161. Brief — An Don Laurentius de Cepeda in Ávila
Toledo, am 2. Januar 1577
Familien und geistliche Angelegenheiten dieses Edelmannes.
Jesus sei mit Ihnen!
Serna drängt mich so sehr, daß ich nicht weitläufig sein möchte. Aber wenn ich an Sie zu schreiben beginne, weiß ich kein Ende mehr zu finden. Weil jedoch Serna nicht wiederkommt, habe ich die nötige Zeit.
Wenn ich an Sie einen Brief sende, so lesen Sie ihn dem Don Franz, nicht vor. Ich fürchte nämlich, er sei etwas melancholisch, und da ist es schon viel, wenn er sich mir gegenüber so offen ausspricht. Vielleicht sendet ihm Gott diese Skrupel, um ihn vor anderen Dingen zu bewahren. Damit er aber geheilt wird, ist es gut, daß er mir Vertrauen schenkt.
Es ist gewiß, daß ich Ihnen die Schrift nicht zugesendet habe; leider aber unterließ ich es, Ihnen dies mitzuteilen. Ich gab sie einer Schwester zum Abschreiben, und diese hat sie nicht mehr finden können. Sie müssen also warten, bis ich von Sevilla eine andere Abschrift erhalte, und diese werde ich Ihnen dann zusenden.
Ich denke mir, daß Sie schon einen Brief erhalten haben, den ich über Madrid an Sie sandte. Für den Fall jedoch, daß er verlorengegangen sein sollte, will ich hier wiederholen, was ich darin bemerkt hatte, wenn es mir auch sehr widerstrebt, mich in diese Angelegenheit zu mischen.
Fürs erste habe ich Sie erinnert, nachzusehen, wie das Haus des Ferdinand Alvarez de Peralta, das Sie gemietet haben, aussieht; denn ich meine, gehört zu haben, daß ein Zimmer dem Einsturze nahe sei; sehen Sie also genau nach!
Fürs zweite habe ich Sie gebeten, mir das kleine Kästchen und alle meine anderen Schriften zu übersenden, die sich in den Paketen befinden; sie waren nämlich, wie ich meine, in einem Sack beisammen. Schicken Sie mir also diesen Sack gut verpackt zu! Wenn Doña Quiteria das für mich bestimmte Pater durch Serna schicken will, so könnte man es auch in diesem Sack verpacken. Schicken Sie mir auch mein Siegel; denn es widerstrebt mir, immer mit diesem Zeichen des Totenkopfes zu siegeln, ich möchte mit dem Namenszeichen des Herrn siegeln, dessen Bild ich meinem Herzen eingegraben wünsche, wie es dem Herzen des heiligen Ignatius eingeprägt war. Niemand außer Ihnen darf das Kästchen öffnen; denn es befindet sich in ihm, wie ich meine, jene Schrift über das Gebet. Aber auch Sie dürfen mit niemand davon reden, wenn Sie etwas darin lesen. Bedenken Sie wohl, daß ich dazu keine Erlaubnis gebe und daß sich dies überhaupt nicht schickt. Wenn Sie auch meinen, es diene dies zur Verherrlichung Gottes, so könnte es doch andere nachteilige Folgen haben, um derentwillen es unstatthaft wäre. Kurz, wenn ich erfahren müßte, daß Sie davon mit anderen reden, so würde ich mich in Zukunft hüten, Sie etwas lesen zu lassen.
Der Nuntius hat mich beauftragt, ihm eine Abschrift der Vollmachtsbriefe zu senden, kraft derer unsere Klöster gestiftet wurden. Auch sollte ich die Zahl dieser Klöster angeben und den Ort, wo sie bestehen, ferner die Zahl der Nonnen, den Ort ihrer Geburt, ihr Alter und endlich jene bezeichnen, die sich nach meiner Ansicht als Priorinnen eigneten. Die diesbezüglichen Schriften sind entweder in jenem Kästchen oder in dem Sacke; ich weiß es nicht genau. Kurz, ich habe alles nötig, was von meinen Schriften in Ávila aufbewahrt wird. Man sagt, der Nuntius verlange diese Auskunft, weil er die Unbeschuhten in eine gesonderte Provinz vereinigen wolle. Ich fürchte jedoch, er wolle diese Nonnen zur Reformierung anderer Klöster verwenden, wovon schon früher einmal die Rede war. Dies aber wäre nicht gut für uns und könnte höchstens nur für die Klöster unseres Ordens zugegeben werden. Sagen Sie dies der Subpriorin und teilen Sie ihr mit, mir die Namen der Nonnen ihres Klosters mit Angabe des Jahres ihrer Geburt und ihrer Profeß zu übersenden. Dieses alles soll sie in ein kleines QuartHeft gut leserlich zusammenschreiben und mit ihrer Unterschrift bestätigen. Doch es fällt mir eben ein, daß ich selbst noch Priorin von Ávila bin und in eigener Person das Heft unterzeichnen kann. Darum ist ihre Unterschrift nicht notwendig; sie soll mir nur das übrige senden, wenn es auch von ihrer Hand geschrieben ist, ich werde es dann abschreiben. Es ist nicht notwendig, daß die Nonnen davon Kenntnis erhalten. Ich lege Ihnen sehr ans Herz, für diese Sendung Sorge zu tragen, damit die Schriften nicht naß werden. Schicken Sie auch den Schlüssel!
