309. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Malagón, am 14. Januar 1580
Ein mustergültiger Beichtvater. Bußübungen für Pater Gracián. Plan für die kommenden Wahlen. Kleine Schwächen des Makarius, des Paters Gabriel und der Herzogin von Alba.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität!
Vor kurzem erhielt ich einen Brief von Doña Johanna, worin sie mir mitteilt, daß man von Tag zu Tag die Aufhebung des Ihnen auferlegten Verbotes, mit uns zu verkehren, erwartet. Gott gebe, daß die Angelegenheiten in Toledo und Medina bereinigt seien, wenn Sie diesen Brief erhalten!
Pater Philipp ist zum Beichtvater ganz wie geschaffen. Er ist jetzt von einem Extrem ins andere gefallen; denn er spricht mit den Nonnen nur in der Beichte. Er ist ein vortrefflicher Mann.
Denken Sie sich die Freude der Nonnen zu Medina, als man ihnen sagte, Euere Paternität dürften mit ihnen wieder frei verkehren! Sie sind unseren Nonnen zu außerordentlichem Danke verpflichtet. Eine Laienschwester des hiesigen Klosters hat sich für Euere Paternität hundertmal gegeißelt. Dies alles muß Ihnen ohne Zweifel von Nutzen sein und dazu beitragen, daß Sie in der Förderung der Seelen so vieles erreichen.
Gestern brachte man mir den beiliegenden Brief des Paters Nikolaus. Es freut mich sehr, daß sich sein Vorschlag ausführen läßt. Denn die Angelegenheiten in Salamanka haben mir schon einige Male Sorge gemacht; ich sehe jedoch keinen besseren Ausweg. Jetzt werden Sie viel zu tun bekommen; denn es ist klar, daß Sie sich mehr den Angelegenheiten des Ordens als fremden widmete müssen. In Toledo besprach ich mit Pater Nikolaus einige Übelstände, die vorkamen, jedoch nicht alle, die mir bekannt waren, und dies hatte einen sehr guten Erfolg. [Um aber wieder auf das zu kommen, was Pater Nikolaus in seinem Briefe vorschlägt], so glaube ich, daß unser wohlehrwürdiger Pater General alles tun wird, was uns zum Wohle gereicht. Es bleibt mir nur noch der Zweifel, ob nämlich die Vollmachten, die der vorige Nuntius Euerer Paternität gegeben hat, mit seinem Tode erloschen sind oder nicht. Sie wissen ja, daß die Meinungen hierüber auseinandergehen, und es wäre für uns sehr peinlich, wenn in einer so wichtigen Sache noch ein Zweifel bestünde. Schreiben Sie mir hierüber Ihre Ansicht! Ein anderes Hindernis finde ich nicht; vielmehr sähe ich es als ein Geschenk des Himmels an, wenn es uns, wie Pater Nikolaus in seinem Briefe bemerkt, erlaubt werden würde, alles unter uns auszumachen. Möge uns der Herr, der alles kann, diese Gnade gewähren!
Ich weiß nicht, ob ein längeres Zuwarten des Paters Nikolaus in Sevilla vorteilhaft ist, falls nicht alles nach unserem Wunsche geht; denn dann entbehren wir in allem der nötigen Hilfe. Allerdings wird Velasko viel tun; allein es würde nicht schaden, wenn er einen Gehilfen hätte. Euere Paternität dürfen sich an dieser Angelegenheit mit keinem Worte beteiligen, damit man Ihnen, wenn der erwähnte Plan sich verwirklichen wird, keinen Vorwurf machen kann, als hätten Sie selbst dessen Ausführung veranlaßt. Überhaupt muß man mit Vorsicht zu Werke gehen, um ja niemandem einen Anlaß zu geben, sich über Sie zu beklagen, besonders so lange Mathusalem seine Stelle noch innehat; denn dieser wird nach meiner Ansicht große Schwierigkeiten machen, wenn man dem Paulus dieses Amt anvertrauen will.
