330. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Segovia, am 4. Juli 1580
Ankündigung des Todes ihres Bruders Laurentius. Verschiedene Verhaltungsmaßregeln bezüglich der Behandlung jener Nonne, die die Verfolgung in Sevilla veranlaßt hatte. Die Galeeren und die Mauren. Angelegenheiten der Karmelitinnen zu Salamanka und Didakus López de Zúñiga.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Ehrwürden, meine Mutter!
Es scheint nicht der Wille unseres Herrn zu sein, daß ich lange ohne Leiden bleibe. Ich muß Ihnen darum berichten, daß es ihm gefallen hat, seinen treuen Freund und Diener, Don Laurentius de Cepeda, zu sich zu nehmen. Es überfiel ihn ein so heftiger Blutsturz, daß er innerhalb sechs Stunden daran erstickte. Zwei Tage zuvor hatte er noch die heilige Kommunion empfangen; er starb bei vollem Bewußtsein, indem er sich unserem Herrn empfahl. Ich hoffe zu seiner unendlichen Barmherzigkeit, daß er schon zum Genusse der himmlischen Güter eingegangen ist. Denn er war schon lange in einer solchen Verfassung, daß ihn alles anekelte, was sich nicht auf den Dienst Gottes bezog. Darum hielt er sich gerne auf seinem von Ávila eine Meile entfernten Landgute auf, da er, wie er sich ausdrückte, vor den Höflichkeitsbezeigungen der Welt einen Abscheu hatte. Er pflegte unablässig das Gebet und wandelte beständig in der Gegenwart Gottes. Seine Majestät gewährte ihm so erhabene Gnaden, daß er mich öfters in Staunen versetzte. Für körperliche Bußübungen hatte er besondere Vorliebe, und so tat er in dieser Hinsicht mehr, als ich gewünscht hätte. Er teilte mir nämlich alles mit und hatte ein so großes Vertrauen zu mir, daß er sich genau an jedes Wort hielt, das ich ihm sagte. Dies hatte ohne Zweifel seinen Grund in der großen Liebe, die er zu mir trug. Ich vergelte ihm dies damit, daß ich mich freue über sein Scheiden aus diesem armseligen Leben und über die Sicherheit seines Zustandes, in dem er sich nun befindet. Es ist dies nicht eine bloße Redensart; vielmehr erfreut sich mein Herz jedesmal, sooft ich an ihn denke. Seine Kinder dauern mich zwar; allein ich denke, Gott werde ihnen um ihres Vaters willen beistehen. Ich habe dies Euerer Ehrwürden so ausführlich erzählt, um Sie zu trösten, weil ich weiß, wie schmerzlich Sie seinen Tod empfinden; denn Sie und alle meine Schwestern verdanken ihm vieles. Sie können nicht glauben, welche Teilnahme er an Ihren Prüfungen zeigte und welche Liebe er zu Ihnen trug. Jetzt ist die Zeit, ihm die schuldige Dankbarkeit zu erzeigen. Empfehlen Sie ihn daher unserem Herrn, aber unter der Bedingung, es möchten Ihre guten Werke, falls seine Seele diese nicht mehr nötig hätte, jenen Seelen zugute kommen, die ihrer am meisten bedürfen und Nutzen davon haben; ich habe die feste Überzeugung, und mein Glaube läßt mich annehmen, [daß er bereits im Lande der Seligen ist].
Kurz vor seinem Tode hat er mir an meinen jetzigen Aufenthaltsort im St.JosephsKloster zu Segovia geschrieben, das zwölf Meilen von Ávila entfernt ist. In diesem Schreiben drückte er sich derart aus, daß ich daraus schließen zu müssen glaubte, er wisse gewiß, daß er nur mehr kurze Zeit leben werde; ich war darüber sehr erstaunt. Es scheint mir, meine Tochter, alles so schnell vorüberzugehen, daß wir mehr an die Mittel denken müssen, um gut zu sterben als um gut zu leben. Gebe Gott, daß ich, wenn ich nun noch in dieser Welt bleiben muß, ihm wenigstens einigermaßen diene! Ich bin um vier Jahre älter, als mein Bruder war, und kann doch immer nicht sterben. Im Gegenteil, ich bin von der Krankheit, die mich befiel, wieder genesen, wenn auch die gewöhnlichen Anfälle, insbesondere die Kopfschmerzen, nicht ausbleiben.
