323. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá
Toledo, am 5. Mai 1580
Billigung der Entscheidung dieses Paters über einen Gewissensfall. Gute Nachrichten aus Rom. Verlangen, ihn zu sehen. Eine Postulantin und die Gründung von Madrid.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität!
Gestern habe ich Ihre Briefe erhalten. Sie kamen nach jenem an, der die Angelegenheit des Rektors von Alcalá enthielt. Ich habe mich über diese Angelegenheit schon mit Doña Luise und hier mit dem Lizentiaten Serrano besprochen. Die Antwort des letzteren sende ich Ihnen auf beiliegendem Zettel.
Was den Streit über die Schulmeinungen betrifft, von dem Sie
mir berichten, so hat es mich sehr gefreut, daß Sie der sicheren Ansicht folgen. Die anderen Väter mögen vielleicht genügende Gründe für ihre Meinung haben; aber es wäre doch etwas Erschreckliches, wenn man in der letzten Stunde nicht durchwegs für das Sicherste sich entscheiden, sondern sich noch von der Weltehre bestimmen lassen wollte; in diesem Augenblicke hört die Ehre der Welt auf und beginnt man einzusehen, wie wichtig es ist, die Ehre Gottes allein vor Augen zu haben. Vielleicht fürchteten diese Väter, es möchte durch diesen Versöhnungsversuch die alte Feindschaft wieder aufleben, [so daß das Übel nur um so größer würde]. Doch Gott steht uns ganz gewiß mit seiner Gnade bei, wenn wir entschlossen sind, etwas allein um seinetwillen zu tun. Euere Paternität haben keine Ursache, sich über Ihre Meinung in dieser Frage zu beunruhigen. Es dürfte indessen gut sein, wenn Sie irgendeinen Grund zur Entschuldigung jener Väter anführen würden.
Mehr als Euere Paternität über diese Ihre Meinung war ich beunruhigt über Ihren Aufenthalt an dem Orte, wo das Scharlachfieber so allgemein herrscht. Gott sei dafür gepriesen, daß er Sie gesund erhalten hat! Mein Übel hat, wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe, jetzt nichts mehr zu bedeuten. Ich fühle nur noch einige Schwäche; ich mußte nämlich einen schrecklichen Monat durchmachen, obwohl ich die längste Zeit außer Bett mich befand. Da ich an Leiden gewöhnt bin, so dachte ich, das Übel werde auch so wieder vorübergehen. Freilich war es so heftig, daß ich zu sterben vermeinte, obwohl ich es doch nicht so recht glauben konnte; übrigens war mir Leben oder Sterben einerlei. Es ist dies eine Gnade Gottes, die ich für sehr groß erachte; denn ich gedenke noch der Furcht, die ich in früheren Jahren vor dem Sterben hatte.
Den Brief aus Rom habe ich mit Freude gelesen. Wenn auch jetzt das Breve über die Trennung nicht so bald kommen sollte, so scheint die Sache doch gewiß. Ich sehe nicht ein, warum bei dessen Ankunft Unruhe entstehen sollte. Gut ist es, daß Euere Paternität auf unseren Generalvikar Pater Angelus warten, selbst wenn Sie keinen anderen Grund hätten. Auf diese Weise würde es nicht den Anschein haben, als könnten Sie die Stunde nicht erwarten, um von dem Ihnen übertragenen Amte Gebrauch zu machen; Pater Angelus wird nämlich auf alles achthaben.
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß ich den Schwestern von Veas und dem Pater Johannes vom Kreuze geschrieben habe, Sie würden dorthin kommen; zugleich erwähnte ich auch das Amt, mit dem Sie Pater Angelus, wie er mir schrieb, betraut hat. Ich dachte zwar eine Weile darüber nach, ob ich nicht besser schweigen sollte; da mich aber der Pater Vikar selbst davon benachrichtigt hat, so glaube ich keinen Grund zu haben, Ihnen diese Mitteilung vorzuenthalten. Ich wünschte recht sehr, daß man die Zeit nicht unnütz verstreichen ließe. Da aber unsere Depeschen bald ankommen werden, so ist es ohne Vergleich besser, zu warten; denn dann wird alles, wie Sie selbst bemerken, mit viel größerer Freiheit geordnet werden.
