311. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Malagón, am 1. Februar 1580
Liebe und Fürsorge bezüglich der Nonnen dieses Klosters. Wahl der Priorin und Subpriorin. Ihre bevorstehende Abreise nach Villanueva. Verschiedene Ratschläge. Stand des Klosters zu Malagón.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Heute, am Vorabend des Lichtmeßtages, empfing ich Ihren Brief sowie auch jene meiner Schwestern in Sevilla. Meine Freude war sehr groß, und ich weiß nicht, warum ich Sie so sehr lieben muß, obwohl Sie mir immer so viel Verdruß bereiten; ich vergesse eben alles gleich wieder, was geschehen ist. Jetzt aber, nachdem Ihr Kloster so großen geistigen Nutzen aus den vergangenen Stürmen gezogen, liebe ich es noch mehr. Gott sei gepriesen, daß er alles zu einem so glücklichen Ende geführt hat!
Ihre Gesundheit muß jetzt wohl etwas besser sein, da Ihre Töchter diesmal das gewohnte Jammerlied nicht mehr anstimmen. Daß Sie auch im Sommer das wollene Unterkleid tragen, ist eine Torheit; und wenn Sie mir einen Gefallen erweisen wollen, so legen Sie dieses nach dem Empfang dieses Briefes ab, so sehr Sie sich durch diesen Gehorsamsakt auch abtöten müssen! Alle Nonnen wissen ja, daß dieses für Sie notwendig ist, und sie werden deshalb auch daran keinen Anstoß nehmen. Unser Herr selbst wird daran sein Wohlgefallen haben, weil Sie es aus Gehorsam gegen mich tun. Handeln Sie ja nicht anders; denn ich weiß aus Erfahrung, wie brennend die Sonnenhitze in Sevilla ist. Es ist doch offenbar besser, wenn alle Nonnen den gemeinsamen Übungen beiwohnen können, als wenn sie krank sind. Ich sage dies auch von allen anderen, von denen Sie glauben, daß sie dasselbe Bedürfnis haben.
Ich habe unseren Herrn gepriesen, daß die Wahl so gut ausgefallen ist. Denn wenn sie auf diese Weise vor sich ging, so hat sie, wie man sagt, der Heilige Geist geleitet. Freuen Sie sich über die Leiden, die dieses Amt mit sich bringt, und lassen Sie nicht zu, daß der Teufel Sie mit Widerwillen dagegen erfüllt! Es ist sehr schön von Ihnen, wenn Sie mir jetzt mitteilen, Sie würden sich glücklich schätzen, wüßten Sie, daß ich Sie unserem Herrn empfehle. Nun so sage ich Ihnen, daß ich schon seit einem Jahre nicht bloß für Sie bete, sondern auch alle unsere Klöster dazu auffordere; und vielleicht ist gerade um dieses Gebetes willen alles so gut ausgegangen. Möge Seine Majestät ihre Werke noch vervollkommnen!
Ich wußte schon voraus, daß durch die Reise des Paters Nikolaus nach Sevilla alles aufs beste in Ordnung gebracht werden würde. Allein kurz bevor Sie darum gebeten und er den Auftrag erhielt, dorthin sich zu begeben, hätten Sie uns bald alle zugrunde gerichtet. Sie hatten nur die Interessen Ihres Klosters allein im Auge, er aber war mit gewissen Angelegenheiten des Ordens beschäftigt, die von ihm abhingen. Gott hat in seiner Güte dazu seine Hand geboten. Ich wünschte, Pater Nikolaus könnte zugleich in Sevilla und hier in Malagón sein, bis diese so wichtige Angelegenheit ganz zum Abschluß gebracht ist. Auch wäre es mein Wunsch, seine Rückkehr fiele in eine Zeit, in der wir uns miteinander besprechen könnten. Allein, es wird dies nicht mehr möglich sein; denn Euere Ehrwürden sollen wissen, daß mir vor etwa fünf Tagen der Pater Generalvikar ein Patent übersandt hat mit dem Auftrag, mich zur Stiftung eines Klosters nach Villanueva de la Jara, nahe bei la Roda, zu begeben. Schon seit vier Jahren werden wir vom Magistrate dieses Ortes sowie von anderen Personen und besonders vom Inquisitor von Cuenca bestürmt, diese Stiftung vorzunehmen; letzterer war früher Staatsanwalt in Sevilla. Ich fand aber in diesem Plane zahllose Schwierigkeiten, die mich von dessen Verwirklichung abhielten. Nichtsdestoweniger begaben sich Pater Anton von Jesu und der Prior von la Roda an Ort und Stelle und brachten es so weit, daß diese Stiftung nun zustande kommt. Dieser Ort ist 28 Meilen von hier entfernt.
