103. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 2. Juli 1576
Klosterangelegenheiten in Sevilla.
Jesus sei mit Euerer Ehrwürden!
Daß Sie sich nach meiner Abreise, wie Sie sagen, recht einsam fühlen, bewegt mich sehr. Erst nachdem ich den Brief, der mit diesem folgt, schon geschrieben hatte, erhielt ich Ihre Briefe. Ich habe mich sehr darüber gefreut, so daß ich ganz gerührt war.
Daß Sie Abbitte geleistet haben, hat mir sehr gefallen. Unter der Bedingung, daß Sie mich fortan so lieben, wie ich Sie liebe, verzeihe ich Ihnen das Geschehene und was sich noch in Zukunft ereignen wird. Darüber habe ich jetzt noch am meisten zu klagen, daß Sie so wenig um mich sein mochten; ich sehe aber wohl ein, daß Sie deshalb keine Schuld trifft, und so habe ich es auch der Mutter Priorin in Malagón gesagt. Der Herr, der gewollt hat, daß jetzt so viele Leiden über mich kommen sollten, hat es so geordnet, daß ich des Trostes entbehren mußte, den mir Ihr Umgang verschafft haben würde. Wenn nur jetzt Euere Ehrwürden und Ihre Schwestern einigermaßen in Ruhe leben können, so achte ich alle diese Leiden für gut angewendet, selbst wenn ihrer auch noch viel mehr gewesen wären. Glauben Sie mir, daß ich Sie innig liebe; und wenn ich bei Ihnen dieselbe Liebe finde, so gilt mir alles andere so wenig, daß ich es gar nicht beachte. In Sevilla aber, wo bald dies, bald jenes vorkam und wo ich mit Ihnen als meiner innigstgeliebten Tochter verkehrte, fiel es mir recht schwer, bei Ihnen nicht dieselbe Zutraulichkeit und Liebe zu finden. Durch diesen Ihren Brief aber haben Sie mir fürwahr alles Leid hinweggenommen, und meine Liebe bleibt. Diese ist so groß, daß ich mich Ihrer Verteidigung erinnern muß, damit sie nicht zu überschwenglich wird.
Unendlich habe ich mich darüber gefreut, daß alles einen so guten Ausgang nahm. Sorgen Sie ja dafür, daß der Vergleich zustande kommt, wenn man auch für die Zukunft keine große Sicherheit hat; denn es ist immer, besonders am Anfang, etwas Widerwärtiges, einen Prozeß zu führen. Wir müssen Sorge tragen, daß wir meinem Bruder, der für uns die Steuer erlegt hat, sie bald zurückbezahlen. Ich bin deshalb sehr in Sorge und mehr noch oder ebensosehr, als ich es dort des Klosters wegen war. O wie freute er sich über Ihre Briefe! Er kann Ihre Einsicht und Klugheit nicht genug rühmen. Diese Briefe sind Ihnen gut gelungen. Je mehr es Euere Ehrwürden darauf absehen, einen Brief gut zu schreiben, desto schlechter gelingt er Ihnen. Weil mein Bruder und Theresia selber schreiben, so berichte ich über sie nichts weiter. An meinen Vater, den Prior de las Cuevas, hatte ich schon geschrieben. Heute werde ich nach Malagón wegen der dortigen Angelegenheiten und an unseren Vater schreiben, und so wird es schwer sein, auch noch den Schwestern zu antworten; denn die Besuche, die ich hatte, hörten gar nicht auf.
Ich glaube gerne, was der gute García Alvarez tut; denn seine Liebe [ist groß]. Sagen Sie ihm viele Grüße von mir. Über den Brief des Paters Prior freute ich mich. Meine Freunde erweisen mir einen großen Dienst, daß sie sich der Schwestern so liebevoll annehmen. Sehen Sie nur, daß Sie jene in ihrer freundlichen Gesinnung erhalten! Wenn sich einmal Gelegenheit bietet, etwas für Pater Mariano und Pater Anton zu tun, so benützen Sie diese! Denn ich möchte nicht, daß diese über Sie verdrießlich würden; es geschehe jedoch mit Maß. Gott verzeihe ihnen! Eine solche Verwirrung, wie sie unter diesen Brüdern hervorgebracht wurde, hätte wohl vermieden und die Sache auf eine andere Weise geregelt werden können. Unser Vater ist darüber sehr betrübt. Er ist gesund, und der Nuntius hält es für gut, daß er nicht mehr nach Andalusien zurückkehrt.
Sie werden gewiß nicht sagen können, daß ich Ihnen selten schreibe. Schreiben Sie mir nur ebensooft; denn ich freue mich über Ihre Briefe sehr. Ich wußte nichts von dem, was dort vorgefallen ist; denn unser Vater schrieb nur sehr kurz, wahrscheinlich weil er nicht mehr Zeit hatte. Gott sei mit Ihnen und mache Sie recht heilig! Gabriela schreibt mir, sie sei nicht wohl. Ich las erst ihren Brief, nachdem ich schon Vieles von diesem geschrieben; sie sagt, sie habe Magenschmerzen. Gebe Gott, daß das Übel nicht größer sei! Ich weiß nicht mehr, wem ich die Sorge für ihre Gesundheit anvertraut habe. Die Subpriorin soll aus Liebe zu mir diese Sorge übernehmen, und sie möge darauf achten, ihr zu gehorchen; denn es wäre mir unendlich leid, wenn sie der Gesundheit entbehrte. Der Herr wolle sie so gesund erhalten, wie ich darum zu ihm flehe! Ich empfehle mich der Mutter der Beatrix und dem Delgado recht sehr; die Priorin empfiehlt sich Euerer Ehrwürden. Alle Schwestern haben sich gefreut, daß es den dortigen gut geht. Möge es immer so sein! Ich meine, schon bemerkt zu haben, daß heute der Tag der Heimsuchung ist. Der Geistliche kam, als ich in der Messe war, und nachdem er Messe gelesen hatte, ging er wieder fort. Ich hatte ihn vorher noch gesprochen. Würde er sich länger hier aufgehalten haben, so hätte ich ihm etwas Gutes erwiesen; er sagte aber, daß er Gesellschaft habe und darum weiterreise. Im Jahre 1576.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Gabriela schreibt mir auch, Euere Ehrwürden hätten das Kloster sehr schön eingerichtet. Ich möchte es gar zu gern sehen. Bis jetzt habe ich noch nicht nachsehen können, von welchen Schwestern die Briefe sind. Über den Brief unseres guten Vaters García Alvarez, hatte ich große Freude. Ich werde ihm gerne zurückschreiben; meine Töchter werden verzeihen, wenn ich meiner Verpflichtung gegen den nachkomme, der ihnen Gutes erweist.
