141. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 19. November 1576
Angelegenheiten verschiedener Klöster und des Ordens, insbesondere den Habit und die Fußbekleidung der Nonnen betreffend.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Ihren Brief vom 3. November habe ich erhalten. Ich versichere Sie, daß mich Ihre Briefe durchaus nicht ermüden; sie bereiten mir im Gegenteil Erholung, wenn ich sonst ermüdet bin. Es gefällt mir, daß Sie jetzt auch das Datum auf Ihre Briefe setzen. Gott gebe, daß dies früher nicht deshalb unterlassen wurde, damit Sie vor Demütigung bewahrt bleiben wegen der schlecht geschriebenen Zahlen!
Um es nicht zu vergessen, bemerke ich gleich, daß mir der Brief für Pater Mariano sehr gefallen haben würde, wenn Sie darin Ihr Latein weggelassen hätten. Gott bewahre meine Töchter vor einer solchen Eitelkeit, daß sie sich als Kennerinnen des Lateins zeigen wollen! Dies soll bei Ihnen nie mehr vorkommen, und Sie dürfen es auch keiner anderen gestatten. Ich wünsche weit mehr, daß meine Töchter jene Einfalt an den Tag legten, die sich für Heilige geziemt, als daß sie sich so gewandt in der Rhetorik zeigten. Diesen Gewinn haben Sie also davon, daß Sie mir Ihre Briefe offen zusenden. Indessen werden Sie, da Sie unserem Vater gebeichtet haben, jetzt abgetöteter sein. Sagen Sie ihm, daß ich am anderen Tage bei dem Manne, von dem ich ihm geschrieben, eine Art Generalbeichte abgelegt und mir dies kaum den zwanzigsten Teil soviel Mühe gemacht habe wie damals, als ich bei ihm beichten sollte. Sehen Sie, welch garstige Versuchung!
Empfehlen Sie alle diesen meinen Beichtvater Gott! Ich bin bei ihm sehr befriedigt, und es ist gewiß nicht wenig nötig, mich zufriedenzustellen. Wie haben Sie doch so ganz recht getan, daß Sie den nicht [als Beichtvater] wählten, der mich so sehr gefoltert hat bei meiner Anwesenheit in Sevilla! Daß ich doch dort in gar keiner Weise eine Befriedigung finden konnte! Denn die Freude in der Gegenwart unseres Vaters war, wie Sie wissen, durch endlose Stürme getrübt. Euere Ehrwürden aber hätten mir Freude machen können, wenn Sie gewollt hätten. Jetzt aber freut es mich, daß Sie nicht gewollt und nun die Liebe erkennen, die ich zu Ihnen trug. Denn die Priorin von Caravaca — Gott verzeihe es ihr — bereut es jetzt auch, daß sie sich so gegen mich benommen hat. Eine solche Macht hat die Wahrheit. Heute hat sie mir einen Habit aus grobem Tuch gesendet, der mir bessere Dienste leistet als alle, die ich bisher getragen. Er ist sehr leicht und doch grob. Ich bin ihr sehr dankbar dafür; denn der andere war schon ganz abgenützt und schützte nicht mehr gegen die Kälte. Auch Hemden sandte sie mir, und das alles haben die Schwestern verfertigt. Doch trägt man hier den ganzen Sommer über keine Hemden; man denkt nicht viel daran, und es wird in diesem Kloster auch strenge gefastet. Jetzt bin ich daran, eine richtige Nonne zu werden; bitten Sie aber Gott, daß dies von Dauer sei!
Ich habe meinem Bruder mitteilen lassen, daß Sie ihm das Geld zur Verfügung stellen. Er wird es durch den Maultiertreiber von Ávila abholen lassen. Sie werden aber gut tun, wenn Sie es nicht ohne Quittung übergeben.
Erinnern Sie doch unseren Vater, daß er es sich angelegen sein lasse, sich mit dem Herzoge zu besprechen. Denn da er vielfach beschäftigt ist und ganz allein steht, weiß ich nicht, ob seine Kräfte ausreichen, wenn ihm Gott nicht wunderbarerweise beisteht. Mir ist es wohl nie in den Sinn gekommen, zu sagen, er möge nicht mehr bei den Schwestern im Sprechzimmer essen; denn ich weiß ja, daß er dessen sehr bedarf. Ich wollte, daß es, abgesehen vom Falle der Notwendigkeit, nicht oft geschehen sollte, damit es kein Aufsehen mache und man diese Erlaubnis nicht ganz zurücknehmen müsse. Die Schwestern erweisen mir im Gegenteil durch die Sorgfalt, womit sie Seine Paternität zu laben suchen, einen solchen Dienst, daß ich es ihnen gar nie vergelten kann. Sagen Sie dies den Schwestern; denn auch meine Gabriela hat mich, wie ich aus ihrem Briefe ersah, nicht recht verstanden. Empfehlen Sie mich besonders ihr, allen Nonnen und allen meinen Freunden! Schicken Sie auch einen herzlichen Gruß an Pater Anton von Jesu. Wir werden eifrig für ihn zu Gott beten, daß es mit der Heilung von seinem Übel, das mir und der Priorin recht zu Herzen gegangen ist, vorwärtsgehen möge. Dem Pater Gregor und dem Pater Bartholomäus wollen Sie mich gleichfalls empfehlen!