Ich würde mich sehr glücklich schätzen, wenn ich meinen Weg über Sevilla nehmen könnte; ich würde Sie dann sehen und könnte meinen Unwillen über Sie vollends ausgießen, oder, besser gesagt, wir könnten uns miteinander friedlich unterhalten; denn Sie müssen wohl infolge der vielen Prüfungen, die über Sie gekommen sind, schon ganz vollkommen sein.
Ich muß, wenn es Gottes Wille ist, noch vor Ostern hierher zurückkehren; denn ich habe nur die Erlaubnis, bis zum Feste des heiligen Joseph dort zu bleiben. Sagen Sie dies dem Pater Prior, damit er, wenn er etwa nach Villanueva kommen sollte, mich dort treffe. Ich habe von hier aus über Madrid einen Brief an ihn gesandt und hätte ihm und auch Ihnen gerne öfters geschrieben; allein ich habe es nicht gewagt aus Furcht, die Briefe könnten verlorengehen. Es hat mich darum sehr gefreut, zu erfahren, daß keiner meiner Briefe verlorenging, und zwar um so mehr, da ich Ihnen in einem von diesen meine Ansicht bezüglich der Wahl der Subpriorin schrieb. Was indessen diese Angelegenheit betrifft, so werden Sie wohl selbst besser beurteilen können, was für Ihr Kloster zuträglich ist; allein ich muß Ihnen nochmal sagen, daß es ein großer Mißstand ist, wenn in einem Kloster neben der kranken Priorin sich auch eine kranke Subpriorin befindet. Ein anderer Mißstand ist es, wenn die Subpriorin nicht gut zu lesen und den Chor zu leiten versteht; es wäre das auch ein Verstoß gegen die Satzungen. Wer kann Ihnen denn verbieten, jede beliebige Schwester ans Sprechgitter zu senden, um irgendein Geschäft abzumachen? Und was werden Sie tun, wenn Sie einmal sehr krank werden? Nach meinem Dafürhalten wird Gabriela nie über das hinausgehen, was Sie ihr auftragen; und wenn Sie ihre Befugnis und ihr Ansehen erhöhen, dann wird sie so viel Tugend besitzen, um kein böses Beispiel zu geben. Darum war ich erfreut, wahrzunehmen, daß Sie selbst eine Neigung für sie haben. Möge Gott alles aufs beste ordnen!
Ihre Bemerkung, man dürfe nicht alles glauben, was die Schwester vom heiligen Hieronymus sagt, macht mir Spaß, da ich Ihnen doch das gleiche schon so oft geschrieben habe. In einem Briefe an García Alvarez, den Euere Ehrwürden zerrissen, habe ich Ihnen mit allem Nachdruck ans Herz gelegt, dem Geiste dieser Nonne keinen Glauben zu schenken. Bei all dem ist sie, ich versichere Sie, doch eine gute Nonne; und wenn sie nicht außer Fassung ist, kann man sie mit Beatrix gar nicht vergleichen. Sie mag wohl aus Mangel an Einsicht, aber nicht aus Bosheit fehlen; ich kann mich indessen auch täuschen. Lassen Sie diese bei keinem anderen Priester als nur bei den Vätern unseres Ordens beichten, und es wird alles wieder vergehen. Will sie aber von Zeit zu Zeit bei Rodrigo Alvarez beichten, so teilen Sie ihm mit, was ich von dieser Nonne denke! Vergessen Sie nie, ihm meine Empfehlungen zu entbieten!
Ich habe mich gefreut, aus den Briefen der Schwestern zu erfahren, wie sehr sie Ihnen zugetan sind, und das ist nach meiner Ansicht sehr gut. Ihr Brief aber war für mich in der Tat eine Erquickung und ein Wonnegenuß. Dadurch ward mein Mißmut wegen der Schwester vom heiligen Franziskus verscheucht, deren Brief mir wenig Demut und Gehorsam zu verraten schien. Sehen Sie also daraus, daß es mit ihr besser wird und sie in ihren Briefen nicht allzusehr übertreibt!
