111. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 7. September 1576
Häusliche Angelegenheiten des Klosters in Sevilla und andere Ordensangelegenheiten.
Jesus sei mit Euerer Ehrwürden!
An Ihren Briefen habe ich, ich versichere Sie, solche Freude, daß ich mich immer darnach sehne. Ich weiß nicht, woher es kommt, daß ich eine so besondere Liebe zu Ihrem Kloster und zu dessen Bewohnerinnen trage. Vielleicht ist das der Grund, daß ich dort so viele Leiden erduldet habe. Ich bin Gott sei Dank gesund; denn die Fieberanfälle haben sich in einen starken Katarrh verwandelt.
Das Leiden, das Ihnen und den dortigen Schwestern durch die Reden und Handlungen jener Väter widerfahren wird, habe ich wohl vorausgesehen. Auch hier hat es an solchen Leiden nicht gefehlt. Nachdem uns aber Gott von diesem Tostado befreit hat, hoffe ich von Seiner göttlichen Majestät, daß sie uns auch aus allen anderen Bedrängnissen gnädig erretten werde. Es ist nicht nötig, die feindselige Gesinnung Tostados gegen die Unbeschuhten und gegen mich zu übertreiben, er hat Beweise genug davon gegeben. Wir müssen eifrig beten, daß Gott unseren Vater von diesen Menschen befreie, sie erleuchte und Frieden schaffe in diesen Angelegenheiten. Denn solange der wohlehrwürdige General so gegen uns eingenommen ist, werden wie, so versichere ich Sie, genug Anlaß haben, durch Leiden uns Verdienste zu sammeln.
Weil Sie von unserem Vater alles erfahren werden, so will ich jetzt nicht weiter davon reden. Ich bitte Sie nur um der Liebe willen, mir alles sorgfältig zu berichten, was vorgeht, wenn nämlich unser Vater nicht schreiben kann, und ihm meine Briefe zu übergeben sowie die seinigen mir zu schicken. Sie sehen ja, welche Stürme sich erhoben, als er noch in Sevilla war; was wird es erst sein, wenn er fern von dort ist?
Der hiesige Generalbotenmeister ist ein Vetter einer unserer Nonnen in Segovia. Er hat mich besucht und mir gesagt, er wolle um dieser seiner Base willen uns jedmöglichen Dienst erweisen. Er ist, wie gesagt, Generalbotenmeister dahier und heißt Figueredo. Wir haben uns miteinander besprochen, und er sagt, daß ich fast in acht Tagen im Besitze der Briefe sein könnte, wenn Sie diese dort dem Generalbotenmeister übergeben. Sehen Sie, welch großer Vorteil dies für uns wäre! Er sagt auch, es könne keiner der Briefe, und seien es auch noch so viele, verlorengehen, wenn Sie das Briefpaket unter Kuvert legen mit der Adresse: »An Figueredo, den Generalbotenmeister in Toledo.« Es ist dies alles nur Plage für Euere Ehrwürden; ich weiß jedoch, daß Sie noch größere für mich auf sich nehmen würden, wie auch ich aus Liebe zu Ihnen vor keiner Mühe zurückschrecken würde. Seien Sie versichert, daß mich zu Zeiten ein so mächtiges Verlangen, Sie wieder zu sehen, ergreift, daß es scheint, als hätte ich an sonst nichts zu denken. Das ist volle Wahrheit.
Erkundigen Sie sich doch dort, wie wir diesen Generalbotenmeister titulieren sollen, ob man ihn »Magnifizenz« oder sonstwie nennt. Er besitzt einen sehr hohen Rang. Wegen der Leichtigkeit des Verkehrs mit Sevilla freue ich mich, hier bleiben zu können; denn in Ávila ist in dieser Hinsicht wenig Vorsorge getroffen. Ich habe übrigens auch noch andere Gründe, gerne hier zu sein. Nur wegen meines Bruders bedauere ich es, daß ich nicht dort bin; denn es fällt ihm das Fernsein von mir schwer. Sie handeln nicht recht, wenn Sie ihm nicht zuweilen schreiben. Aus beiliegendem Briefe, den er mir geschrieben, werden Sie ersehen, wie schlimm es um seine Gesundheit steht. Ich danke Gott, daß er doch vom Fieber frei ist.
