390. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Ávila, am 8. November 1581
Armut des Klosters in Ávila. Pater Garcia de Toledo. Das Erbe des Don Laurentius. Die zweihundert Dukaten des Paters Nikolaus. Vorwürfe. Anordnungen für die Klausur. Pater Rodrigo Alvarez und die »Seelenburg«. Verlegung des Klosters in Sevilla.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Ihr Brief hat mir großen Trost bereitet; es ist dies aber nichts Neues; denn wenn die Briefe mancher Schwestern mich auch ermüden, so bereiten mir die Ihrigen immer wieder eine Erholung. Wenn Sie mich lieben, so versichere ich Sie meiner Gegenliebe, und es freut mich, daß Sie mir dies sagen. Wie tief liegt doch in unserer Natur das Verlangen nach Vergeltung! Es kann dies wohl nichts Böses sein, da auch unser Herr von uns Vergeltung will, obgleich zwischen der Liebe, die wir ihm schuldig sind und die Seine Majestät verdient, und jener Liebe, die wir ihm entgegenbringen, ein unendlicher Abstand ist. Suchen wir ihm doch einigermaßen ähnlich zu werden!
Von Soria aus habe ich einen sehr langen Brief an Sie geschrieben; allein ich weiß nicht, ob ihn Pater Nikolaus Ihnen zugesandt hat. Ich war immer in Furcht, Sie möchten ihn nicht erhalten haben. Hier wurde viel für Sie und Ihre Töchter gebetet, und darum wundere ich mich nicht, daß es Ihnen wohlergeht und Sie im Frieden leben; ja ich bin im Gegenteil überrascht, daß Sie noch nicht heilig sind. So lange Sie in großen Bedrängnissen sich befanden, wurde in unseren Klöstern unaufhörlich für Sie gebetet; jetzt aber, da Sie von diesen Leiden frei sind und über uns, zumal über das St.JosephsKloster in Ávila, so große Drangsale gekommen sind, sollen Sie uns dies wieder vergelten. Hier haben mich die Schwestern zur Priorin erwählt einzig deshalb, weil sie in äußerster Armut leben. Urteilen Sie, ob ich bei meinen Jahren und bei meinen so vielfachen Beschäftigungen fähig bin, eine solche Last zu tragen!
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß ein Edelmann aus Ávila den Schwestern ein gewisses Besitztum vermacht hat, welches ihnen nicht den vierten Teil von dem einträgt, was sie notwendig zum Leben brauchen, und sie treten erst im nächsten Jahr dessen Genuß an. Unmittelbar darauf haben sie fast gar kein Almosen mehr erhalten von den Leuten aus der Stadt, die ihnen bisher solche zuschickten. Ich weiß nicht, was aus ihnen werden wird, wenn ich die Schulden bedenke, die auf dem Kloster lasten. Empfehlen Sie alle diese Angelegenheiten und mich Gott! Denn meine Natur sträubt sich, zumal gegen das Amt einer Priorin bei so zerrütteten Verhältnissen. Wenn indessen dadurch Gott gedient wird, so achte ich dies alles für nichts.
Es tut mir recht leid, daß Sie mir in etwa gleichen; denn bei mir ist alles schlecht, ja sehr schlecht, besonders meine Gesundheit. Es hat mich indessen nicht besonders aufgeregt, als man mir von Ihrem Herzleiden berichtete; wenn es auch in seinen heftigen Ausbrüchen peinlich ist, so muß es doch zur Hebung anderer Leiden beitragen, und schließlich ist es auch nicht gefährlich. Ich habe dies sogar als Wohltat für Sie betrachtet, da man, wie man mir sagte, eine Wassersucht befürchtete. Man muß hierbei nicht eine Menge von Heilmitteln auf einmal anwenden; aber notwendig ist, daß man die Krisis zu beseitigen sucht.
Ich lege Ihnen in diesem Briefe ein Rezept für Pillen bei, die von vielen Ärzten empfohlen worden sind und die auch mir ein sehr geschickter Arzt verordnet hat. Ich bin überzeugt, daß der Gebrauch dieser Pillen Ihr Leiden in hohem Grade lindern wird, selbst dann, wenn Sie nur alle vierzehn Tage eine Pille nehmen. Ich habe dadurch große Erleichterung gefunden, und es geht mir viel besser, trotzdem ich immer meine Erbrechungsanfälle und mehrere andere Krankheiten habe; aber ich wiederhole es, diese Pillen bekommen mir außerordentlich gut und sind auch nicht schwer zu nehmen. Unterlassen Sie es ja nicht, einen Versuch damit zu machen!