Das Buch, in dem behandelt wird, was ich Ihnen sagte, ist jenes, worin ich das »Vaterunser« erklärte. Dort werden Sie vieles über die Gebetsweise finden, die Sie üben, wenn es auch nicht so ausführlich wie in dem anderen beschrieben ist. Es steht dies, wie ich glaube, in der Bitte: »Zukomme uns dein Reich.« Lesen Sie dieses Buch wiederholt, wenigstens die Erklärung des »Vaterunser«; vielleicht finden Sie etwas, was Ihnen zusagt.
Um es nicht zu vergessen, muß ich Sie fragen: Wie können Sie denn etwas geloben, ohne es mir zu sagen? Das wäre ein schöner Gehorsam! Mich hat dies verdrossen, wenn mir auch Ihre Entschlossenheit Freude machte. Ihr Gelübde scheint mir nämlich ein gefährliches Wagnis zu sein. Beraten Sie sich einmal mit andern darüber; denn eine Sache, die an und für sich eine läßliche Sünde ist, könnte infolge des Gelübdes eine Todsünde werden. Ich werde auch meinen Beichtvater darüber befragen, der ein sehr gelehrter Theologe ist. In jedem Falle scheint mir Ihr Gelübde sehr ungeschickt zu sein. Das Gelübde, das ich abgelegt habe, ist mit Vorbehalt gemacht worden. Ich würde es nicht wagen, ein solches Gelübde wie Sie zu machen, da ich weiß, daß selbst die Apostel läßliche Sünden begingen. Nur unsere Liebe Frau hat nie eine, wenn auch nur läßliche Sünde begangen. Ich will gerne glauben, Gott habe Ihre gute Absicht wohlgefällig aufgenommen; allein es scheint mir geraten zu sein, daß Sie Ihr Gelübde recht bald in eine andere Verpflichtung umwandeln lassen. Wenn man diese Umwandlung durch eine Bulle erlangen kann, so tun Sie es recht bald! Das gegenwärtige Jubiläum wäre gerade eine gute Gelegenheit dazu. Gott bewahre uns davor, daß wir uns durch ein Gelübde zur Meidung läßlicher Sünden verpflichten, die so leicht und fast, ohne daß man sie beachtet, begangen werden können, und die Gott auch nicht höher anrechnet, da er unsere [hinfällige] Natur gar wohl kennt. Nach meiner Ansicht muß hier baldigst Abhilfe geschaffen werden, und ich ermahne Sie, niemals mehr ein derartiges Gelübde abzulegen, da es [sehr] gefährlich ist. Ich glaube auch, daß es sehr angezeigt wäre, wenn Sie sich von Zeit zu Zeit mit Ihren Beichtvätern über Ihre Gebetsweise besprechen würden. Diese sind in Ihrer Nähe, können über jede Schwierigkeit bessere Auskunft erteilen, und Sie verlieren dabei nichts.
