257. Brief — An Rochus de Huerta in Madrid
Ávila, am 24. Oktober 1578
Mißbilligung des Kapitels zu Almodóvar. Verschiedene Anweisungen zum Verhalten nach demselben.
Jesus sei allezeit mit Ihnen!
Den Brief, den Sie am Tage des heiligen Lukas geschrieben, habe ich erhalten. Sie zeigen mir jedoch nicht an, ob Sie das Bittgesuch, das ich Ihnen zurückgesandt, erhalten haben, und ich bin deshalb in großer Sorge. Denn jener Brief, den Sie an mich geschickt haben, um sowohl vom Pater General als auch vom Visitator Pater Petrus Fernández aus dem Dominikanerorden und von Pater Angelus die erforderliche Erlaubnis zu erhalten, ist zwar von hier abgegangen, allein er scheint in die Hände des Bischofs von Osma gekommen zu sein. Es wäre unangenehm, wenn dieser Brief mit meinen anderen verlorengegangen wäre. Ich bitte Sie deshalb, mir darüber Nachricht geben zu wollen. Jetzt bin ich wenigstens nicht mehr so in Sorge, Sie möchten im Gewissen beängstigt sein, in dieser Angelegenheit eine Schuld begangen oder Anlaß dazu gegeben zu haben.
Das Kapitel war durch ein Zirkular auf den 9. dieses Monats zusammenberufen worden. In diesem Schreiben, das ich selbst gelesen habe, heißt es, die Konstitutionen befehlen, acht zu haben, daß sich keiner, sei es im Großen oder auch nur im Kleinen, einer Übertretung oder Beleidigung Gottes schuldig mache. Auch bezüglich des Klosters zur heiligen Anna ist ein Verbot ergangen, das zugleich den Befehl enthielt, zu warten, bis nach Beendigung der Visitation die Ruhe in der Provinz wiederhergestellt sei.
Pater Anton von Jesu hat mir geschrieben, er habe gelehrte Männer um Rat befragt, und diese hätten ihm gesagt, er sei im Gewissen verpflichtet. Ich antworte ihm darauf, er könne tun, was er wolle, wenn Gott dadurch wirklich nicht beleidigt werde...
Der Erzbischof von Sevilla, dem wir billigerweise gehorchen müssen, beharrt fest auf seiner Aussage, daß er nicht anders gehandelt habe. Er hat in Wahrheit bei der ganzen Sache keinen Grund, sich über jene zu beklagen, die nur Gott zu gefallen und Gott zu dienen verlangten. Darum scheint es in Anbetracht der Zeugnisse und Berichte, die zu ihren Gunsten sprechen, sowie auch in Anbetracht der Personen am geratensten zu sein, sich mit jenem in keine Unterhandlungen einzulassen, sondern zu schweigen, bis sie sehen, was am besten ist. … O diese bedauernswerten Väter, die ihr Oberer zum Kapitel berufen hat! Dieser ist die einzige Ursache ihrer Gefangenschaft. Dem Pater Anton wurde oft genug geschrieben, er möge doch jetzt kein Kapitel zusammenrufen. Nunmehr bitte ich diese unglücklichen Väter um Gottes willen, sich ruhig zu verhalten, die Zeit abzuwarten und nicht voreilig in dieser Angelegenheit zu Werke zu gehen. Sie haben in Wahrheit dem Nuntius, der schon von Anfang an durch die Beschuhten mit Widerwillen gegen sie erfüllt wurde, allen Anlaß zur Erbitterung gegeben.
Glauben Sie es mir, dieses Kapitel, das ich niemals billigen konnte, mißfällt mir sehr. Daraus ersehen Sie, daß ich zu dieser Sache nichts beigetragen habe, und wie richtig jene geurteilt hatten, die die Sache besser erwogen hatten als ich.
Um der Liebe unseres Herrn willen bitte ich Sie, alles, was in Ihren Kräften steht, aufzubieten, daß ja keine solche Versammlung mehr stattfinde, bevor man die Sache nicht nach Rom berichtet hat. Es würde mich überaus schmerzen, wenn dies ohne Erlaubnis unseres Pater Generals und der übrigen Väter, die sich dort befinden, geschähe. Schicken Sie mir diese Erlaubnis gleich, wenn sie eingetroffen ist! Unserem Vater und dem Pater Anton habe ich geschrieben, einstweilen Geduld zu haben, bis Gott Hilfe schafft.