Ich wußte schon, daß meine Gabriela schwer erkrankt war, jetzt aber sich wieder auf dem Wege der Besserung befindet, da ich es von unserem Vater erfahren habe, der eben hier war, als man ihm Ihren Brief übergab. Diese Nachricht war für mich und für Theresia, die immer noch eine große Liebe zu den Schwestern in Sevilla trägt, sehr betrübend. Sie empfiehlt sich dem Gebete Euerer Ehrwürden und aller Schwestern. Sie würden alle Gott lobpreisen, wenn Sie diese sehen und von ihrer Auffassung der Vollkommenheit des christlichen Lebens, ihrem Verständnis und ihrer Tugend sich überzeugen könnten. Flehen Sie doch um der Liebe willen zu Gott, er möge sie auf diesem Wege weiterführen; denn wie es nun einmal in der Welt geht, kann man auf nichts Vertrauen setzen. Wir empfehlen sie Gott inständig. Er sei gepriesen dafür, daß er sie hier bei mir gelassen hat! Beten Sie recht innig für sie und für die anderen Schwestern! Der Schwester vom heiligen Franziskus bitte ich zu sagen, daß ihr Brief mich gefreut hat, und ihr mitzuteilen, daß Acatius García gestorben ist, damit sie zu Gott für dessen Seelenruhe betet.
Ich habe zu meiner sehr großen Freude erfahren, daß mein guter Pater García bei Ihnen in Sevilla war. Gott vergelte Ihnen all die guten Nachrichten, die Sie mir zukommen lassen! Man hatte mir allerdings seine Rückkehr schon angekündigt; allein ich konnte es nicht recht glauben, so sehr ich es auch wünschte. Mögen sich alle Schwestern recht liebevoll gegen ihn erzeigen! Denn sie sollen wohl bedenken, daß er Mitbegründer unseres Ordens ist, bei dessen Reform er mir große Hilfe geleistet hat. Darum ist es nicht angebracht, daß die Schwestern sich vor ihm verschleiern; vor allen anderen aber und besonders vor den Unbeschuhten dürfen sie nicht anders als verschleiert erscheinen, wie das in allen unseren Klöstern üblich ist.
Aus Indien schickt man nichts. Als man etwas absenden wollte, kam daselbst die Nachricht von dem Tode meines Bruders — Gott habe ihn selig — an. Es wird darum notwendig sein, daß man eine Anweisung [seines Sohnes] Don Franz hinsendet, um das Geld zu erhalten. Laurentius ist [in Westindien] verheiratet und befindet sich in sehr guten Verhältnissen. Er soll mehr als sechstausend Dukaten jährliches Einkommen haben. Wundern Sie sich nicht darüber, daß er Ihnen noch nicht geschrieben hat! Denn er hat eben erst die Nachricht von dem Tode seines Vaters erhalten. Ach, wüßte er doch, in welch armseliger Lage sich sein Bruder befindet und welche Verdrießlichkeiten ich mit all unseren Verwandten habe! Deshalb vermeide ich es soviel wie möglich, mich mit irgendeiner ihrer Angelegenheiten zu befassen. In diesem Sinne habe ich mich auch dem Pater Nikolaus gegenüber ausgesprochen. Dieser ließ mir nämlich während meines Aufenthaltes in Palencia sagen, ich möchte meine Zustimmung geben, daß man ihm das Geld ausbezahle, das das Kloster in Sevilla meinem Bruder selig schuldete; er meinte, es könne später hier wieder ersetzt werden. Ich erklärte ihm aber, daß ich dies in keiner Weise zugeben werde. Deshalb habe ich Ihnen auch geschrieben, Sie möchten das Geld nicht über Madrid schicken, weil ich fürchtete, es könnte geschehen, was jetzt wirklich eingetreten ist. Es hat mir dies gar nicht gefallen; denn ich liebe die Offenheit. Jetzt hat mir Pater Nikolaus wieder sagen lassen, er werde 100 Dukaten senden, die anderen 100 werde er von jemand erheben, dem man sie nicht so bald erlegen müsse. Ich schrieb ihm nun zurück, indem ich mich über Sie recht ungehalten zeigte, und fügte bei, es scheine fast, daß Sie beide im Einverständnis miteinander gehandelt hätten. Dieser Gedanke ist mir auch wirklich gekommen, nachdem ich Ihnen doch die bestimmte Weisung gegeben und Sie trotzdem taten, was geschehen ist. Sie hätten auf diese Weise wirklich verdient, die Zahlung zweimal leisten zu müssen, was auch notwendig sein wird, wenn man mir das Geld nicht übergibt. Horatius [Doria] hat durchaus kein Recht auf das Geld; denn wenn Sie es an Pater Nikolaus gesandt haben, damit er es mir übergebe, so hatte er keinen genügenden Grund, es ohne Ihre Erlaubnis seinem Bruder auszuhändigen, damit dieser sich auf diese Weise bezahlt mache.
