379. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Valladolid
Soria, am 14. Juli 1581
Berufung der Doña Helena de Quiroga. Verzögerung der Gründung von Burgos. Projekt der Gründung in Madrid. Reise nach Rom, um dem General die ehrfurchtsvolle Ergebenheit zu bekunden. Angelegenheit ihrer Nichte Beatrix.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Ich erhielt von Ihnen einen Brief, der vom Feste des heiligen Johannes datiert war, und einen zweiten, der mit jenem des Paters Nikolaus ankam. Ein dritter, der, wie Sie sagen, sehr ausführlich sein soll, ist nicht angekommen. Waren auch die zwei anderen kurz gefaßt, so bereiteten sie mir doch keine geringe Freude, da ich so besorgt um Sie war und so gerne Nachricht über Ihr Befinden erfahren wollte. Möge unser Herr Ihnen die Gesundheit erhalten, da er alles vermag!
Ich habe Ihnen mehrere Briefe geschrieben; in einem von ihnen bat ich, der Doña Helena die Erlaubnis zum Eintritt in unseren Orden nicht zu geben. Es wäre mir unlieb, wenn dieser verlorengegangen wäre. Eben sagt man mir, daß der gegenwärtige Bote ganz zuverlässig sei. Er begibt sich nach Valladolid, wo Sie Ihren Mitteilungen zufolge sich setzt wohl befinden werden. Weil das Kloster zum heiligen Alexius so nahe bei dieser Stadt liegt, so hielt ich es für gut, auch die beiliegenden Briefe von Toledo mitzugeben, damit Sie daraus ersehen, wie sehr der Erzbischof gegen uns aufgebracht ist. Meines Erachtens dürfen wir ihm keinerlei Anlaß geben, daß er uns feindselig gesinnt wird. Abgesehen davon, kann ich nie vom Eintritt der Doña Helena in unseren Orden reden hören, ohne ein großes Widerstreben dagegen in mir zu fühlen. Denn da Mutter und Tochter sowie viele andere Verwandte von ihr in Toledo wohnen, so fürchte ich, diese Dame werde, soweit ich sie bisher kenne, die Schwestern in große Unruhe versetzen und wenig zufrieden werden. Darum habe ich, bevor ich mit dem Erzbischof selbst sprechen wollte, den Pater Balthasar Alvarez gebeten, er möchte ihren Eintritt verhindern, was er mir auch versprochen hat; er war derselben Ansicht wie ich und kennt überdies Doña Helena gut. Daraus können Sie entnehmen, inwiefern mein Verfahren einer Überredung dieser Dame glich. Ich habe dem Kardinal geschrieben, daß ich Euere Hochwürden davon in Kenntnis setzen werde; er möge sich beruhigen, da seine Nichte nicht aufgenommen werde; und sollte es doch anders gehen, so würde
mir dies sehr leid tun. Sie wissen schon, daß das, was ich Ihnen in diesem Briefe anvertraue, geheim zu halten ist. Denn es soll niemand erfahren, daß wir nicht des Kardinals wegen seine Nichte abweisen, sondern weil die Aufnahme weder für sie noch für ihre Kinder gut ist, was auch der Wahrheit entspricht. Wir haben mit solchen Witwen schon Erfahrung genug gemacht.
Um es nicht zu vergessen, bemerke ich gleich hier, daß ich fürchte, es werde der Druck unserer Satzungen nicht mehr vollendet werden. Seien doch Euere Hochwürden um der Liebe willen in dieser Hinsicht nicht sorglos und bedenken Sie, daß viel daran gelegen ist. Man hätte bis jetzt schon ein großes Geschichtswerk drucken können.
