nonnen über nichts anderes zu verhandeln haben, als ihre Sünden anzuhören. Das Amt eines Beichtvaters reicht hin, um die Zurückgezogenheit zu überwachen und dem Provinzial darüber Bericht zu erstatten.
Dies alles habe ich bemerkt für den Fall, daß etwa einer der Väter oder der Pater Kommissär selbst anderer Ansicht wäre. Der letztere wird jedoch nicht gegen diesen meinen Vorschlag handeln, da die Patres seines Ordens auch in vielen Klöstern Beichtväter ihrer Nonnen, aber in keinem zugleich Vikare sind. Unsere ganze zukünftige Existenz hängt von der Abwendung der Gefahr ab, daß durch Finsterlinge und Frömmler das Werk der Gnade in den Bräuten Christi zerstört werde. Man muß immer die schlimmsten Fälle, die eintreten könnten, im Auge behalten, um der drohenden Gefahr zuvorzukommen; denn solche Gelegenheiten benützt der Teufel, um sich allmählich unbemerkt einzuschleichen. Dies sowie die Aufnahme einer großen Anzahl von Nonnen in unsere Klöster hat mich immer mit quälender Furcht erfüllt, es möchte dadurch unserem Orden das größte Unheil erwachsen. Darum bitte ich Euere Paternität, mit aller Entschiedenheit darauf dringen zu wollen, daß diese beiden Punkte in die Satzungen aufgenommen werden und Gesetzeskraft erhalten. Erweisen Sie mir diese Gnade!
Ich begreife nicht, wie Sie jetzt sagen können, wir sollten schweigen in der Angelegenheit betreffs der Patres, die unsere Beichten abnehmen sollten. Sie wissen ja doch, wie sehr wir durch die Verordnung des Paters Petrus Fernández gebunden sind; meine Ansicht dagegen ist, daß es notwendig ist, über diesen Punkt zu reden. Auch begreife ich nicht, warum Euere Hochwürden nicht zur Sprache bringen sollten, was sich auf uns Karmelitinnen bezieht. Ich habe in dem Briefe an den Pater Kommissär den außerordentlichen Nutzen, den Ihre Visitation uns gebracht hat, rühmend hervorgehoben; und dies ist auch volle Wahrheit; Sie können darum wohl verlangen, was Sie zu unseren Gunsten wollen. Sie sind dies auch allen Nonnen schuldig, die Ihretwegen schon so viele Tränen vergossen haben. Es wäre vor allem mein Wunsch, daß nur Euere Hochwürden und Pater Nikolaus sich mit dieser Angelegenheit beschäftigen; denn es ist nicht notwendig, im Kapitel über unsere Satzungen und über die verschiedenen Verordnungen, die Sie in bezug auf uns treffen werden, zu verhandeln und die anderen dort versammelten Väter davon in Kenntnis zu setzen. Pater Petrus Fernández — Gott habe ihn selig! — hat sich darüber nur mit mir allein besprochen. Wenn Ihnen auch einige von den acht Punkten, die ich mit Ihnen besprochen habe, als unbedeutend erscheinen, so dürfen Sie doch versichert sein, daß wirklich viel daran gelegen ist. Darum wünschte ich, daß man keinen davon streichen würde. Denn in dem, was die Nonnen betrifft, darf ich doch wohl auch ein Wort mitreden; ich habe ja so vieles beobachtet, wodurch die Klöster, wenn man es für unbedeutend hält, allmählich zugrunde gehen werden.
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß ich den Pater Prior und Kommissär auch bitten lassen wollte, er möchte aus den ehrwürdigen Vätern jene, die dazu die erforderliche Gelehrsamkeit hätten, mit dem Titel und der Würde eines Magisters oder Präsentatus betrauen; denn es ist dies aus vielen Gründen notwendig, da man sich dann nicht immer an den General wenden müßte. Aber da Euere Hochwürden mir zu verstehen gaben, daß der Kommissär nur die Vollmacht habe, auf dem Kapitel den Vorsitz zu führen und die Satzungen zu verfassen, bin ich von diesem Gedanken wieder abgegangen.
Man hat, wie mir scheint, nicht alles gewährt, um was ich gebeten habe. Es wäre dies indes sehr vorteilhaft für uns gewesen, da wir uns dann für einige Jahre nicht nach Rom hätten wenden müssen.
Es wird wohl notwendig sein, daß die Väter sogleich einen recht demütigen Brief an den General schreiben, worin sie ihm über alle Vorkommnisse Bericht erstatten und sich ihm, wie es auch billig ist, als seine Untergebenen empfehlen. Euere Hochwürden sollten auch an Pater Angelus schreiben, da Sie ihm dies schuldig sind; danken Sie ihm auch für all das Gute, das er Ihnen erwiesen hat, und bitten Sie ihn, er möge Sie stets als seinen Sohn betrachten! Unterlassen Sie ja nicht, dies zu tun!
Jetzt wollen wir noch den von Ihnen geäußerten Wunsch besprechen, zum Provinzial weder erwählt noch als solcher bestätigt zu werden. Ich habe über diese Angelegenheit an den Pater Kommissär geschrieben. Aber in diesem Punkte, mein Vater, erkläre ich Ihnen gegenüber offen: Wenn mich das Verlangen beseelte, Sie frei von diesen Ämtern zu sehen, so hatte dies seinen Grund mehr in der Liebe, die ich im Herrn zu Ihnen trage, als in der Sorge für das allgemeine Wohl des Ordens; aus dieser Liebe stammt auch die natürliche Schwachheit, bei der es mir so schwerfällt, wenn ich sehen muß, daß nicht alle erkennen, wieviel sie Euerer Hochwürden zu verdanken haben für all die Mühseligkeiten, die Sie auf sich genommen. Darum kann ich auch kein Wort hören, das man wider Sie spricht; es ist mir dies etwas Unerträgliches. Wenn ich indessen die Sache im rechten Lichte betrachte, so hat bei mir die Rücksicht auf das allgemeine Wohl des Ordens alle anderen Rücksichten überwogen.