Ich vergesse immer, die Briefe aufzubewahren, in denen man mir über die kleine Theresia schreibt. Alle bekennen, sie seien beschämt durch den Anblick ihrer Vollkommenheit und ihrer Vorliebe für niedrige Verrichtungen. Sie sagt, daß man sie deshalb, weil sie die Nichte der Stifterin sei, nicht höher, sondern geringer achten müsse. Die Schwestern lieben sie sehr und erzählen vieles von ihr. Ich berichte Ihnen dies, damit Sie deshalb den Herrn lobpreisen; denn Sie und Ihre Mitschwestern haben ihr zum Besitz einer solchen Gesinnung verholfen. Es freut mich sehr, daß Sie dieselbe der göttlichen Majestät empfehlen. Ich liebe sie und ihren Vater sehr; doch versichere ich Sie in aller Wahrheit, daß ich froh bin, fern von ihnen zu sein. Den Grund davon kann ich nicht recht begreifen, es wäre denn der, daß die Freuden dieses Lebens mir zum Überdrusse sind. Vielleicht ist es auch die Furcht, mich an Irdisches zu hängen, und dann ist es besser, der Gelegenheit aus dem Wege zu gehen. Indessen wünschte ich doch, um gegen meinen Bruder für das uns erwiesene Gute nicht undankbar zu sein, jetzt bei ihm zu sein, bis er einige Angelegenheiten in Ordnung gebracht hätte, mit deren Vereinigung er auf mich wartet.
Unterlassen Sie nicht, ihm und mir in bezug auf die Hauskaufsteuer nach dem beiliegenden Zettel Nachricht zu geben. Ich kann mir leicht denken, daß Sie in Geldverlegenheit sind; darum habe ich mit Nikolaus unterhandelt, daß Ihnen sogleich die vierhundert Dukaten gegeben werden.
Nachdem ich die von ihm empfohlene Kandidatin abgewiesen habe, weil man mir sagte, sie habe einen, ich weiß nicht welchen, Fehler, schrieb mir Nikolaus wieder beiliegenden Brief. Unser Vater sagt, sie passe nicht für den Orden. Desungeachtet habe ich sie nicht aufs neue abgewiesen, weil Sie sich in einer solchen Not befindet, daß es ratsam wäre, sie doch zur Probe aufzunehmen. Vielleicht macht sie sich gut. Reden Sie dort mit unserem Vater, wenn Sie wirklich diese Kandidatin nötig haben, und erkundigen Sie sich um die Fehler, die sie hat. Denn ich habe nur wenig mit ihm darüber gesprochen. Ich sehe nämlich, daß Sie dort in Geldverlegenheit sind, da zu meiner Verwunderung Beatrix von ihrer Mutter nicht mehr als 1500 Dukaten erhalten hat; doch ist sie, wenn sie auch nichts erhalten hätte, ein großer Gewinn für das Kloster. Über das Strümpfestricken und über den dadurch erzielten Erwerb habe ich mich gefreut. Helfen sich die Schwestern selbst, so wird ihnen auch Gott helfen.
Um auf das zu kommen, was Sie von der Bezahlung der Zinsen und von deren Verkauf sagen, so ist es klar, daß es eine große Wohltat wäre, der Schuldenlast allmählich loszuwerden. Wenn man die Aussteuer der Bernarda, der Tochter des Paulus, [mit jener der Beatrix] zusammenwerfen würde, so daß die Geldsumme auf dreitausend Dukaten sich beliefe, so würde ich sie für jeden Fall annehmen. Es sollen sie zuerst Personen von Ansehen sprechen. Als man diese Bedingung stellte, sagte mir der Pater Mariano, sie habe keine Bedeutung, man könne das Geld annehmen, obgleich diese Bedingung gestellt sei, es sei kein Verstoß gegen die Gerechtigkeit. Erkundigen Sie sich über alles, bevor sie nach Abtragung der Zinsen mit dem Gelde im Kloster bleibt. Der Pater García Alvarez möge darüber mit einigen Männern sich besprechen, und Sie sollen die Angelegenheit mit unserem Vater verhandeln. Solange dieser in Sevilla ist, brauchen Sie sich in keiner Angelegenheit an mich zu wenden, sondern nur an ihn. Gebe Gott, daß der Eifer der Eleonora nicht abnehme! Berichten Sie mir, wie es ihr geht und wie sie sich beträgt; denn ich bin bezüglich ihres Geistes nicht beruhigt.