Ihre Beunruhigung über den Erwerb des Landgutes Serna kommt vom bösen Feind. Er will Sie daran hindern, daß Sie Gott Dank sagen für die große Gnade, die er Ihnen dadurch erwiesen hat. Sehen Sie doch endlich einmal ein, daß dies in vieler Hinsicht das beste für Sie war. Dadurch haben Sie Ihren Kindern ein Gut erworben, das allen anderen Gütern vorzuziehen ist, nämlich Ansehen und Ehre. Jeder, der davon hört, hält es für ein großes Glück. Meinen Sie denn, das Eintreiben der Zinsen gehe ohne Mühe vor sich? Da muß man immer mit richterlichem Zwang drohen. Halten Sie diese Beunruhigung für eine Versuchung und geben Sie ihr kein Gehör mehr, sondern preisen Sie Gott für die Ihnen erwiesene Gnade! Glauben Sie ja nicht, daß Sie mehr dem Gebete obliegen würden, wenn Sie viel Zeit hätten. Sehen Sie diesen Irrtum ein; denn bei guter Verwendung der Zeit — und das ist sicher der Fall, wenn Sie das für Ihre Kinder bestimmte Gut bewahren — leidet das Gebet keinen Schaden. Gar oft gibt Gott in einem Augenblick mehr, als wir uns nach langer Zeit erringen können. Seine Werke lassen sich durch die Zeit nicht messen.
Nehmen Sie sich gleich nach diesen Feiertagen Zeit, Ihre Urkunden einzusehen und sie in Ordnung zu bringen. Jede Zeit, die Sie dem Landgute Serna opfern, ist gut verwendet. Kommt der Sommer, so wird es Ihnen Vergnügen bereiten, dortselbst einige Tage verweilen zu können. Jakob war dennoch ein Heiliger, obgleich er die Aufsicht über seine Herden führte, ebenso Abraham und Joachim. Wollen wir Mühe und Arbeit fliehen, dann wird uns alles zur Last. So geht es auch mir, und darum will Gott, daß mir immer etwas in den Weg kommt, was meine Ruhe stört. Reden Sie über dieses alles mit Franz de Salcedo, der in Hinsicht auf diese zeitlichen Angelegenheiten mein Stellvertreter sein soll.
Es ist eine große Gnade von Gott, daß Ihnen gerade das zum Überdrusse wird, was anderen Vergnügen bereiten würde. Aber wegen dieses Überdrusses darf man nicht alles aufgeben; denn wir müssen Gott dienen, wie er es haben will, und nicht, wie wir es wollen. Was Sie nach meiner Ansicht noch aufgeben könnten, das ist die Voreingenommenheit für die Schafzucht im Verein mit A. Ruiz. Deshalb hatte ich eine gewisse Freude, als ich vernahm, daß Sie diesem Handelsgeschäfte ganz entsagt haben; denn dadurch muß man selbst in den Augen der Welt etwas an Ansehen verlieren. Ich meine, Sie dürften im Almosengeben etwas sparsamer sein. Gott hat Ihnen zwar soviel gegeben, daß sie davon leben und auch anderen mitteilen können, allein letzteres muß nicht in solchem Übermaße geschehen. Handelsgeschäfte nenne ich nicht die Bemühung, Ihr Landgut in Serna zu verbessern, was ja ganz lobenswert ist, sondern andere gewinnbringende Geschäfte. In all diesen Dingen sollen Sie, ich wiederhole es, dem Gutachten des Don Franz de Salcedo folgen, dann werden Sie von solchen besorgniserregenden Gedanken bewahrt bleiben. Empfehlen Sie mich diesem Freunde immer recht sehr sowie auch allen, bei denen Sie es für gut finden, besonders dem Petrus de Ahumada. Ich wünschte sehr, Zeit zu haben, um diesem schreiben zu können, damit ich auch von ihm wieder einen Brief erhielte; denn seine Briefe machen mir Freude.
Sagen Sie der Theresia, sie möge ja nicht fürchten, daß ich jemand so innig liebe wie sie. Die Bilder soll sie austeilen und einige davon auch ihren Brüdern geben. Jene aber, die ich für mich bestimmt habe, soll sie nicht weggeben. Ich habe ein [inniges] Verlangen, sie wiederzusehen. Was Sie über dieses Kind nach Sevilla berichteten, hat mich zur Andacht gestimmt. Man schickte mir nämlich Ihre Briefe von Sevilla zu, und ich und die Schwestern, die sie während der Rekreation lasen, hatten große Freude daran; denn wer meinem Bruder sein zuvorkommendes Wesen benehmen wollte, der müßte ihn ums Leben bringen. Da Sie sich an Heilige wenden, scheint Ihnen alles vollkommen. Ich halte in der Tat alle Nonnen unserer Klöster für wahre Heilige; sie beschämen mich in vielen Stücken.
