201. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Ávila, Ende Oktober 1577
Widerruf des Fraters Michael und des Paters Balthasar. Feindseligkeiten der Beschuhten wegen der Wahl Theresias zur Priorin des Klosters zur Menschwerdung in Ávila.
Jesus sei allezeit mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Im verflossenen Monat sandte ich Ihnen durch einen Maultiertreiber von hier aus einen Brief, und dasselbe tat auch mein Bruder. Damals gab ich Ihnen Nachricht, daß sich unsere Angelegenheiten etwas stürmisch abgewickelt haben; Sie können das aus den Mitteilungen des Paters Gregor besser erkennen, als ich sie Ihnen zu schildern vermag. Jetzt steht es, Gott sei dafür gepriesen, wieder ganz gut und geht es von Tag zu Tag besser. Unser Vater befindet sich wohl und besitzt noch die Vollmachten als Kommissär. Ich wünschte freilich gar sehr, daß er mit diesen Leuten nichts mehr zu schaffen hätte; denn diese dichten ihm so vieles an, daß man es gar nicht beschreiben kann. Es ist nur gut, daß alles auf sie zurückfällt und sich zu unserem besten wendet.
Euere Ehrwürden werden schon wissen, daß Frater Michael und Pater Balthasar widerrufen haben. Frater Michael beschwört es selbst unter einem Eide, er habe von der Klageschrift wider uns nichts geschrieben und sei nur durch Gewalt und Drohung genötigt worden, sie zu unterschreiben. Dies und anderes bekräftigte er durch Zeugen vor einem Notar und vor dem allerheiligsten Sakramente. Der König ist zur Einsicht gekommen, daß alles nur Bosheit war, und so haben diese Leute, die uns verfolgen, nur sich selbst geschadet. Ich habe noch immer mein Kopfleiden; sagen Sie Ihren Schwestern, daß sie für mich beten sowie auch für jene Brüder, daß Gott sie erleuchte und sie ihre Seele retten.
Es diene Euerer Ehrwürden zur Kenntnis, daß im hiesigen Kloster zur Menschwerdung etwas vorgefallen ist, dergleichen man wohl nach meiner Ansicht sonst nirgends erlebt hat. Auf Befehl des Paters Tostado kam heute vor vierzehn Tagen der Provinzial der Beschuhten in dieses Kloster, um dort die Wahl vorzunehmen. Gleich anfangs drohte er mit Kirchenstrafen und Exkommunikation allen jenen, die mir ihre Stimme geben würden. Allein, dies alles kümmerte sie nicht; es war gerade, als hätte man zu ihnen kein Wort gesagt; 55 Nonnen gaben mir ihre Stimme. Bei jedem Stimmzettel, der auf mich fiel, exkommunizierte und verfluchte er die Nonne, die ihm denselben gab. Er schlug mit der Faust auf die Stimmzettel, zerknitterte und verbrannte sie dann. Diese Nonnen sind nun seit vierzehn Tagen exkommuniziert. Es ist ihnen verboten, eine Messe zu hören und in den Chor zu gehen, auch wenn dort das göttliche Offizium nicht verrichtet wird. Sie dürfen auch weder mit ihrem Beichtvater noch mit ihren eigenen Eltern reden. Noch sonderbarer ist, daß am Tage nach dieser Wahl, bei der Faustschläge ertönten, der Provinzial die Nonnen, die für mich stimmten, aufs neue zur Wahl berief. Diese aber erklärten, sie hätten mit einer neuen Wahl nichts zu schaffen, da sie ihre Stimmen schon abgegeben hätten. Als er dies vernommen, exkommunizierte er sie ein zweites Mal. Nun rief er jene zusammen, die mir ihre Stimmen nicht gegeben hatten — es waren ihrer 44 — , ließ sie eine neue Priorin wählen und sandte den Wahlakt zur Bestätigung an Tostado. Nun ist die Bestätigung eingetroffen; allein, die übrigen stehen fest und erklären, der neuen Priorin nur als Vikarin Gehorsam leisten zu wollen.
Die Theologen behaupten, jene Nonnen seien nicht in der Exkommunikation, da die Ordensmänner im Widerspruch mit dem Konzil gehandelt hätten, indem sie eine Nonne als Priorin aufstellten, die nur mit wenigen Stimmen gewählt worden war. Die Nonnen, die mich wählten, haben dem Tostado erklären lassen, daß sie mich als Priorin wünschten; allein, dieser weigerte sich, ihrem Wunsche zu willfahren. Ich könnte mich zwar, wie er sagte, ins Kloster der Menschwerdung zurückziehen, aber das Amt einer Priorin zu verwalten, könne er mir nicht gestatten. Ich weiß nicht, was dies noch für einen Ausgang nehmen wird.
Das ist das hauptsächlichste von den hiesigen Vorgängen. Alles wundert sieh über diesen Vorfall und nimmt Anstoß daran. Ich würde den Nonnen, die mich wählten, gerne verzeihen, wenn sie mich nur jetzt in Ruhe ließen. Denn in diesem Babel möchte ich nicht wohnen, zumal mit meiner schlechten Gesundheit, die in diesem Kloster immer am meisten gelitten hat. Gott lenke alles zu seiner größeren Verherrlichung und halte mich ferne von diesen Nonnen!
Theresia befindet sich wohl und empfiehlt sich Euerer Ehrwürden. Sie ist überaus liebenswürdig und sehr gewachsen. Bitten Sie Gott, daß er sie zu seiner [treuen] Dienerin mache!
Geben Sie mir Nachricht, ob die Witwe, wie ich es wünschte, schon in Ihr Kloster eingetreten und ob ihre Schwester wieder nach Indien zurückgekehrt ist. Ich möchte gerne mehreres mit Ihnen besprechen; es wäre dies für mich ein großer Trost. Aber ein andermal werde ich mehr Zeit haben und einen verlässigeren Boten finden als diesmal.
Die Doña Luise unterstützt uns sehr und erweist sich uns in jeder Hinsicht gefällig. Empfehlen Sie diese Gott sowie auch den Erzbischof von Toledo; vergessen Sie ja nie, für den König zu beten.
Anschrift: An die Mutter Priorin in Sevilla.