Pater Nikolaus sagt, sein Bruder werde von dem Almosen im Betrage von 1500 Dukaten, das er zu geben verpflichtet ist, dem Kloster in Sevilla tausend Dukaten zuwenden. Davon könnten Sie dann das übrige wegnehmen und bezahlen, was zu zahlen ist. Ich habe ihm geschrieben, er möge doch auch dem hiesigen Kloster etwas zuwenden, da es in äußerster Not sich befindet. Wenn sich eine Gelegenheit bietet, so bitten Sie ihn Ihrerseits um etwas für uns; denn so ein Bruder versteht das Betteln auch sehr gut. Aber erledigen Sie beide die Angelegenheit miteinander, um mir meine 200 Dukaten zurückzubezahlen; denn ich habe es satt, mit Pater Nikolaus weiter darüber zu verhandeln, und werde künftighin kein Wort mehr mit ihm davon sprechen.
Den Bau der Kapelle hat man noch nicht begonnen. Wenn man sie, solange ich in Ávila bin, nicht baut oder wenigstens mit deren Bau beginnt, so weiß ich nicht, wie und wann sie erbaut werden soll. Ich hoffe nämlich, wenn Gott es will, von hier aus mich zur Stiftung nach Madrid begeben zu können.
Sie werden wissen, daß in dem Testamente meines Bruders, wie ich glaube, vierhundertdreißig Dukaten stehen. Ich erinnere mich nur so halb und halb, von Ihnen gehört zu haben, daß mein Bruder die dreißig Dukaten Ihrem Kloster geschenkt habe, als das Testament schon fertig war und er nach Sevilla kam. Da er nun späterhin nicht die geringste Bestimmung bezüglich dieses Punktes hinterlassen hat, so weiß ich nicht, ob man dieses Geld von Ihrer Schuldsumme abziehen soll. Erkundigen Sie sich in Sevilla über diesen Punkt! Um mich nicht zu ermüden, werde ich das Testament nicht noch einmal lesen. Gehören die dreißig Dukaten noch dazu, so werden Sie es dort schon erfahren. Angenommen, dieses Geld würde mir gehören oder mir zur Verfügung stehen, so würde ich mich, Sie dürfen es mir gewiß glauben, dieser Angelegenheit lieber nicht annehmen. Ach, wenn Sie sehen würden, in welch traurigem Zustand sich das Eigentum meines Bruders befindet! Sein armer Sohn war nur zum Dienste Gottes berufen. Ich wollte mich nicht mehr in seine Angelegenheit einmischen; allein man sagte mir, ich sei im Gewissen dazu verpflichtet. Der Kummer über den Verlust eines so guten Bruders war nichts im Vergleich zu den Sorgen, die mir die Überlebenden verursacht haben; ich weiß nicht, wohin dies führen wird.
Was den Pater Nikolaus betrifft, so glaubte er, das Geld werde von unseren Klöstern in Kastilien sogleich eingesammelt und mir übergeben werden; es hat mich aber verdrossen, zu sehen, daß er sich mir gegenüber so hartnäckig benommen hat und daß auch Sie selbst wider meinen Willen ihm die Hand boten. Will ich mich auch jetzt wirklich darüber hinwegsetzen, so weiß ich nicht, von welchem Kloster ich dieses Geld werde bekommen können. Einige Klöster werden die Ausgaben für die Provinz, die sie treffen, bezahlen, und sie bringen auch allmählich die Summe auf, die ihnen zugeteilt wurde; andere aber werden sie nicht so bald aufbringen können, und es sind manche unter ihnen, die so schon vieles beigesteuert haben. Da hätte doch der Bruder des Paters Nikolaus viel besser getan, noch zuzuwarten, als mich auf diese Weise zu hindern, jene Kapelle zu erbauen, die mir mein Bruder selig aufgetragen hat. Angenommen, ich sterbe, dann wird der Bau überhaupt unterbleiben infolge der Notlage, in der sich sein Sohn befindet; das Geld wird wahrscheinlich ausgegeben werden, und nach dem, was ich sehe, kann man es sogar als sicher annehmen.