Wenn Euere Hochwürden stets mit Pater Nikolaus, falls er zum Provinzial erwählt wird, Hand in Hand gehen, so würde dadurch, wie mir scheint, das eine wie das andere in Erfüllung gehen. Ich sehe indessen wohl ein, daß es für das erstemal in jeder Hinsicht weit vorteilhafter wäre, wenn Euere Hochwürden diese Bürde auf sich nehmen würden; darum habe ich auch in diesem Sinne an den Pater Kommissär geschrieben. Sollten nicht Sie Provinzial werden, schrieb ich ihm, sondern Pater Nikolaus, so würden Sie diesem mit Ihrer Erfahrung und Kenntnis der einzelnen Ordensmitglieder, sowohl der Brüder wie der Nonnen, zur Seite stehen; Makarius aber habe nach der Erfahrung, die wir mit ihm gemacht, nicht die erforderlichen Eigenschaften zu diesem Amte, wofür ich ihm auch schwerwiegende Gründe anführte. Ebenso bemerkte ich ihm gegenüber, daß auch Pater Petrus Fernández derselben Ansicht gewesen sei, der es indessen früher gerne gesehen hätte, wenn dem Makarius die Oberleitung über die Reform anvertraut worden wäre. Aber welchen Schaden würde er jetzt anrichten!
Ich habe dem Pater Kommissär auch den Pater Johannes von Jesu in Vorschlag gebracht, damit es nicht den Anschein habe, als würde ich mich bloß auf zwei beschränken. Indessen erklärte ich dem Pater Kommissär, daß dem letzteren die Gabe zur Leitung der Provinz fehle; denn nach meinem Dafürhalten hat er sie auch wirklich nicht. Würde ihm aber einer von den beiden anderen Vätern zur Seite gegeben werden, so könnte es noch gut gehen. Dieser Pater ist in der Tat sehr verständig, und er wird nach meinem Dafürhalten gewiß auch guten Rat annehmen. Stünden Euere Hochwürden ihm zur Seite, so würde er in keiner Weise von dem abgehen, was Sie ihm raten, und so könnte er sein Amt auch gut verwalten. Allein ich bin überzeugt, daß er nicht gewählt werden wird. Möge der Herr diese Angelegenheit so leiten, wie sie am meisten zu seiner Ehre und Verherrlichung gereicht! Ich habe auch die feste Hoffnung, daß er dies tun wird, nachdem er einmal das Wichtigste zustande gebracht hat. Sehr zu bedauern ist...
Entrichten Sie dem Pater Antonius von Jesu viele Empfehlungen von mir und sagen Sie ihm, ich hätte ihm den Brief nicht zu dem Zwecke geschrieben, daß er mir darauf die Antwort schuldig bleibe! Es kommt mir vor, als rede ich mit einem Taubstummen, wenn ich ihm schreibe, und darum unterlasse ich es lieber; er ist jedoch damit zufrieden, daß dem Pater Mariano ein Teil seiner Einnahmen übergeben werde, die dazu dienen, daß unseren Vätern eine reichlichere Nahrung zuteil werde als sonst gewöhnlich. Ich sage Ihnen, daß man sehen wird, wohin wir kommen, wenn in dieser Hinsicht nicht in allen Klöstern Vorsorge getroffen wird. Die Väter sollen ja auf dem Kapitel die Verordnung erlassen, daß die Prioren ihren Untergebenen hinreichende Nahrung geben. Denn der Herr wird uns nie das Notwendige vorenthalten. Geben aber die Prioren ihren Religiosen wenig, so wird Gott auch ihnen wenig zukommen lassen...
Um der Liebe willen bitte ich Euere Hochwurden, dahin wirken zu wollen, daß bezüglich der Betten und der Tischtüchlein auf Reinlichkeit gesehen werde, sollte es auch größere Unkosten verursachen. Denn es ist etwas Entsetzliches, wenn es in diesem Punkte fehlt. Es wäre mein Wunsch, es möchte dieser Punkt in die Satzungen aufgenommen werden, aber ich bin in Sorge, ob dies in Anbetracht der Gewohnheit etwas helfen wird...
Wie unangenehm ist mir doch die Überschrift »Ehrwürden«, die man auf die an mich adressierten Briefe setzt. Ich wünschte, Euere Paternität möchten es allen Ihren Untergebenen verbieten, mich in dieser Weise zu titulieren; denn dies ist nicht notwendig, um zu wissen, an welche Person der Brief gerichtet ist. Überdies ist es auch meiner Ansicht nach ungeziemend, uns gegenseitig in dieser Weise zu ehren und uns überflüssiger Worte zu bedienen...
Stellen doch Euere Paternität das, was ich Ihnen bezüglich der
Schleier gesagt habe, in allen Klöstern als Verpflichtung auf! Sie können sagen — und es ist auch volle Wahrheit —, daß die unbeschuhten Karmelitinnen selbst darum gebeten hätten, obwohl sie ein so zurückgezogenes Leben führen...
Gott verhüte, mein Vater, das Unheil, das über diese Klöster kommen würde, wenn sie sich Ihrer Leitung beraubt sähen! Denn unsere Nonnen bedürfen gar sehr einer bis ins kleinste gehenden Leitung und eines Obern, der jede Angelegenheit im besondern zu beurteilen weiß. Sie sind Dienerinnen Gottes; Seine Majestät wird über sie wachen...