Gestern hatten wir ein großes Fest, das der Verehrung des Namens Jesu galt. Gott vergelte Ihnen, was Sie uns übersandt haben! Ich weiß nicht, was ich Ihnen für die vielen Aufmerksamkeiten, die Sie mir erweisen, senden soll, wenn Sie nicht etwa diese von mir gedichteten Weihnachtslieder annehmen wollen. Mein Beichtvater hat mir aufgetragen, sie zur Erheiterung der Schwestern zu dichten. Ich habe die letzten Nächte mit dieser Arbeit zugebracht, weiß aber nicht, wie sie ausgefallen sind. Sie sind eben, wie sie sind, haben jedoch eine anmutige Melodie. Vielleicht könnte der kleine Franz sie singen. Sehen Sie, wie weit ich vorangeschritten bin! Bei all dem hat mir der Herr in diesen Tagen große Gnaden erwiesen.
Über die Gunstbezeigungen, die Ihnen der Herr beständig erweist, bin ich erstaunt. Er sei immerdar dafür gepriesen! Nun begreife ich, warum Sie sich die Andacht wünschen; es ist dies etwas Gutes. Nach einer Sache Verlangen tragen, ist etwas anderes, als um sie bitten. Seien Sie überzeugt: Das beste ist — und das tun Sie ja so —, daß Sie alles dem Willen Gottes anheimstellen und Ihre Angelegenheit in seine Hände legen. Er weiß, was uns heilsam ist. Seien Sie indessen stets bemüht, den Weg zu wandeln, den ich Ihnen vorgezeichnet habe, und bedenken Sie, daß daran mehr gelegen ist, als Sie verstehen.
Wenn Sie manchmal mit solchen göttlichen Antrieben erwachen, so werden Sie gut daran tun, wenn Sie sich eine Zeitlang im Bette aufsetzen. Sie müssen aber immer darauf sehen, daß Sie sich insoweit dem Schlafe hingeben, als es notwendig ist, um den Kopf nicht zu ermüden; denn sonst könnte es, ohne daß Sie es wahrnehmen, soweit kommen, daß Sie nicht mehr imstande sind, dem Gebete zu obliegen. Geben Sie auch acht, daß Sie sich nicht allzusehr der Kälte aussetzen, denn das wäre bei Ihrem häufigen Seitenstechen nicht geraten.
Ich begreife nicht, warum Sie noch nach Gefühlen der Furcht und des Schreckens Verlangen tragen, da Sie Gott auf dem Wege der Liebe führt. Dies war wohl anfangs notwendig. Sie müssen nicht glauben, daß jedesmal der Teufel es sei, der Sie im Gebete stört; manchmal ist es auch ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit, daß es uns entzogen wird. Ich wage es zu behaupten, daß dies manchmal fast eine ebenso große Gnade ist, als wenn uns der Herr die Gabe eines erhabenen Gebetes gewähren würde. Ich habe dafür viele Gründe, die ich Ihnen aber jetzt aus Mangel an Zeit nicht auseinandersetzen kann. Das Gebet, das Gott Ihnen verleiht, steht unvergleichlich höher als das Betrachten über die Hölle. Deshalb werden Sie auch die letztgenannte Gebetsweise nicht üben können, selbst wenn Sie wollten, und ich möchte auch nicht, daß Sie es versuchten, weil dazu kein Grund vorhanden ist.
Einige Antworten der Schwestern brachten mich zum Lachen; andere aber sind vortrefflich und haben mir über die Sache Aufklärung verschafft; aber sie dürfen nicht glauben, daß ich es wisse. Ich habe Ihnen nur zufällig über das geschrieben, worüber ich noch mit Ihnen reden werde, wenn es Gottes Wille ist, daß ich mit Ihnen zusammenkomme.
Die Antwort des guten Franz de Salcedo gefällt mir sehr; seine Demut ist außerordentlich. Denn Gott führt ihn derart auf dem Wege der Furcht, daß er es vielleicht nicht billigen kann, wenn wir in dieser Weise über solche Gegenstände sprechen. Wir müssen uns dem anbequemen, was wir in den Seelen vorfinden. Ich versichere Sie, er ist ein Heiliger; allein Gott führt ihn nicht auf demselben Weg wie Sie. Ihn behandelt Gott wie eine starke Seele, uns aber wie schwächliche [Kinder]. Seine Antwort ist seinem Charakter ganz entsprechend.