Es muß ihr noch etwas von Paterna geblieben sein. Wenn sie auch meint, durch ihre Umschweife beim Erzählen nicht zu lügen, so ist doch ihr Stil ganz und gar der Vollkommenheit zuwider, die billigerweise nur erlaubt, sich klar auszudrücken. Dadurch setzt man die Oberen der Gefahr aus, eine Menge Unklugheiten zu begehen. Sagen Euere Ehrwürden ihr dies als Antwort auf den Brief, den sie mir geschrieben, sowie auch, daß ich mit ihr erst dann zufrieden sein werde, wenn sie diesen Fehler verbessert hat. Mein Wunsch wäre indessen, daß wir unserem großen Gott gefallen möchten; um mich aber soll man sich nur wenig kümmern.
O meine Töchter, hätte ich doch Zeit und könnte es mein Kopf ertragen, Ihnen in diesem Briefe einen ausführlichen Bericht über die Vorkommnisse dieses Klosters zu senden, wieviel würden Sie dadurch an Erfahrung gewinnen! Sie würden selbst Gott um Verzeihung bitten, daß Sie mich nicht benachrichtigt haben. Denn ich habe erfahren, daß Ihnen einige Vorkommnisse nicht unbekannt waren, die — und ich wollte es wagen, eine Wette einzugehen — selbst in jenen Klöstern nicht zutage treten, deren Ordenszucht am meisten in ganz Spanien gelockert ist. Einige davon entschuldigt zwar die gute Absicht, aber bei anderen genügt sie nicht zur Entschuldigung. Lassen Euere Ehrwürden sich das zur Warnung dienen und beobachten Sie genau die Satzungen, die sonst bei Ihnen soviel gelten, außer Sie wollen wegen eines unbedeutenden Gewinnes an Weltgunst bei Gott alles verlieren!
Jetzt erkennen alle Schwestern die verderblichen Wege, die sie gewandelt, und bekennen dies auch offen. Nur Beatrix von Jesu bildet hierin eine Ausnahme, die aus lauter Gefälligkeit gegen die Schwestern mir nie etwas anzeigte und auch jetzt noch mit keiner Silbe davon spricht, obwohl sie weiß, daß ich davon Kenntnis habe. Dadurch hat sie bei mir viel an Achtung verloren.
Seit meiner Ankunft dahier hört der bisherige Beichtvater nicht mehr die Beichten der Nonnen, und ich glaube auch, daß er dies nie mehr tun wird. Er gebrauchte diese Vorsichtsmaßregel wegen des Volkes, das sehr gegen ihn aufgebracht war. Desungeachtet aber ist er ein vorzüglicher Mann, der anderswo sehr gut wirken wird. Gott verzeihe dem, der Ursache war, daß er dem Kloster verlorenging! Er hätte selbst große Fortschritte in der Tugend gemacht, und auch die Schwestern würden unter seiner Leitung [viel] gewonnen haben. Er sieht auch wohl ein, daß ich recht gehandelt habe, indem ich so verfuhr; er hat mich besucht, und ich zeigte mich gegen ihn, wie es auch billig ist, recht entgegenkommend. Was mich an ihm besonders erfreut, ist seine Aufrichtigkeit; aber Mangel an Alter und Erfahrung richtet viel Unheil an. O meine Mutter, wie ist doch die Welt so voll Bosheit, daß sie nichts mehr gut auslegt! Wenn wir uns nach der Erfahrung, die wir jetzt gemacht haben, nicht [besser] in acht nehmen, dann wird es vom Schlimmen zu noch Schlechterem kommen. Möchten Sie doch um der Liebe Gottes willen in Zukunft ein reiferes Urteil in allem an den Tag legen, da Sie bei all diesen Vorkommnissen am meisten an Erfahrung gewonnen haben! Ich werde dasselbe tun.
Es ist mir aufgefallen, daß mir die Nonnen kein einziges Festlied sandten; denn bei Gelegenheit Ihrer Wahl sind doch gewiß mehrere verfaßt worden. Mich freut es immer, wenn die Schwestern in Ihrem Kloster sich mäßig erheitern; und wenn ich mich irgend jemals anders geäußert hatte, so tat ich dies aus besonderen Gründen. Die Schuld daran trägt meine Schwester Gabriela. Größen Sie diese vielmals; ich würde ihr gerne schreiben!