Wenn Sie auch keinen Grund haben, mich zu besuchen, so halte ich es doch für einen Beweis großer Liebe zu mir, daß Sie mir schreiben, Sie würden kommen, wenn ich es wünsche. Es wäre dies freilich eine recht große Freude für mich; allein ich fürchte, unsere guten Brüder möchten es merken; auch würden Sie, da Sie ohnehin so viele Reisen machen müssen, dadurch sehr ermüdet werden. Ich tröste mich mit dem Gedanken, daß Sie doch einmal hierher kommen müssen. Alsdann wünschte ich mir einige freie Zeit, um mich mit Euerer Paternität über meine inneren Angelegenheiten zu besprechen und daraus Trost für meine Seele zu schöpfen.
Sobald ich ein wenig besser bei Kräften bin, werde ich trachten, mit dem Erzbischof zu sprechen. Gibt er mir die Erlaubnis zu einer Klosterstiftung in Madrid, so wird es ohne Vergleich besser sein, die Schwester des Don Johann López de Velasko dort aufzunehmen, als sie in ein anderes Kloster zu senden. Denn unsere Nonnen sind recht empfindlich, wenn nicht geschieht, was Sie wünschen; es ist das für mich ein wahres Kreuz. Dies ist auch der Grund, warum ich der Priorin von Segovia nicht schreibe, bevor ich über diese Stiftung sicher bin. Ich habe auch hier noch nicht im Ernste davon gesprochen, man möchte dieses Fräulein aufnehmen, wenn ich auch überzeugt bin, daß alle Nonnen mit Ausnahme der Priorin, die allerdings nicht sonderlich viel Lust dazu hat, sich bereit erklären würden. Um diese Angelegenheit hier noch in Ordnung zu bringen, ist es freilich zu spät; denn nach der Weisung des Paters Vikar darf ich hier nur so lange bleiben, bis ich wieder zu reisen imstande bin; und ich würde Gewissensbedenken bekommen, gegen diesen seinen ausdrücklichen Willen länger zu bleiben.
Ein weiterer Grund, warum ich nicht geschrieben habe, ist auch der, weil in Segovia ohnehin schon viele Nonnen sind und man eben wieder eine Novizin aufnehmen will, obwohl es kein großer Nachteil für das Kloster wäre, wenn man auch noch dieser Kandidatin die Aufnahme gewährte, da sie ja doch nur vorübergehend dort bleiben soll. Indes werde ich, wenn Sie es für gut finden, doch an die Priorin von Segovia schreiben; und wenn ihr dann auch Euere Paternität zu verstehen geben, wie sehr Sie über die Aufnahme dieser Kandidatin erfreut wären, so wird dies eine gute Wirkung haben. Zudem hat das Kloster in Segovia wenig oder fast nichts beigetragen zur Bestreitung der Reisekosten nach Rom. Großen Eindruck wird es auch machen, wenn Sie auf die Verpflichtungen hinweisen, die wir gegen Herrn Velasko haben.
Die Nonnen von Toledo zahlen jetzt fünfhundert Dukaten an das Kloster zum heiligen Joseph in Ávila. Ich habe sie selbst darum gebeten. Es war eine ganze Verwirrung entstanden, wovon ich Ihnen später noch Mitteilung machen werde; niemand trug daran eine Schuld, sonst würde ich schon zur rechten Zeit davor gewarnt haben.
Ich weiß wirklich nicht, ob es gut wäre, in Segovia über unser
Projekt zu reden, bevor ich mich mit dem Erzbischof ins Benehmen gesetzt habe. Teilen Sie mir doch recht bald Ihre Ansicht hierüber mit! Es kommen viele Fuhrleute hierher, die Ihre Antwort mitnehmen, wenn Sie ein gutes Porto bezahlen. Es ginge auch nicht an, diese Kandidatin ohne Wissen und Willen der Nonnen nach Segovia zu schicken; denn nur unter dieser Bedingung hat mir Pater Angelus die Erlaubnis gegeben, ihr die Pforten ihres Klosters zu öffnen. Ich habe ihm nicht gesagt, um was es sich handelt. Was mich betrifft, so wünsche ich noch weit mehr ihren Eintritt als Sie. Meiner Ansicht nach ist es besser, wenn ich mit dem Erzbischof in seiner eigenen Wohnung spreche. Ich werde mich in die Kirche begeben, wo er die Messe hört, und mich dort bereit halten; von dem Resultate meiner Besprechung werde ich Sie dann in Kenntnis setzen.
Und jetzt noch ein Wort. Gott möge Sie behüten und Ihnen jene Gnaden gewähren, um die ich ihn für Sie bitte!
Heute ist der 5. Mai.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