Halten Sie dies für eine Fügung Gottes, der will, daß seine Diener in der Geduld geprüft werden, und der auch Sie prüfen will, ob Sie nicht aus Verzagtheit ablassen, dafür Sorge zu tragen, was den Dienst Seiner Majestät betrifft. Vielleicht können Sie es dahin bringen, daß Pater Anton, der freilich alt und krank ist und dessen Hilfe und Anwesenheit unser Vater nur schwer entbehren kann, sich sogleich von Madrid entfernt, damit er nicht, wenn etwa der Nuntius nach den aus Andalusien ihm zugesandten Berichten ein Verhör anstellen sollte, in Ermangelung von Gegenbeweisen unterliege; denn dadurch könnte die Sache noch ärger werden. Es ist dies, wie Sie wohl selbst einsehen, eine Sache von höchster Wichtigkeit.
Ich lege hier einen Brief an Pater Didakus Chaves bei und ebenso die Verordnungen des Kapitels, die der, von dem gleichfalls ein Brief beiliegt, abgeschrieben und mir übergeben hat. Es darf aber diese Verordnungen niemand lesen außer Sie und Pater Mariano, der daran Interesse hat. Nachher soll sie Pater Chaves dem König verlegen, oder wenn er es für ratsamer hält, soll Pater Mariano selbst dem König über alles Bericht erstatten. Dabei soll er sowohl die Sache als auch die Personen entschuldigen und ihm darlegen, daß er wegen des bekanntgegebenen und streng abgefaßten Ediktes mit aller Sorgfalt darauf bedacht gewesen sei, bei der ganzen Handlung keine Beleidigung Gottes zuzulassen. Pater Anton habe zwar nicht ganz recht gehandelt, allein es sei nicht vorsätzlich und auch nicht in böser Absicht geschehen. Ich weiß, daß dies gewiß ist, und darum wünschte ich, daß Sie und mit Ihnen auch die anderen in ihrer Aussage festblieben. Denn wenn Sie nicht mit uns und wenn wir nicht miteinander übereinstimmen, so wird uns daraus ein großes Übel erwachsen; und was andere von Ihnen Schlimmes denken werden, das wird auch Pater Mariano denken müssen. Ich habe jetzt keine Zeit mehr, diesem zu schreiben. Besser ist es, daß er, da nun einmal die anderen seinem Rate nicht haben folgen wollen, in aller Liebe annimmt, er habe keinen Grund, über sie zu zürnen. Dergleichen Widerwärtigkeiten kommen im menschlichen Leben gar viele vor. Ich … daß Pater Anton ganz niedergeschlagen sei …
Es war bereits geschehen... Dem Grafen sind wir zu großem
Dank verpflichtet. Er stimmt mich zum Lobe Gottes. Darum empfehlen wir ihn auch allezeit der göttlichen Majestät. Möge Gott ihn sowie auch Sie erhalten! Ich bitte Sie, von Ihren Bemühungen nicht abzulassen; denn nur wenige sind einer solchen Aufgabe gewachsen. Es ist nun genug geschehen, wenn Sie es nur noch durchsehen, daß Pater Anton, Pater Mariano und Pater Johannes von Jesu in Freiheit gesetzt werden. Der Herr sei mit Ihnen! Ängstigen Sie sich nicht weiter; denn Gott weiß aus Bösem Gutes hervorgehen zu lassen, und zwar ein um so größeres Gut, wenn man sich sorgfältig hütet, ihn irgendwie zu beleidigen.
Heute ist der 24. Oktober 1578.
Ihre unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Den dortigen Damen empfehle ich mich vielmals. In Ávila geht das Gerücht, daß der Papst gestorben sei. Hier weiß man jedoch nichts davon; es wird wohl nicht wahr sein. Übergeben Sie, bitte, diesen Brief unserem Vater und setzen Sie ihn über den ganzen Stand der Dinge in Kenntnis; aber geben Sie ja acht, daß dieser Brief sicher in seine Hände kommt! Suchen Sie auch den beiliegenden, an Pater Chaves gerichteten Brief wieder zu erhalten, damit auch Sie ihn lesen können! Pater Chaves wird Sie hinreichend aufklären und Ihnen von allen Leiden, die wir erdulden, berichten können. Vergessen Sie nicht, dem Pater Mariano von dem, was ihn angeht, Mitteilung zu machen! Wegen Mangel an Raum muß ich diesen Brief schließen …
