178. Brief — An Pater Ambrosius Mariano in Madrid
Toledo, am 15. März 1577
Verhaltungsmaßregeln für seinen Aufenthalt in Madrid.
Jesus sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Ich kann mir nicht denken, warum Sie mir durch den Fuhrmann keinen Brief sandten und mir nicht anzeigten, ob Sie die Antwort des Königlichen Ratskollegiums erhalten haben, die ich Ihnen am vorigen Donnerstag zuschickte. Ich möchte gerne erfahren, wie es Ihnen in Madrid ergeht, da Sie nicht bei den beschuhten Karmeliten wohnen. Weil der Nuntius, wie Sie wissen, so sehr darauf besteht, so dürfen Sie ihn durchaus nicht beleidigen; dies darf von uns in keiner Weise geschehen. Es wäre mein innigster Wunsch, mit Euerer Hochwürden reden zu können; denn es gibt Dinge, die man wohl besprechen, aber nicht schreiben kann.
Bisher war, wie es scheint, Ihr Aufenthalt in Madrid durch die Erwartung, dort ein Kloster zu erhalten, gerechtfertigt. Allein jetzt noch länger, und zwar mit vier unbeschuhten Karmeliten daselbst zu verweilen, das wird niemand für gut halten; glauben Sie mir das, mein Vater! Dies wird nicht nur bei den beschuhten Vätern, auf die man übrigens nicht zu achten hat, großes Aufsehen machen, sondern auch bei allen Einwohnern. Mein Wunsch wäre es, jeden Verdacht zu vermeiden, der nur im geringsten ein schiefes Licht auf uns werfen könnte. Wenn der Marquis Ihnen sagt, den Nuntius würde es nicht verdrießen, so achten sie nicht darauf!
Auch bitte ich Euere Hochwürden, doch recht vorsichtig zu sein in Ihren Reden, wenn Sie sich über einen gewissen Jemand zu beklagen haben. Ich fürchte nämlich, Sie könnten bei ihrer allzu großen Offenheit nicht darauf achten. Gott gebe, daß Ihre Worte den beschuhten Karmeliten nicht zu Ohren gekommen sind! Bedenken Sie, daß alle Teufel sich gegen uns erheben und wir nur von Gott allein Schutz erwarten dürfen. Unsere Aufgabe ist es, zu gleicher Zeit gehorsam zu sein und zu leiden; alles andere nimmt er in seine Hand.
Es wäre nach meiner Ansicht sehr klug, wenn Euere Hochwürden und die übrigen Patres gleich nach dem Passionssonntage Madrid verlassen und nach Pastrana oder nach Alcalá sich begeben würden. Diese Zeit ist zu Unterhandlungen nicht geeignet, und wenn unsere Angelegenheiten auch dringend sind, so genügt uns der Herr Lizentiat Padilla, der sich immer unser angenommen hat. Es schickt sich nicht, daß sich Ordensleute in diesen Tagen außerhalb ihres Klosters aufhalten; dies wird niemand gefallen, am wenigsten dem Nuntius, der selbst so zurückhaltend ist. Es wäre ein großer Trost für mich, wenn Sie diesen meinen Rat befolgen würden. Überlegen Sie dies wohl und glauben Sie mir, daß Sie dazu Ihre Zuflucht nehmen müssen, außer Sie ziehen es vor, bei den beschuhten Karmeliten Wohnung zu nehmen, was ich aber für weniger gut halte.
Haben Sie den Erzbischof von dem beabsichtigten Unternehmen einmal in Kenntnis gesetzt, so hüten Sie sich wohl, noch weiter mit ihm darüber zu sprechen, mögen Sie auch noch so leicht Zutritt bei ihm haben; denn es schickt sich dies nicht. Seine Sache ist es, für das Weitere zu sorgen; geben wir uns damit zufrieden! Das beste für uns wird sein, zu schweigen und die Sache Gott anzuempfehlen.
Diesen Brief habe ich nach reiflicher Überlegung und nicht ohne ernste Gründe geschrieben, die ich jedoch nicht darlegen kann. Ich sehe aber ein, wie notwendig es ist, daß Sie meinem Wunsche sich fügen. Aus dieser Nachgiebigkeit kann sich durchaus kein Nachteil für uns ergeben; unterlassen Sie es aber, so kann uns großer Schaden erwachsen. Haben wir einmal wichtige Gründe für eine Sache, dann ist es nicht mehr notwendig, nach weiteren Anlässen zu fragen. Unser Herr gibt uns Gelegenheit genug, uns Verdienste zu sammeln. Ich kenne die Schwierigkeiten, die Ihnen in Madrid entgegentraten und die Sie noch erwarten, und ich muß mich wundern, wie Sie diese bei Ihrem cholerischen Temperament auf sich nehmen konnten. Aber jetzt ist kluge Vorsicht notwendig, und diese wird Gott uns verleihen, wie wir einen Beweis davon in der Angelegenheit mit dem Bischof haben. Er sei gepriesen für alles! Denn er wird schließlich auch für dieses Werk Sorge tragen.
Pater Tostado, sagt man mir, wird gewiß durch Andalusien kommen. Gott wolle ihn leiten, mag er dann sich benehmen, wie er will! Mit diesem Gegner läßt sich, wie ich glaube, leichter streiten als mit jenem, gegen den wir bisher den Kampf geführt haben. Gott gebe uns Licht, Sie aber und die Väter, die bei Ihnen sind, möge er behüten! Meine Gesundheit ist jetzt ein wenig besser.
Heute ist der 15. März.
Euerer Hochwürden
Theresia von Jesu
