242. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Valladolid
Ávila, am 8. und 9. August 1578
Angst in betreff des Paters Gracián. Der Nuntius alleiniger Oberer der Reform. Bekanntgabe des Gegenbreves in Ávila. Unterwerfung der Heiligen.
Jesus sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Gestern schrieb ich an Sie und sandte den Brief auf dem Wege
über Mancera an den Subprior mit der Bitte, sich zu erkundigen, ob Euere Paternität, wie Sie mir mitteilten, sich noch in Peñaranda aufhalten. Ich trug ihm auf, niemandem etwas davon zu sagen, selbst nicht einem Ordensmann, sondern die Übersendung dieses Briefes als Geheimnis für sich zu bewahren. Gleichzeitig sandte ich Ihnen auch zwei Briefe des Rochus, in denen er sehr darauf dringt, daß Euere Paternität baldigst nach Madrid kommen. Er sagt zwar, daß er selbst an Sie schreiben werde, allein da ich fürchte, es möchten die Briefe aufgefangen werden, so teile ich Ihnen selbst mit, was vorgeht.
Falls Sie noch nicht dorthin abgereist sind, wohin Sie Ihrem Briefe gemäß sich begeben wollten, so werde ich einen Eilboten nach Valladolid senden, um der Priorin die Anweisung zu geben, was sie antworten soll. Rochus hält es für überaus wichtig, daß man überall dasselbe sage, da wir sonst verloren wären. Er schickte mir eine schriftliche Vorlage, die ich der Priorin übersende. Ich habe auch die übrigen Klöster davon verständigt. Gebe Gott, daß diese Vorsichtsmaßregel nicht notwendig werden möge!
Es wäre recht traurig, diese Seelen unter der Leitung eines Mannes zu sehen, der sie nicht versteht. Trotzdem aber ist es mein Paulus allein, der mir Kummer und Sorge macht. O wenn ich Sie doch frei wüßte! Ich weiß wirklich nicht warum, allein ich kann mich, wenn ich auch wollte, über alles andere nicht grämen. Der Herr wird für Sie sorgen; und wenn Sie sich in Kastilien in acht nehmen, dann werde ich zufrieden sein.
Mein Wunsch wäre, daß Sie nicht nach Madrid gingen; ich bin nämlich in großer Furcht, daß Sie, wenn Sie zum Messelesen gehen oder davon zurückkehren, in Gefahr kommen könnten. Ich bin erstaunt über die Art und Weise, wie die Dinge vor sich gehen, und ich wünschte, Sie hätten Valladolid schon verlassen und befänden sich an einem Ort, wo wir Ihretwegen ohne Furcht sein könnten. Teilen Sie mir doch um der Liebe willen mit, wo Sie sich aufhalten, damit ich nicht im ungewissen bin, wenn ich Ihnen über irgend etwas Nachricht geben will, wie ich es gegenwärtig bezüglich der Schriftzeichen bin, die Sie geändert haben, ohne mir davon Mitteilung zu machen. Es wäre mein inniger Wunsch, daß Sie immer einen Gefährten bei sich hätten, und wäre es auch nur ein Laienbruder.
Gestern war der Prior des St.ThomasKlosters bei mir. Nach seiner Ansicht würden Sie nicht übel handeln, wenn Sie vor Ihrer Abreise an den Hof noch die Antwort des Johannes und den Erfolg seiner Verwendung für unsere Angelegenheit abwarteten. Der Rektor der Gesellschaft Jesu und mein Bruder, denen ich mitgeteilt, was Sie an Johannes geschrieben haben, sind derselben Meinung. Da man Ihre Breven dem Präsidenten übergibt, sehe ich keinen Grund, warum man Sie so sehr drängt, nach Madrid zu gehen. Was mich betrifft, so würde ich dies wohl aus zwei Gründen wünschen: Fürs erste fürchte ich sehr, man möchte sich Ihrer Person, wenn Sie in Altkastilien blieben, bemächtigen, und wenn dies geschehen sollte — was Gott verhindern wolle —, so wäre es besser, Sie würden sich nach Madrid begeben; fürs zweite würden wir, bevor Sie mit dem König verhandeln, erfahren, was der Nuntius mit Ihnen vorhat; übrigens wird die Anwesenheit des Königs nicht ohne Einfluß sein.
