355. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá de Henares
Palencia, am 21. Februar 1581
Bemerkungen, die im bevorstehenden Kapitel berücksichtigt werden sollten. Allgemeiner Wunsch der Karmelitinnen, Pater Hieronymus möchte zum Provinzial erwählt werden.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Ihren Brief, den Sie mir von Alcalá aus geschrieben, habe ich erhalten, und es hat mich alles, was Sie mir darin berichten, insbesondere die Nachricht über Ihren guten Gesundheitszustand, recht gefreut. Gott sei dafür gepriesen, der mir diese große Gnade erweist, nachdem Sie so beschwerliche Reisen gemacht und so viele Mühseligkeiten auf sich genommen haben! Was mich betrifft, so befinde ich mich wohl. Ich habe Ihnen auf zwei verschiedenen Wegen meine Briefe zugesendet und Ihnen meine Berichte überbringen lassen, gleich als ob ich eine Person von Bedeutung wäre. Ich habe vergessen, Sie auf einen Punkt aufmerksam zu machen, von dem ich in dem beiliegenden Brief an den Pater Kommissär geschrieben. Lesen Euere Paternität den Brief, den ich Ihnen offen schicke, damit ich mir die Ermüdung durch nochmaliges Schreiben erspare. Versiegeln Sie ihn hernach mit einem Siegel, der dem meinigen ähnlich ist, und übergeben Sie ihn dem Kommissär!
Die Priorin von Segovia hat mich auf die unseren Nonnen zugestandene Freiheit, auch andere Patres als die unsrigen zum Predigen einladen zu dürfen, aufmerksam gemacht; ich habe dies als etwas Selbstverständliches empfunden und daraufhin auch diese Freiheit bestehen lassen. Aber wir müssen, mein Vater, nicht bloß auf die jetzt lebenden Oberen Rücksicht nehmen, sondern auch daran denken, daß Obere kommen können, die gegen diese Freiheit und auch gegen andere Gewohnheiten Widerspruch erheben können. Erweisen uns darum Euere Paternität die Liebe, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß dieser Punkt und auch jene anderen Gegenstände, von denen ich Ihnen vor kurzem schrieb, dem Pater Kommissär recht klar und deutlich dargelegt werden; denn wenn er uns diese Freiheit nehmen würde, müßten wir uns nach Rom wenden. Nach meinem Dafürhalten trägt sie nämlich zum Troste dieser Seelen sehr viel bei. Es bleiben ihnen dadurch gar viele Betrübnisse erspart, die über die Nonnen anderer Klöster kommen, weil sie in bezug auf das geistliche Leben allzusehr eingeschränkt sind. Eine derart gebundene Seele kann nie Gott so recht von Herzen dienen, und der böse Feind versucht sie gerade in dieser Beziehung. Haben dagegen die Nonnen diese Freiheit, so kümmern sie sich oftmals gar nicht darum und haben auch kein Verlangen darnach.
Wenn der Pater Kommissär die Vollmacht hat, die Satzungen zu verbessern und ihnen entsprechende Bestimmungen beizufügen, so wäre es mein Wunsch, daß man das wegnähme und hinzusetzte, was wir eben jetzt verlangen. Allein niemand wird diese Arbeit übernehmen, wenn nicht Euere Paternität und Pater Nikolaus sich die Sache angelegen sein lassen. Es ist, wie Sie sagen und wie ich Ihnen in meinem Briefe mitgeteilt zu haben glaube, nicht notwendig, die anderen Patres in die Angelegenheiten einzuweihen, die uns Karmelitinnen betreffen. Auch Pater Fernández hat ihnen nie davon ein Wort gesagt. Die Verordnungen, die er festsetzte, wurden stets zwischen ihm und mir besprochen; er entschied nie etwas, ohne mir davon Mitteilung zu machen; ich muß ihm hierin Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Wenn man die Vollmacht hat, neue Verordnungen den Satzungen beizufügen oder einige zu beseitigen, so sehen Sie darauf, daß man nicht ausdrücklich bestimmt, die Strümpfe müßten aus Werg oder aus grobwollenem Tuche sein, sondern daß man nur erkläre, die Nonnen könnten Strümpfe tragen. Denn sonst nehmen die Skrupel kein Ende. Statt »Kopfbedeckung von Hanf« sage man »Kopfbedeckung von Leinwand«. Wenn Sie es für gut halten, kann auch die Verordnung des Paters Petrus Fernández wegbleiben, die verbietet, an den Fasttagen Eier und zur Kollation Brot zu genießen. Ich konnte ihn nie bestimmen, diese zwei Punkte wegzulassen, und doch wäre es genug, sich hierin an das Gebot der Kirche zu halten, ohne eine weitere Verpflichtung auf sich zu nehmen; sonst verursacht man den Nonnen nur Skrupel und schadet dadurch ihrer Gesundheit, da einige leicht meinen könnten, sie bedürften dessen nicht, was ihnen doch sehr notwendig wäre.