Eben kommt mir noch ein anderes Bedenken, ob Sie nämlich dieses Amt innehaben und zugleich Provinzial sein können. Es ist das jedoch meines Erachtens von geringer Bedeutung; denn wenn Sie auch nicht Provinzial sind, so werden Sie doch alle Autorität haben. Ja, es wäre, wenn es möglich sein könnte sogar gut, den Makarius zum Provinzial zu erwählen, da er in seiner melancholischen Stimmung darnach Verlangen trägt. Wir würden dadurch endlich erreichen, daß er in Frieden sterben kann; er aber würde diesen Ehrgeiz verlieren, der ihn beherrscht. Es wäre dies ganz in der Ordnung, da er schon einmal Provinzial gewesen ist. Da er dann einen Vorgesetzten über sich hätte, so könnte er auch keinen Schaden anrichten. Teilen mir Euere Paternität um der Liebe willen Ihre Ansicht hierüber mit! Es ist dies freilich etwas, was noch der Zukunft angehört; wenn es aber eintritt, so brauchen Sie hierüber kein Bedenken zu tragen.
Aus dem beiliegenden Brief des Paters Gabriel können Sie ersehen, wie schlecht er auf mich zu sprechen ist. Trotzdem habe ich nicht unterlassen, ihm zu schreiben, so oft sich mir Gelegenheit zur Übersendung eines Briefes bot. Sehen Sie nur, wie leidenschaftlich er zu Werke geht! Er habe, sagt er, aus den Briefen, die Sie ihm zeigten, ersehen, daß ich anderen schreibe, ihn aber vergesse. Es würde mich sehr freuen, wenn bei der Ankunft dieses Briefes Ihre Angelegenheit bereinigt wäre, damit Sie mir dann ausführlich antworten könnten.
Ich habe vergessen, von der herzoglichen Familie mit Ihnen zu sprechen. Am Vorabend des neuen Jahres sandte mir die Herzogin einen eigenen Boten mit beiliegendem Brief und einem anderen, worin sie sich nach mir erkundigte. In dem letzteren schreibt sie, Euere Paternität hätten zu ihr gesagt, daß ich den Herrn Herzog mehr liebe als sie. Ich wollte mich damit nicht einverstanden erklären, sondern antwortete ihr, daß Euere Paternität wohl diese Meinung von mir haben konnten, da Sie mir so viel Gutes über den Herrn Herzog, besonders über seine Neigung zum geistlichen Leben berichteten. Ich erklärte ihr, daß ich Gott allein um seiner selbst willen liebe; an ihr aber fände ich nichts, weswegen ich sie nicht lieben sollte, auch hätte ich größere Zuneigung zu ihr als zum Herrn Herzog. Dies alles sagte ich in weit besserer Form als hier.
Das Buch, von dem Pater Medina, wie Sie mir schrieben, eine Abschrift machen ließ, muß meiner Ansicht nach das große sein. Teilen Sie mir mit, was Sie hierüber erfahren haben, und vergessen Sie es nicht! Es würde mich sehr freuen, wenn diese Abschrift nicht verlorenginge, da sie die einzige ist und das Exemplar sich in Händen der Engel befindet. Ich bin indessen der Meinung, daß jenes Buch, das ich später geschrieben, diesem vorzuziehen ist, wenn auch Pater Dominikus Báñez sagt, das es nicht gut sei. Wenigstens hatte ich mehr Erfahrung, als ich es verfaßte. An den Herzog habe ich schon zweimal geschrieben, ja weit öfter, als Euere Paternität mir aufgetragen haben. Gott behüte Sie!
Um jetzt irgend etwas zu haben, was mir Freude bereitet, wünsche ich endlich einmal den Paulus zu sehen. Will mir aber Gott diese Gnade nicht gewähren, so sei er dafür gepriesen, und er möge mir Kreuz über Kreuz senden! Beatrix empfiehlt sich recht angelegentlich in Ihr Gebet.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin
und wahre Tochter
Theresia von Jesu