Bis hierher habe ich gestern den Brief geschrieben; wollen Euere Paternität das Geschriebene sich genau ansehen! Ich bin überzeugt, daß Sie der Herr erleuchten wird, um das Rechte zu treffen, nachdem er Ihnen den Frieden zur Ertragung all dieser Leiden verliehen hat; ich habe dies bei Ihrem vertrauten Verkehr mit ihm wahrgenommen.
Als Neuigkeit kann ich Ihnen folgendes berichten: Am vorigen Sonntag, am dritten dieses Monats, machte man den Pater Mariano mit dem Inhalte eines Breves bekannt, das, soviel ich verstehe, wohl dasselbe ist, das man nach Valladolid gebracht hat. Übrigens hat sich Rochus darüber nicht klar ausgesprochen; er bemerkt nur, daß es sehr weitläufig sei und alles zurücknehme, was der vorige Nuntius angeordnet habe. Es muß wohl dasselbe sein, von dem Euere Paternität sprechen, aber man versteht es nicht. Rochus sagt, dies Breve sei vom Papste selbst; allein es ist nach meinem Dafürhalten sicherlich nur vom Nuntius, weil Pater Mariano in seiner Antwort bemerkt, man unterwerfe sich allem, was Seine Herrlichkeit anordnen. Auch fügt er bei, der Nuntius habe ihm befohlen, Euere Paternität nicht mehr als Vorgesetzten anzusehen, sondern einzig und allein dem Nuntius und keinem anderen zu gehorchen. Über diese letztere Anordnung habe ich mich gefreut. Vielleicht verleiht der Nuntius den beschuhten Vätern nicht mehr soviel Gewalt, als sie sich einbilden, und sicherlich wird er auch den König zufriedenstellen wollen. Wie Euere Paternität bemerken, will man mit diesen Reformen endlich Schluß machen; ich habe darüber nicht den geringsten Zweifel. Es wird für mich keine größere Freude geben, als Euere Paternität einmal frei zu wissen von dieser Last. Dann wird alles gut vonstatten gehen.
Hier und in Mancera ist uns noch nichts eröffnet worden. Da der Pater Provinzial von hier noch nicht abgereist ist, müssen diese Väter wohl noch auf etwas warten. Rochus bemerkt, dieses Breve müsse in allen Klöstern bekanntgemacht werden, aber er sagt nicht, ob bloß in den Männerklöstern oder auch in den Frauenklöstern.
Nach Alba habe ich schon geschrieben, die Priorin möchte jene Schwester, von der wir gesprochen haben, behalten; ebenso schrieb ich auch Theresia de Layz, sich damit zufriedengeben zu wollen. Die Gnade, die Ihnen Gott dadurch erweist, daß er Sie inmitten so vieler Arbeiten für einige Augenblicke Ruhe genießen läßt, erfüllt mich mit solchem Troste, daß ich nicht weiß, wie ich noch irgendeinen Schmerz empfinden kann.
Bis hierher war ich mit meinem Briefe gekommen, als der ehr-
würdige Pater Rioja mit einem Notar an der Pforte erschien, um uns das Breve bekanntzugeben. Man rief nicht mich, sondern die Mutter Priorin. Soviel ich verstehe, ist dieses Breve dasselbe, das man nach Valladolid bringen mußte und das sich, wie man sagt, in den Händen des Königlichen Ratskollegiums befindet. Gott verzeihe mir! Aber ich kann es nicht recht glauben, daß der Nuntius eine solche Anordnung getroffen, will sagen, in dieser Form sich ausgedrückt habe. Hätten Euere Paternität nicht nach dem Gutachten so vieler gelehrter Männer gehandelt, so würde ich mich nicht wundern, wenn Ihnen dieses Breve recht schmerzlich fiele. Da Sie aber in allem so gerecht vorgegangen sind, da Sie fast ein ganzes Jahr lang keine Visitationen mehr vorgenommen haben und sie erst wieder aufnahmen, nachdem Sie aus der Erklärung des Nuntius erfahren hatten, daß er Ihnen die Vollmacht, zu visitieren, nicht genommen habe, so begreife ich nicht, wie man jetzt eine solche Sprache führen kann. So schmerzlich mich übrigens auch diese Sache berührt, so stimmt sie mich doch andererseits zu großer Andacht, wenn ich bedenke, mit welcher Vorsicht und Mäßigung Euere Paternität bei diesen Visitationen zu Werke gegangen sind und wie Sie jetzt zum Lohne dafür solche Beschimpfungen erfahren. Ich versichere Sie, mein Vater, Gott liebt Sie sehr, und Sie ahmen das göttliche Vorbild getreu nach. Freuen Sie sich von ganzem Herzen; denn der Herr gibt Ihnen, um was Sie ihn bitten, nämlich Leiden! Er wird Ihr Verteidiger sein, da er gerecht ist. Er sei gepriesen für alles!