Was die Vanegas betrifft, so ist es schwer, sie jetzt ohne alle Aussteuer aufzunehmen, weil bis jetzt noch keine aufgenommen wurde, die dem Kloster ein Vermögen gebracht hätte. Nur wenn man sie um Gottes willen aufnehmen würde, könnte es angehen; denn da würde der Herr uns Hilfe schaffen und vielleicht in anderen den Beruf erwecken; dies aber nur für den Fall, daß man unseren Vater sehr bestürmen und er Ihnen sagen würde, man möge die Vanegas aufnehmen. Sprechen Sie da kein Wort dagegen! Überhaupt müssen Sie, meine Freundin, darauf achten, daß Sie sich bei Aufnahme von Nonnen nicht übereilen; denn es ist für Sie höchst wichtig, erst zu sehen, ob sie tauglich sind. Die von Nikolaus Empfohlene dürfte wohl keine andere Eigenschaft haben als die, daß sie ein gutes Kind ist.
Die Nichte oder Base des García Alvarez ist nach meinem Dafürhalten wirklich so, wie ich Ihnen geschrieben habe; Caballar hat es mit gesagt. Ich glaube nicht, daß es Doña Clementine sei, es ist wohl eine andere. Sie können es ganz offen dem García Alvarez sagen, daß Sie erfahren hätten, sie sei sehr melancholisch gewesen. Mir hat Caballar ohne Umschweif gesagt, sie sei eine Närrin, und darum habe ich nicht mehr mit ihr geredet. Nach meinem ganzen Dafürhalten glaube ich, mich nicht zu täuschen. Leute dieser Art sollen schön bei ihrem Vater bleiben. Übrigens werden Sie nichts dadurch gewinnen, sondern sich nur in einer Zwangslage befinden. Wäre dieses aber auch nicht der Fall, so darf man [doch] das Kloster jetzt nicht belasten, sondern muß es schuldenfrei machen. Warten wir ein wenig, denn bei dem Aufruhr jener Väter wundert es mich nicht, wenn keine eintreten will.
Merken Sie sich alles, was Sie an Porto ausgeben, damit es von den 40 Dukaten, die die Nonnen von St. Joseph in Ávila geschickt haben, abgezogen werde. Tun Sie das; denn anders zu handeln wäre nicht Höflichkeit, sondern Torheit. Ich habe Ursache, Ihnen diese Mahnung zu geben. Wie können Sie es wagen, mir jetzt Geld zu senden? Es kam mir das lächerlich vor, da ich hier nur immer in großen Sorgen bin, wie Sie dort mit Ihren Schwestern durchkommen werden. Indessen kam es gerade zur rechten Zeit an, weil ich damit die Briefportos bezahlen konnte. Gott belohne Sie dafür sowie auch für das Orangenblütenwasser, das sehr gut ankam; er belohne auch die Anna vom Kreuze für den Schleier! Übrigens wagen Sie es nicht mehr, so etwas zu tun; denn wofern ich etwas wünsche, werde ich es gewiß schreiben. Ich werde dies, wie ich meine, mit der größten Offenheit und Freude tun, da die dortigen Schwestern zu jenen gehören, denen ich am meisten vertraue; denn ich bin überzeugt, daß Euere Ehrwürden und die anderen Nonnen gerne Hilfe leisten.
Die Kandidatin mit der guten Stimme ist nicht wieder gekommen. Ich bin sehr besorgt, eine Person zu finden, die für Sie paßt.