Unterlassen Sie nicht, mir zu schreiben, wie es Ihnen im geistlichen Leben geht! Sie bereiten mir dadurch eine Freude. Nach so vielen Leiden muß Ihr innerer Zustand ein vortrefflicher sein; senden Sie mir auch Ihre Gedichte! Es hat mich sehr gefreut, daß Sie die Schwestern aufzuheitern suchen; denn sie haben es sehr nötig. Teilen Sie mir auch mit, ob die Gesundheit der Mutter Subpriorin wieder vollständig hergestellt ist. Gott sei in allem gepriesen, da er sie uns noch gelassen hat!
Die Komplet und die Rekreation finden wie gewöhnlich statt. Ich habe darüber Theologen um Rat gefragt und ihnen die Mißstände dargelegt, die damit verbunden sind. Ich habe ihnen außerdem gesagt, daß die Regel anordne, man müsse das Stillschweigen nur bis »Pretiosa« beobachten, während man es in Ávila den ganzen Tag hindurch hält. Unserem Vater hat dies nicht übel gefallen.
Die Türen der Sakristeien, die zur Kirche führen, müssen mit einer Mauer verschlossen werden. Man darf also nicht mehr durch sie in die Kirche gehen. Denn nach dem Motu proprio würde man der Exkommunikation verfallen; dasselbe gilt auch von der Pforte, die auf die Straße führt. An Orten, wo es möglich ist, soll die Dienerin auf der inneren Seite bleiben und die äußere Tür abschließen. Da diese Einrichtung hier nicht möglich ist, haben wir ein Schloß bestellt, das sich von innen und außen schließen und öffnen läßt. Der Hausdiener schließt jeden Abend von außen und öffnet jeden Morgen; wir haben einen zweiten Schlüssel, um von innen zu öffnen und hinauszugehen, falls ein Unglück sich ereignen sollte. Die Kirche wird von nun an nicht mehr so reinlich sein; es ist schade darum, allein es läßt sich nicht anders machen.
Für die Sakristei muß eine Winde angeschafft und ein tüchtiger Sakristan angestellt werden. Die Exkommunikation des Papstes bezieht sich auf die Sakristei und auf die Pforte der Klausur, und deshalb muß man sich diesen Anordnungen fügen. Für uns würde es übrigens genügen, zu wissen, daß dies ein Punkt unserer Satzungen ist; die Erfahrung hat zur Genüge gezeigt, welche Gefahr damit verbunden ist, wenn man sie nicht beobachtet. Wenn man eine einzige Satzung aus Gewohnheit übertritt, begeht man eine Todsünde.
Es sind, wie ich glaube, mehr als vierzehn Tage, seitdem ich diesen Brief begonnen habe. Ich habe eben einen anderen von Euerer Ehrwürden und einen von Pater Rodrigo Alvarez erhalten. Ich bin ihm zu großem Danke verpflichtet für das Gute, das er Ihrem Kloster erwiesen hat; und ich würde ihm gerne antworten, weiß aber nicht, wie es mir möglich sein wird. Manches, um was er mich bittet, eignet sich nicht für einen Brief; aber wenn ich ihn treffen könnte, würde ich mich nicht weigern, alle seine Fragen zu beantworten, da er meine Seele kennt. Ich würde mich im Gegenteil überaus freuen, da ich in Ávila niemand habe, bei dem ich mich so aussprechen und etwas Trost finden könnte. Würde mir Gott den Pater García hieher senden, so fände ich große Hilfe in der gegenwärtigen Lage. O welchen Kummer haben Sie mir doch bereitet, daß Sie mir in Ihrem Briefe nichts von ihm berichteten! Er soll, wie man mir mitgeteilt hat, nach Madrid abgereist sein; deshalb schreibe ich ihm nicht, wenn ich auch den innigsten Wunsch hege, einen Brief an ihn zu senden und einen von ihm zu erhalten. Er würde sehr überrascht sein, wenn er wüßte, wieviel ich ihm schulde.