Alle Theologen von Ávila erklären, daß Sie nicht gehalten seien, dem Befehle des Nuntius zu gehorchen, solange er nicht zeige, woher seine Vollmacht stamme. O welch kostbare Schätze sind diese Leiden, mein Vater! Ihr Wert ist unschätzbar, da man durch sie eine so herrliche Krone gewinnt. Wenn ich bedenke, daß unser Herr selbst und alle seine Heiligen diesen Weg gegangen sind, so kann ich nicht umhin, Euere Paternität zu beneiden. Denn jetzt verdiene ich nicht mehr zu leiden; nur jenen Schmerz empfinde ich noch, den mir das Leiden dessen verursacht, den ich so sehr liebe, einen Schmerz, der mich mehr quält als alles, was ich sonst leiden könnte.
Morgen werden wir uns über die Absendung des Julian de Ávila nach Madrid beraten. Er soll übermorgen abreisen, um in unserem Namen dem Nuntius als unserem Obern die Aufwartung zu machen, um in Güte mit ihm zu verhandeln und ihn zu bitten, daß wir nicht der Jurisdiktion der Beschuhten unterstellt werden. Bei seiner Rückkehr werde ich auch an einige Personen schreiben und sie bitten, den Nuntius in bezug auf Euere Paternität besänftigen zu wollen; ich werde ihnen einige Gründe angeben und ihnen sagen, daß Sie keine Amtshandlung mehr ausüben würden, bis Sie die von ihm gegebene Erklärung vernommen hätten. Ich werde auch beifügen, daß Sie jederzeit gerne bereit gewesen wären, ihm zu gehorchen, wenn Sie nicht erfahren hätten, daß Pater Tostado in der Absicht gekommen sei, um uns zu vernichten. Ich kann ihm in Wahrheit und in aller Aufrichtigkeit sagen, daß ich mit der Anordnung, die er getroffen, sehr zufrieden bin. Denn, wenn wir unbeschuhte Nonnen nur nicht den beschuhten Vätern unterworfen werden, so läßt sich alles übrige leicht ertragen.
Julian de Ávila muß den Nuntius auch um die Erlaubnis einiger Dinge bitten, die in unseren Klöstern notwendig sind, wie z. B. daß die Handwerksleute das Kloster betreten dürfen und dergleichen anderes. Denn man hat mir gesagt, daß wir von dem Augenblick an, wo wir ihn als unseren Obern anerkannt hätten, auch unter seinem Gehorsam stünden. Möge uns der Herr seinen Beistand gewähren!
Dazu kann man uns nicht verpflichten, daß wir ihn beleidigen. Mein heiliger Paulus bleibt mir in meinem Hause, und niemand kann mich hindern, das zu halten, was ich diesem Heiligen gelobt. Unsere Schwestern hat das, was in dem Breve über Euere Paternität gesagt wird, mehr beleidigt als alles andere. Sie empfehlen sich Ihnen recht angelegentlich. Unsererseits wird viel gebetet. Wir haben nichts zu fürchten, mein Vater, sondern im Gegenteil Grund, Gott zu loben, da er uns den Weg geführt hat, den sein eingeborner Sohn gegangen ist. Seine Majestät erhalte mir Euere Paternität und verleihe gnädig, daß ich Sie einmal wieder frei von diesen Kämpfen sehe!
Heute ist der Vorabend des Festes des heiligen Laurentius.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und wahre Tochter
Theresia von Jesu