Die Mutter Priorin von Malagón ist jetzt noch schlimmer daran als bisher. Indessen habe ich doch noch einigen Trost, weil sie sagt, die Lunge sei nicht angegriffen, sie sei nicht schwindsüchtig, und weil auch Anna von der Mutter Gottes, Nonne dahier, behauptet, sie habe dieselbe Krankheit gehabt und sei doch wieder gesund geworden. Gott kann alles.
Ich weiß nicht, was ich zu den großen Prüfungen sagen soll, womit Gott dieses Kloster zu Malagón heimgesucht hat; denn außer anderen Leiden befinden sie sich auch in großer Not. Sie haben weder Getreide noch Geld, sondern nur eine ganze Welt von Schulden. Unser Vater hat befohlen, daß man ihnen die vierhundert Dukaten, die ihnen das Kloster in Salamanka schuldig ist, zurückgeben soll. Gott gebe, daß dies hinreiche, damit sie von ihrer Not befreit werden! Ich habe schon jemand geschickt, der wenigstens einen Teil dieses Geldes in Empfang nimmt. Denn die Ausgaben in Malagón waren zahlreich und verschiedenartig. Darum wünschte ich, daß die Priorinnen in jenen Klöstern die bestimmtes Einkommen haben, und auch jene in armen Klöstern nicht zu freigebig seien; denn sonst bringt man es bald dahin, daß alles zugrundegeht.
Die arme Schwester Beatrix hatte die ganze Last zu tragen. Sie allein blieb gesund, und ihr obliegt die ganze Sorge für das Haus. Die Mutter Priorin hat sie, wie man sagt, in Ermangelung einer passenderen damit betraut.
Es freut mich sehr, daß die Schwestern in Sevilla keine Not zu leiden haben. Seien Sie nur nicht so ungeschickt, die Portoausgaben zu bestreiten und etwas anderes, als was ich Ihnen gesagt habe, auf eigene Rechnung zu schreiben. Es wäre das ein Verlust für Sie und eine Torheit.
Es macht mir Sorge, daß Fr. Andreas der Begleiter unseres Vaters ist; denn ich fürchte, daß er nicht zu schweigen weiß. Noch mehr bin ich darüber besorgt, daß unser Vater bei den Beschuhten speist. Um der Liebe Gottes willen bitte ich Sie, machen Sie ihn doch immer darauf aufmerksam und sagen Sie ihm, er möge in das Kloster de los Remedios gehen, wenn er seine Geschäfte beendigt hat. Denn es sieht das gerade so aus, als wollte man Gott versuchen. Ich habe noch viele Briefe zu schreiben [und muß darum schließen]. Die göttliche Majestät erhalte Sie mir und mache Sie alle heilig!
Heute ist der 19. November.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Wenden Sie das Blatt um!
Die Briefe, die aus Indien und Ávila kamen, habe ich, wie ich Ihnen schon mitteilte, erhalten. Ich möchte gerne erfahren, wer Ihnen diese überbracht hat und wann die Flotte wieder abgeht, damit ich Antwort zurücksenden kann.
Ich freue mich, daß die Schwestern sich so leicht in die Armut fügen können und daß mein Gott in solcher Weise für sie Sorge trägt. Er sei immerdar gepriesen! Sie haben sehr vernünftig gehandelt, daß Sie die Tuniken unserem Vater gaben; denn ich habe sie nicht nötig. Was uns allen mehr not tut, ist dieses, daß Sie unseren Vater nicht mehr bei diesen Leuten essen lassen, und daß Seine Paternität in dieser Hinsicht vorsichtig sei; denn Gott erweist uns eine besondere Gnade, daß er ihn inmitten so vieler Arbeiten gesund erhält.
Die Verbindung von Flachs und Wolle bei einem Gewebe mißbillige ich; denn dies hieße der Nichtbeachtung der Konstitutionen Tür und Tor öffnen. Lieber ist es mir, wenn man sich im Falle der Not reiner Leinwand bedient, da dies in einem solchen Falle die Satzungen erlauben. Dieses Mischgewebe würde fast ebenso warm sein wie Wollenzeug, und man hätte doch weder Wollenzeug noch die ausnahmsweise gestattete Leinwand. Man bleibe also bei dem Bisherigen! Was die Anfrage betrifft, ob die Strümpfe aus Werg oder aus grobem Wollenzeug sein sollen, so war dies nie gebräuchlich und ist mir auch zuwider. Reden Sie einmal darüber mit unserem Vater, damit [in den Satzungen] da, wo von den Strümpfen die Rede ist, nicht mehr der Stoff bezeichnet werde, aus dem sie sein sollen, sondern daß nur gesagt werde: Strümpfe, die sich für Arme schicken, oder was besser ist, einfach nur: Strümpfe, ohne jede weitere Bezeichnung des Stoffes. Vergessen Sie es nicht und schreiben Sie mir darüber!
Halten Sie unseren Vater von der Visitation der Provinz zurück, solange Sie können, bis man sieht, welchen Ausgang gewisse Angelegenheiten nehmen werden. Sehen Sie nicht, welche Freude der Brief unseres Vaters der kleinen Theresia bereitet hat? Die Schwestern [in Ávila] können ihr und ihrer Tugend gar nicht genug Lob spenden. Julian berichtet Staunenswertes von ihr, und dies will viel sagen. Lesen Sie den Brief, den meine Elisabeth an unseren Vater schreibt.
Anschrift: An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla.