Man hat uns mitgeteilt, daß das Generalkapitel jüngst mehrere Verordnungen bezüglich des Chorgebets erlassen und neu eingeführt habe, zweimal in der Woche das FerialOffizium zu beten. Wenn Sie es für gut finden, so könnte man erklären, daß wir zu so vielen Änderungen nicht gehalten seien, sondern unser Chorgebet wie bisher zu verrichten hätten.
Bedenken Euere Paternität auch die vielen Unannehmlichkeiten, die für die unbeschuhten Karmeliten daraus entstehen, daß sie [auf ihren Reisen] immer in den Klöstern des Ordens Wohnung nehmen müssen, wenn es in den betreffenden Orten solche gibt. Vielleicht könnte diese Verordnung so gegeben werden, daß die Unbeschuhten nicht in die Klöster der Beschuhten zu gehen verpflichtet seien, wenn sie ein Haus finden, in dem sie, ohne Anstoß zu nehmen, bleiben können.
Nach unseren Satzungen sollten die Nonnen vom Almosen leben und kein bestimmtes Einkommen haben. Da ich nun sehe, daß alle unsere Klöster darauf hinarbeiten, ein bestimmtes Einkommen zu erhalten, so erwägen Sie, ob es nicht gut wäre, diese Bestimmung und alles, was darauf Bezug hat, zu streichen, damit jene, die davon Einsicht nehmen, nicht die Ansicht gewinnen, wir seien schon in kurzer Zeit der Lauheit verfallen. Der Pater Kommissär könnte auch noch erklären, er erlaube den Nonnen, ein bestimmtes Einkommen zu haben, da das Konzil von Trient dies gestatte.
Es wäre auch mein Wunsch, daß diese Satzungen gedruckt würden, da die verschiedenen Abschriften voneinander abweichen, und manche Priorin läßt beim Abschreiben etwas weg oder fügt etwas hinzu, was sie für gut hält, ohne zu bedenken, daß daran etwas gelegen ist. Man sollte eine strenge Vorschrift erlassen, daß niemand das Recht habe, etwas davon zu beseitigen oder hinzuzufügen, damit die Nonnen wissen, wozu sie verpflichtet sind.
Euere Paternität werden in diesen kleinen Punkten, ich meine in all dem, was sich auf uns Nonnen bezieht, das tun, was Sie für gut halten. Auch Pater Nikolaus soll über dies alles sein Urteil abgeben; dann hat es nicht den Anschein, als ob Sie allein sich mit dieser Arbeit befaßten. Auch Pater Johannes von Jesu wird sich, wie ich glaube, in Liebe um das annehmen, was sich auf uns bezieht. Ich möchte mich gerne noch länger mit Ihnen unterhalten, allein es ist fast schon Nacht, und man wird die Briefe abholen. Auch muß ich noch an unsere Freunde schreiben.
Ich war wirklich gerührt, als Sie mich fragten, was mit den unbeschuhten Nonnen geschehen soll. Sie wenigstens werden ihr wahrer Vater sein und auch von ihnen gewiß als solcher angesehen. Würden Sie immer am Leben bleiben und würden die Nonnen keinen anderen Obern bekommen als Sie, so könnte gewiß manches von dem, was wir jetzt in die Satzungen aufgenommen wissen wollen, weggelassen werden. O wie sehnlich wünschen diese Nonnen, daß Sie zum Provinzial erwählt werden! Es ist, wie ich glaube, sonst nichts imstande, sie zu befriedigen. Gott erhalte Sie uns! Alle Schwestern empfehlen sich Ihnen.
Heute ist der 21. Februar.
Ich bin Euerer Paternität wahre Tochter
Theresia von Jesu
Ich lege hier die Berichte bei, die man mir überbracht hat. Sobald ich die anderen erhalte, werde ich sie Ihnen zusenden. Ich weiß nicht, ob sie jetzt gut sind; aber es war notwendig, daß sie, wie Sie angeordnet hatten, mir zur Einsicht vorgelegt wurden. Gott behüte Sie!
Nur der Bericht Ihrer Freundin Elisabeth vom heiligen Dominikus war ganz entsprechend; er liegt unverändert bei.