Sprechen wir nun von der Gründung in Burgos! Ich lege Ihnen hier die Antwort bei, die ich erhalten habe. Ich wundere mich, wie es Leute gibt, die meinen, ich sollte mich ohne weitere Umstände nach Burgos begeben. Ich habe nun dem Bischof [von Palencia] geantwortet, Euere Hochwürden hätten mir in Anbetracht meiner Kränklichkeit verboten, dorthin zu gehen, wenn ich während des Winters dort bleiben müßte; Sie haben mir auch in der Tat einmal so geschrieben. Den guten Willen des Erzbischofs setzte ich in keiner Weise in Zweifel, damit ja das gute Einvernehmen zwischen ihm und dem Bischof von Palencia nicht gestört werde. Ich befürchte, ihm einen Verdruß zu bereiten, wenn die Stadt, die sich um mich wohl wenig kümmern würde, ihre Einwilligung zur Gründung nicht geben werde, weswegen ich die Sache auf sich beruhen lassen wollte, bis sich die Stadt bestimmt darüber ausgesprochen hätte. Für diese Stiftung scheint die Stunde noch nicht gekommen zu sein. Die von Pater Balthasar vorgeschlagene Stiftung wird allem Anscheine nach noch früher sich verwirklichen lassen. So geht es in der Welt.
Gegenwärtig ist es uns hauptsächlich darum zu tun, die Stiftung in Madrid ins Werk zu setzen. Sieht der Erzbischof von Toledo, daß wir seinem Willen gemäß handeln, so wird er nach meinem Dafürhalten die Erlaubnis dazu bald geben. Der Bischof von hier versicherte mir, er werde, wenn er sich im September nach Toledo begebe, die Erlaubnis erwirken.
Unter Gottes Beistand werde ich bis Mitte August mit der hiesigen Stiftung zu Ende kommen. Da ich dann hier nichts mehr zu tun habe, werde ich nach Mariä Himmelfahrt, falls Euere Hochwürden es für gut halten, nach Ávila zurückkehren, wo sich, wie mir scheint, die Schwestern nicht offen mit Pater Nikolaus ausgesprochen haben. Ein großer Trost wäre es aber für mich, wenn ich dort, außer im Falle großer Not, das Amt einer Priorin nicht mehr übernehmen müßte; denn ich tauge nicht mehr dazu. Es gibt in dieser Stellung mehr zu tun, als meine Kräfte vermögen, und ich wäre beständig in Unruhe. Würde Pater Gregor von Nazianz dort bleiben, so genügte, wie ich Euerer Hochwürden schon geschrieben habe, die gegenwärtige Priorin, da man dort keine andere hat. Doch wenn ich sage, sie genügte, so glaube ich die Unwahrheit zu sprechen; denn für die Leitung der inneren Angelegenheiten hat sie durchaus keine Befähigung. Euere Hochwürden werden dort selber sehen, was in dieser Beziehung das beste ist. Ich bin um dieses Kloster so bekümmert, daß mir keine Beschwerde als zu groß erscheinen würde, um es wieder zur Vollkommenheit zurückzuführen. Vielleicht wäre es doch von Nutzen, wenn ich so lange in Ávila bliebe, bis Gott die Angelegenheit betreffs der Stiftung in Madrid geordnet hat. Freilich wird es meine Natur schmerzlich empfinden, an einem Orte zu verweilen, wo ich meine Freunde und meinen Bruder nicht mehr finde und wo ich mich, was noch schlimmer ist, inmitten jener sehe, die mir geblieben sind.
Was die Reise nach Rom betrifft, so halte ich sie für sehr notwendig. Überdies haben wir nichts zu fürchten, wenn wir dem General den Gehorsam leisten. Sie werden dazu wohl Ordensmänner auserwählen, deren Gegenwart hier nicht so dringend notwendig ist. Den Pater Nikolaus würden Euere Hochwürden sehr vermissen, wenn er auch ganz der Mann dazu wäre, um alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wenn der General unseren Gehorsam sieht und wir ihm von Zeit zu Zeit unsere Ergebenheit bekunden, so wird er meines Erachtens den Schwierigkeiten, die in der Zukunft entstehen können, kein Gewicht beilegen. Letzteres ist aber von großer Bedeutung, damit der General sieht, daß die Unbeschuhten seine Untergebenen sind, und damit diese wissen, daß er ihr Oberer ist. Wir dürfen nicht mehr so handeln wie früher; auch darf kein so großer Aufwand mehr für die Reise gemacht werden, da dies eine große Last für die Klöster wäre.
Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, wie sehr mich das Abkommen bezüglich der Kapelle erfreut hat; es ist dies wirklich vortrefflich. Gott sei Dank, daß der Aufschub so viel genützt hat.
Diese Tochter der Flamländerin wird uns, wie ich befürchte, ihr ganzes Leben lang viel zu schaffen machen, ebenso wie ihre Mutter. Gott gebe, daß es nicht noch schlimmer werde! Glauben Sie es mir, ich fürchte eine mißvergnügte Nonne mehr als eine Menge böser Geister. Gott verzeihe jener, die sie wieder aufgenommen hat! Geben Euere Hochwürden ja nicht die Erlaubnis zu ihrer Profeß, bis ich, so Gott will, nach Ávila komme! Dem Pater (Nikolaus) schreibe ich, er möge mir Nachricht geben, ob sich dort Gelegenheit finde, nach Ávila zu kommen; denn hier finde ich wenig. Gott wolle alles so leiten, wie es zu seiner größeren Ehre gereicht!
Gott gebe, daß Sie etwas erreichen könnten bezüglich der Angelegenheit der Beatrix, die mir schon seit langer Zeit schweren Kummer macht! Ich schrieb an sie und an ihre Mutter mehrere Briefe, die auf sie einen Eindruck hätten machen können, da ich in sehr ernsten Worten zu ihnen sprach. Wenn sie auch keine Schuld hatten, so stellte ich ihnen doch die Gefahren vor Augen, denen sie sich vor Gott und vor der Welt aussetzten. In meinen Augen sind sie nicht ohne Schuld; allein die Eltern haben nach meinem Dafürhalten eine größere Schuld, da sie es so weit kommen ließen, daß die Tochter ihnen gebietet. Es ist dies eine schlimme Sache, und ich bin überzeugt, daß das Übel möglicherweise sich noch vergrößert, wenn man die Gelegenheit nicht gänzlich entfernt. Die Verletzung der Ehre ist sehr groß, ja ich halte diese für verloren. Ich will mich damit noch trösten, obwohl es mir schwerfällt; aber wenn nur nicht die Seelen verlorengingen! Da nun die Eltern und die Tochter so hilflos sind, weiß ich hier keinen Rat, um sie aus dieser Lage zu befreien. Gott möge hier Hilfe schaffen und Euerer Hochwürden die Gnade verleihen, daß Sie einen Ausweg finden. Ich weiß keinen anderen Rat, als die Nichte in ein Kloster zu bringen, sehe aber nicht ein, wie sich dies in Anbetracht des geringen Vermögens ihrer Eltern verwirklichen lassen könnte. Es wäre ein großes Glück für sie, wenn sie in Ávila sein könnte. Ich bitte Euere Hochwürden, mir zu schreiben, was beschlossen worden ist, und ob Sie der Ansicht sind, daß ich mich gleich von hier aus nach Ávila begebe. Da es in dieser Gegend nur selten Botengelegenheit gibt und Euere Hochwürden sich kurz fassen, so ist es notwendig, daß Sie Ihren Brief zur rechten Zeit absenden. Gott erhalte Sie und verleihe Ihnen jene Heiligkeit, um die ich ihn für Sie bitte! Amen, Amen.
Heute ist der 14. Juli.
Der Bischof ist vor zehn Tagen abgereist, ohne eine Synode abzuhalten. Die Stifterin hat mir viele Grüße an Sie aufgetragen. Nehmen Sie diese sowie auch die Grüße aller Schwestern als empfangen an. Ich bin ermüdet, aber meine Gesundheit ist gut.
Eurerer Hochwürden unwürdige Dienerin und Untergebene (wie gerne nenne ich mich so!)
Theresia von Jesu
Wenn Pater Nikolaus abwesend ist, so wollen Sie, bitte, von dem beiliegenden Briefe, der an ihn gerichtet ist, Einsicht nehmen!
Anschrift: An unseren Vater, Provinzial der unbeschuhten Karmeliten in Valladolid.