Eben habe ich Ihren Brief wieder gelesen. Wenn Sie sagen, daß Sie sich in der Nacht erheben wollen, so verstehe ich das nur von dem Sichaufsetzen im Bette. Dieses scheint mir schon zu genügen; denn es ist von [großer] Bedeutung, daß Sie sich nicht des notwendigen Schlafes berauben. Ganz aufstehen dürfen Sie in keinem Fall, so mächtige Antriebe Sie auch empfinden mögen; und wenn Sie auch länger schlafen sollten als gewöhnlich, so seien Sie doch wegen dieses Schlafes unbekümmert! Wenn Sie doch vernehmen könnten, was Pater Petrus über diese Antriebe sagte, Sie würden sich gar nicht darüber wundern, selbst wenn Sie diese im wachen Zustande empfänden.
Ihre Briefe langweilen mich durchaus nicht, sondern gewähren mir großen Trost. Auch wäre es für mich sehr tröstlich, wenn ich Ihnen öfters schreiben könnte; allein ich habe so viel Arbeit, daß mir dies unmöglich ist. Diesen Abend bin ich durch Geschäfte sogar vom Gebete abgehalten worden. Dies beunruhigt mich jedoch nicht; nur tut es mir leid, daß ich so wenig Zeit habe. Gott verleihe uns Zeit, um sie stets zu seinem Dienste verwenden zu können! Amen.
Diese Gegend ist so arm an Fischen, daß die Schwestern zu bedauern sind. Deshalb freute ich mich, daß Sie die Meerbrassen gesendet haben. Ich glaube, man könnte sie in Anbetracht der jetzigen Witterung auch senden, ohne sie mit Teig zu umhüllen. Sollten Sie gerade, wenn Serna wieder hieher reist, solche Fische oder frische Sardellen bekommen, so übergeben Sie diese der Subpriorin, damit sie die Sendung besorge; denn sie hat auch diese ganz gut besorgt. Für Leute, die kein Fleisch essen, ist der Aufenthalt dahier überaus beschwerlich, da man nicht einmal frische Eier bekommt. Trotzdem dachte ich mir heute, daß ich mich seit Jahren nicht mehr so wohl gefühlt habe, wie gegenwärtig. Zudem beobachte ich die Regel wie die übrigen Nonnen, was mir großen Trost gewährt.
Die beiliegenden Strophen, die nicht von meiner Hand geschrieben sind, sind auch nicht von mir verfaßt, sondern von einer Schwester. Ich dachte mir, sie könnten dem kleinen Franz ebenso gefallen wie die Strophen der Nonnen des St. Josephsklosters. Während der Weihnachtsfeiertage vergnügten wir uns bei der Rekreation sehr mit diesen Liedern.
Heute ist der zweite Tag des neuen Jahres.
Ihre unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Ich habe mir gedacht, Sie würden mir Ihr Krippenlied senden. Die hiesigen Lieder haben weder Kopf noch Fuß, aber doch singt man sie. Soeben erinnere ich mich eines solchen Liedes, das ich eines Tages, ganz ins Gebet vertieft, gedichtet habe. Es schien mir, als ob dadurch meine Seele noch einen weit tieferen Frieden kostete. Es waren folgende Strophen, aber ich weiß nicht recht, ob sie gerade so lauteten. Ich schicke sie Ihnen, damit Sie sehen, daß ich Ihnen auch von hier aus Erheiterung verschaffen möchte.
O Schönheit, die du überstrahlest
Alles, was sonst Schönheit heißt,
Ohne Wunden machst du Schmerzen,
Machest ohne Schmerz die Liebe
Aller Kreatur zunichte.
O du Band, das du verbindest,
Zwei so ganz verschiedne Dinge;
Wie doch kommt’s, daß du dich lösest,
Da gebunden Kraft du leihest
Selbst das Übel gutzuheißen?
Was kein Sein hat, das verbindest
Mit dem Sein du, das nie endet;
Du vollendest, nie vollendend,
Liebest da, wo nichts zu lieben;
Unsrem Nichts verleihst du Größe.
An das übrige kann ich mich nicht mehr erinnern. Einen solchen Sinn hat die Klosterstifterin! Übrigens versichere ich Sie, daß ich glaubte, recht gut bei Sinnen zu sein, als ich diese Strophen dichtete. Gott verzeihe Ihnen, daß Sie Ursache sind an dieser Vergeudung meiner Zeit! Ich denke mir, diese Strophen werden Sie rühren und zur Andacht stimmen. Aber sagen Sie niemandem etwas davon! Doña Guiomar und ich waren damals, als ich sie dichtete, beisammen. Wollen Sie ihr meine Empfehlungen entrichten!
