33. Brief — An Doña Luise de la Cerda in Paracuellos
Kloster der Menschwerdung in Ávila, am 7. November 1571
Ermutigung in ihren Prüfungen. Glückliche Veränderungen im Kloster der Menschwerdung zu Ávila. Demut der Heiligen. Eitelkeit der Welt. Liebe zu Doña Luise.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Gnaden!
Ich habe an Sie drei Briefe geschrieben, seitdem ich hier im Kloster der Menschwerdung bin, d. h. seit etwas mehr als drei Wochen, und es scheint, Sie haben keinen davon erhalten. Ich nehme dermaßen Anteil an Ihren Mühseligkeiten, daß ich infolge dieser Sorge, die sich zu meinen zahlreichen Prüfungen dahier gesellt hat, Gott nicht um andere zu bitten brauche. Er sei gepriesen für alles! Man sieht wohl, daß Euere Gnaden zu der Zahl jener Seelen gehören, die zum Genusse seines Reiches gelangen sollen, da er Ihnen den Kelch zum Trinken reicht, indem er Ihnen soviel Leiden schickt als Unterpfand seiner großen Liebe zu Ihnen.
Ich habe einmal in einem Buche gelesen, daß der Lohn der Leiden die Liebe Gottes ist. Wer sollte diese also nicht lieben, da sie einen so hohen Wert haben? Daher bitte ich Sie, die Leiden gerne zu haben. Bedenken Sie, daß alles hier auf Erden schnell vorübergeht, und bemühen Sie sich, von allen jenen Dingen sich loszumachen, die keinen dauernden Bestand haben.
Ich wußte schon, daß Sie leidend waren; deshalb habe ich heute schon Sorge dafür getroffen, Nachricht über Ihre Gesundheit zu bekommen. Der Herr sei dafür gepriesen, daß es Ihnen besser geht! Verlassen Sie doch diesen Ort aus Liebe zu Gott! Man sieht klar, wie schädlich er für jedermanns Gesundheit ist. Gott sei Dank ist meine Gesundheit im Vergleich zum gewöhnlichen Zustand gut; wenn nicht etwas Besserung vorhanden wäre, würde es mir unmöglich sein, so viele Sorgen zu ertragen.
Ich habe so peinlich dringende Geschäfte innerhalb und außerhalb des Klosters, daß ich kaum Zeit habe, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Möchte Ihnen der Herr das Wohlwollen, das Sie mir erwiesen, und den Trost, den Sie mir durch Ihren Brief verschafft haben, vergelten! Ich versichere Sie, manchmal brauche ich etwas Trost. Gnädige Frau! Wenn man sich von der Ruhe unserer Klöster umgeben sah und sich in der Aufregung dieses Klosters befindet, so weiß ich nicht, wie man leben kann. Auf alle mögliche Weise muß man leiden. Jedoch Ehre sei Gott dafür! Der Friede herrscht hier, und das heißt nicht wenig. Die Schwestern geben allmählich ihre Unterhaltungen und Freiheiten auf. Obgleich sie sehr gut sind und die Tugendübung in diesem Hause auf hoher Stufe steht, so bedeutet die Änderung der Gewohnheiten eine Art Tod für sie; sie ertragen dies wohl und erweisen mir viel Ehrfurcht; aber Sie werden begreifen, welche Mühe notwendig ist, um alles in Ordnung zu bringen in einem Hause, in dem hundertdreißig Nonnen sich befinden. Ich bin auch etwas voreingenommen für unsere Klöster; jedoch da ich nur aus Gehorsam hieher gekommen bin, so hoffe ich, daß der Herr in seiner Güte gnädig sie beschützen und nicht zulassen werde, daß sie mich vermissen.
Meine Seele scheint den Wirrwarr von diesem Babylon nicht zu empfinden; ich betrachte es als eine Gnade Gottes. Die Natur wird müde; aber alle Beschwerden sind gering in Anbetracht meiner schweren Beleidigungen Gottes.
Die Nachricht von dem Tode der guten Doña Johanna hat mich geschmerzt; möge sie Gott gnädig zu sich aufnehmen! Ja, er wird es auch tun, da sie eine treue Dienerin war. Wahrhaftig, ich weiß nicht, wie wir über jene weinen können, die die ewige Ruhe besitzen sollen und die Gott hinwegnimmt von den Gefahren und Eitelkeiten der Welt. Das bedeutet, daß wir hier uns selbst suchen und jene nicht lieben, die ein größeres Gut besitzen sollen.
Grüßen Sie, bitte, alle Damen, die bei Ihnen sind, ehrfurchtsvoll von mir. Was Sie betrifft, so vergesse ich Sie nicht. Es war nicht notwendig, mich in Ihrem Briefe daran zu erinnern; ich würde sogar gerne [meine Aufmerksamkeit] davon ein wenig ablenken, um nicht zu sehen, wie unvollkommen ich bin, wenn ich Ihre Leiden so lebhaft empfinde.
Möge der Herr Ihnen Zufriedenheit und den ewigen Frieden schenken! Was die irdischen Freuden betrifft, so haben Sie längst davon Abschied genommen, obgleich es Ihnen nicht scheint, daß Sie eine gute Belohnung als Bezahlung erhalten haben durch das Leiden, das Sie getroffen. Eines Tages werden Sie sehen, welchen Gewinn diese Prüfungen Ihnen gebracht haben, und für nichts in der Welt würden Sie wünschen, ihn verloren zu haben. Es ist ein großer Trost für mich, zu wissen, daß mein teuerer Pater Eduard bei Ihnen ist. Seitdem ich Ihnen nicht mehr zu Diensten sein kann, freut es mich, daß Sie eine so ausgezeichnete Stütze in Ihren Mühseligkeiten haben.
Der Bote ist da und wartet. Deshalb kann ich mich nicht mehr weiter verbreiten. Tausend ehrfurchtsvolle Grüße an alle dortigen Damen. Möge Sie der Herr an seiner Hand halten und Sie schnell vom Fieber befreien! Möge er Ihnen die Kraft geben, in allem Seine Majestät zufriedenzustellen, wie ich ihn darum bitte! Amen.
Geschrieben im Kloster der Menschwerdung, am 7. November.
Euerer Gnaden unwürdige Dienerin und Untergebene
Theresia von Jesu
Anschrift. An die sehr erlauchte Frau Doña Luise de la Cerda, meine Gebieterin, in Paracuellos.