O wie sehr wünschte ich, daß man Ihnen Wasser verschaffen könnte! Mein Wunsch ist so heftig, daß ich daran nicht zu glauben wage. Einige Zuversicht gibt mir der Umstand, daß Pater Mariano und unser Vater bei Pater Bonaventura, dem Oberen der Franziskaner, etwas vermögen. Der Herr wolle dazu helfen! Es wäre mir dies eine große Beruhigung. Die Schwestern werden wohl glauben, ich würde jetzt, da unser Vater nach Sevilla kommt, lieber bei ihnen sein als hier, wenn ich auch mit dem Bischof einige böse Stunden aushalten müßte. Ich kann nur darüber staunen, daß alle so zufrieden sind. Gott hat ihre Lage gebessert. Er sei für alles gepriesen und erhalte mir Euere Ehrwürden viele Jahre!
Um Sie nicht zu betrüben, wollte ich Ihnen von meinem Kummer wegen unserer Priorin in Malagón noch nichts mitteilen, wiewohl ihr der Herr einige Besserung verliehen hat. Abgesehen von der großen Liebe, die ich zu ihr trage, wäre uns ihr Verlust gerade in dieser Zeit etwas Schreckliches. Ich hätte sie hieher bringen lassen, allein der Doktor sagte mir, daß sie hier keinen Monat lang mehr leben würde, während sie da, wo sie jetzt ist, noch ein Jahr leben könne. Der Herr wolle Hilfe schaffen! Beten Sie recht für sie! Ihr Zustand ist hoffnungslos; denn man sagt, sie leide an der Schwindsucht.
Die Schwestern sollen ja kein SarsaparillenWasser trinken, wenn es auch gegen Unterleibsleiden gut sein mag. Die Priorin und die Schwestern empfehlen sich Ihnen. Das Leiden meines heiligen Priors hat mich sehr betrübt. Wir beten alle für ihn. Teilen Sie mir mit, wie es ihm geht und was aus Delgado geworden ist. Ebenso, ob die Mutter der Beatrix ihr und ihrer Schwester etwas hinterlassen hat, das für das Kloster bestimmt sein soll. Empfehlen Sie mich allen nach Ihrem Gutdünken! Ich bin nun schon weitläufig geworden. Gott sei mit Ihnen! Es war für mich eine große Freude, zu erfahren, daß die Schwestern wohl sind und besonders Euere Ehrwürden; denn wegen der Priorinnen bin ich in großer Sorge. Gott erhalte Sie, meine Tochter! Von Caravaca und Veas erhielt ich hier einigemal Briefe. In Caravaca fehlt es nicht an Leiden, allein ich hoffe zu Gott, er werde helfen. Heute ist der 7. September (1576—1577).
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Wir wollen uns jetzt öfter schreiben. Seien Sie nur hierin nicht nachlässig und unterlassen Sie auch nicht, unseren Vater manchmal mit etwas zu laben; er denkt geradeso wie wir, und er will nicht, daß die dortigen Brüder in Ihrem Sprechzimmer essen. Wir haben bisher so wenig darauf geachtet, daß ich nicht wünsche, es käme hierin zum Äußersten; denn ich sehe ein, in welcher Not er ist und wie viel uns an seiner Gesundheit liegt.
Warum schreiben Sie mir denn nichts von Pater Gregor? Empfehlen Sie mich ihm vielmals und geben Sie mir Nachricht, wie es unseren Vätern dort geht; denn wenn nicht Sie mir über alles Aufschluß geben, so tut es niemand. Schreiben Sie mir auch, wie Sie mit Pater Anton von Jesu stehen.
Dem Nikolaus werde ich keine Antwort senden, bis Sie mir Nachricht gegeben haben. Sind es nur drei oder vier Briefe, so haben Sie nur einen halben Real Porto zu bezahlen. Sind es mehrere, so ist das Porto größer.
Weil ich weiß, was es ist, wenn man sich in Not befindet, und wie schwer man dort Geld bekommen kann, so habe ich es nicht gewagt, den Nikolaus jetzt gänzlich abzuweisen. Wenn Sie unseren Vater über irgend etwas um seine Meinung fragen, müssen Sie ihm zum Überlegen Zeit lassen, sonst wird er, weil er so beschäftigt ist, der Sache nicht die gehörige Aufmerksamkeit zuwenden.