Als Subpriorin für das neue Kloster in Villanueva nehme ich die Schwester vom heiligen Angelus mit, und als Priorin wähle ich mir eine von den Schwestern in Toledo aus; aber ich bin mir noch nicht klar, welche Wahl ich treffen werde. Empfehlen Sie alle diese Stiftung recht angelegentlich dem Herrn, damit sie zu seiner Ehre gereiche! Vergessen Sie in Ihrem Gebete auch die Beatrix nicht, mit der man inniges Mitleid haben muß! Die Versicherung der Schwester Margareta freut mich, wenn sie wirklich so bleibt, wie sie sagt. Die Zeit wird alles ausgleichen, wenn diese Schwestern nur sehen, daß
Euere Ehrwürden Liebe zu ihnen tragen.
Ich bin ganz verwirrt, wenn ich an die Verpflichtungen denke, die wir gegen den guten Pater Prior de las Cuevas haben. Senden Sie ihm die freundlichsten Grüße von mir! Sagen Sie allen Schwestern, sie möchten mich unserem Herrn empfehlen, und vergessen auch Sie mich nicht in Ihrem Gebete; denn ich bin sehr alt und entkräftet! Es ist nicht viel, wenn der Pater Prior mich liebt, da er mir diese Liebe schuldig ist. Gott möge ihn uns erhalten! An ihm haben wir einen kostbaren Schatz, und wir sind verpflichtet, für ihn eifrig zu beten. Seine Majestät sei mit Euerer Ehrwürden und erhalte Sie mir! Amen.
Die Antwort der Mutter Priorin und der Beatrix teile ich Ihnen nicht mit, da ich sehr ermüdet bin. Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß mein Bruder mir schon zwei Briefe hierher gesandt hat. Er ersucht mich, Ihnen die Not zu schildern, in der er sich befindet und die, wie er meint, größer ist als die Ihrige. Sie würden ihm eine große Wohltat erweisen, wenn Sie ihm für jetzt wenigstens die Hälfte von dem, was Sie ihm noch schulden, zurückbezahlten. Ich übergab die Briefe einer unserer Nonnen, um sie Ihnen zu übersenden, allein man konnte sie nicht mehr finden. Aus diesen Briefen sollten Sie ersehen, daß ich Sie nicht drängen würde, wenn nicht mein Bruder mich bestürmt hätte. Sie können sich die Geldverlegenheit, in der mein Bruder sich befindet, denken, wenn ich Ihnen sage, daß er einen guten Teil der Renten, die er von Sevilla bezieht, zu verkaufen genötigt war. Wenn Sie ihm darum jetzt auch nur einen geringen Teil von dem bezahlten, was Sie ihm schulden, so wäre ihm damit viel geholfen. Ich würde ihm von hier aus die Summe vorgestreckt haben, allein hier sind alle Quellen vertrocknet.
Euerer Ehrwürden unwürdige Dienerin
Theresia von Jesu
Aus der Länge dieses Briefes können Sie abnehmen, wie gern ich Ihnen geschrieben habe. Er wiegt leicht alle vier Briefe auf, die ich an die Priorinnen in Kastilien sandte; überhaupt schreibe ich selten Briefe mit eigener Hand. Ich habe mich sehr gefreut über die gute Ordnung, die der Pater Prior in Ihre Vermögensverhältnisse gebracht hat, damit Sie durch das keinen Schaden erleiden, was Sie meinem Bruder schulden, selbst dann nicht, wenn auch wir in Not geraten sollten. Hier sind alle Nonnen mit ihrer Priorin sehr zufrieden, und sie haben auch allen Grund dazu; sie ist, ich versichere Sie, eine der besten Priorinnen, die wir in unseren Klöstern haben, und zudem erfreut sie sich einer guten Gesundheit, was von großer Bedeutung ist. Das Kloster ist jetzt wie ein Paradies. Was den erlittenen Verlust an Vermögen betrifft, so habe ich den Nonnen einige Erwerbsquellen angegeben, so daß sie sich durchhelfen können. Gott gebe, daß ihnen damit geholfen ist! Durch die Priorin geht wenigstens nichts zugrunde, da sie die Leitung des Hauswesens vorzüglich versteht.
An Pater Gregor recht viele Grüße; ich lasse ihn fragen, ob er mich denn ganz vergessen habe. Grüßen Sie mir auch den Pater Soto! Seine Freundschaft hat Ihnen sehr viel genützt... ein anderer ebenso guter an seiner Stelle... Ihr Kloster muß ihn Gott empfehlen; er ist sehr gut bedacht worden. Ich wünschte, er möchte wieder zu Ihnen zurückkehren; ich halte ihn für einen tugendhaften und treuergebenen Mann.
Anschrift: An die Mutter Priorin vom heiligen Joseph in Sevilla, Karmelitin.