Ich komme wieder auf das zurück, was ich schon sagte, vorausgesetzt, daß es Euere Ehrwürden für gut halten. Unser Vater hat mir gesagt, daß er bei Ihnen ein von mir geschriebenes Buch zurückgelassen habe, das Sie vielleicht nicht zu lesen geneigt sind. Wollen Sie, bitte, dem Pater Rodrigo Alvarez, wenn er in Ihr Kloster kommt, unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses, wie er es in seiner Bescheidenheit selbst verlangt, die »letzte Wohnung« vorlesen, und zwar nur Sie allein! Teilen Sie ihm mit, daß die ihm bekannte Person an jenem Punkte angelangt sei und sich eines Friedens erfreue, von dem dort die Rede ist.
Sie lebt in tiefem Frieden, und mehrere Theologen haben ihr versichert, daß sie auf gutem Wege wandle. Für den Fall, daß Sie diesen Abschnitt nicht im Kloster vorlesen, senden Sie ihm in keiner Weise das Buch! Es könnte daraus irgendeine Unannehmlichkeit entstehen. Solange er mir seine Meinung in diesem Punkt nicht mitteilt, werde ich ihm keine Antwort geben. Grüßen Sie ihn bestens von mir!
Was Ihre Absicht, in das Kloster zum heiligen Bernhard überzusiedeln, betrifft, so bin ich erstaunt, daß sich jemand, der Sie so innig liebt, so gewaltig täuschen konnte. Alle Schwestern des hiesigen Klosters und auch ich waren so erfreut darüber, daß wir die Stunde kaum erwarten konnten, in der die Schwestern dort einziehen durften. Dieser Pater muß ohne Zweifel dieses Haus nicht gut geprüft und auch nicht gewußt haben, daß es in der Nähe des Stadtviertels der Morisken liegt. Ich selbst würde mich darüber gefreut haben, da ich Sie so innig liebe. Ich versichere Sie, meine Tochter, ich werde nichts dagegen haben, daß Sie in ein anderes Haus übersiedeln, falls Sie ein besseres als das gegenwärtige finden und keine Schulden mehr haben. Allein in Sevilla habe ich die Häuser sehr teuer gefunden. Ihr Plan scheint mir darum unmöglich zu sein, und ein anderes Haus, das Ihnen vielleicht geeigneter erscheint, wird noch mehr Mängel haben als das gegenwärtige. Ich war wirklich recht zufrieden mit dem, das Sie jetzt bewohnen. Wir brauchen weiter nicht mehr darüber zu reden, und auch Pater Nikolaus wird nicht mehr davon sprechen; ich habe ihm in diesem Sinne geschrieben. Sie dürfen es mir jedoch glauben, daß er meint, er habe sein Ziel vollständig erreicht; da er mir so vieles Gute von diesem Hause erzählte und ich sah, daß alle Schwestern gern aus dem jetzigen Hause ausziehen wollten, so pries ich Gott. Möge er uns erleuchten, daß wir in allem das Rechte treffen!
Pater Nikolaus ist gegenwärtig gar nicht wohl. Beten Sie für ihn zu Gott, er möge ihn uns erhalten; denn wir würden an ihm viel verlieren und ihr Kloster am meisten. Gott sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter, und mit allen Schwestern! Möge er uns alle heilig machen!
Heute ist der 8. November.
Schon bevor ich Ihren Brief erhielt, hatte man mir über das Haus, in das Sie ziehen wollten, so vieles erzählt, daß ich staunen mußte. Ich habe vom Karannaharz schon so viel verteilt, daß mir fast nichts mehr bleibt. Es leistet mir sehr gute Dienste sowie auch mehreren Schwestern. Senden Sie mir, bitte, wieder solches Harz, wenn sich Gelegenheit dazu schickt! Flehen Sie alle zu Gott, er möge mir die nötigen Mittel zum Unterhalte des hiesigen Klosters verschaffen! Denn ich weiß nicht, was ich anfangen soll. Alle Schwestern empfehlen sich recht angelegentlich in Ihr Gebet.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Anschrift: An die Mutter Priorin vom heiligen Joseph im Kloster der unbeschuhten Karmelitinnen in Sevilla.