Sagen Sie, bitte, dem Pater Gregor, er möge diesen Brief auch als an ihn geschrieben betrachten und meines Bruders eingedenk sein, der an den Prüfungen des Ordens die innigste Teilnahme bekundete. Ich weiß wohl, wie schwer sein Amt auf ihm lastet, allein er möge Geduld haben, und das gilt auch für Euere Ehrwürden. Denn von Tag zu Tag erwarten wir das Breve von Rom. Unser Vater ist jetzt hier beschäftigt, da seine Anwesenheit notwendig ist. Seine Gesundheit ist, Gott sei Dank, gut. Er hat in Begleitung des Paters Vikar, Frater Angelus, das hiesige Kloster visitiert. Wir reisen beide übermorgen nach Ávila; ich weiß aber nicht, wie lange wir dort bleiben müssen, um abzuwarten, welche Maßnahmen betreffs des Erbteiles der Theresia getroffen wurden. Die Arme hat durch den Tod ihres Vaters viel verloren und das ganze Kloster mit ihr. Möge Gott es zum besten wenden!
Die Geldanweisungen, die Sie für die vierhundert Dukaten ausgestellt haben, bedeuten soviel wie nichts; das Guthaben in Toledo wenigstens wird nicht so bald ausbezahlt werden, und Gott gebe, daß es überhaupt ausbezahlt wird! Ich habe den Schwestern von Toledo die Sorge um dasselbe anheimgestellt. Betreffs des Geldes in Valladolid werde ich an Pater Nikolaus schreiben, daß er mir die diesbezüglichen Papiere sendet; wenn ich in Ávila fertig bin, wird man mir meines Erachtens den Auftrag zur Klostergründung in Palencia erteilen, wohin ich mich eigentlich direkt von hier aus schon begeben sollte. Wenn ich die Papiere erhalten habe, werde ich sehen, ob wir etwas erreichen können. Jetzt aber wird jener, der als Vormund der Kinder meines Bruders aufgestellt wird, schon mehr darauf dringen, daß das Geld eingehoben wird, als dies von unserer Seite geschehen ist. Gehen Sie mit sich wohl zu Rate, wie Sie Ihre Schuld zahlen können; und wenn eine vorzügliche Kandidatin eintreten wollte, so wäre es nicht gefehlt, sie aus diesem Grunde aufzunehmen. Sie wird Ihnen auch dazu verhelfen, daß Sie leichter die Ausgaben decken, die Sie für die Angelegenheiten in Rom machten. Möge Gott alles auf das beste ordnen!
Für jetzt fürchte ich, es möchte der heilige Prior de las Cuevas auch mit Tod abgehen; Sie würden ihn gewiß sehr vermissen. Bei alledem freue ich mich, daß man ihn endlich einmal in Ruhe läßt. Sagen Sie ihm dies in meinem Namen, und melden Sie ihm meine Empfehlungen und die besten Grüße! Dasselbe bitte ich auch meinem Vater Rodrigo Alvarez gegenüber zu tun. Dem letzteren bitte ich, sagen zu wollen, daß sein Brief gerade zur rechten Zeit angekommen ist. Er handelte nur von dem großen Vorteil der Leiden; und es scheint mir, als wirke Gott durch diesen Mann schon während seines Lebens Wunder. Was wird dann erst nach seinem Tode geschehen?
Für ein solches Wunder würde ich auch das halten, was er an dieser armen [Beatrix] getan, wenn ihre Selbsterkenntnis so aufrichtig wäre, wie Sie mir berichten. Die Schwestern finden es für sehr gut, daß sie die Schuld auf Garcia Alvarez werfe, allein ich halte das für ganz gefehlt. Ich würde dem, was Beatrix über ihn aussagt, wenig Glauben schenken; denn ich halte ihn für einen Mann, der ein richtiges Gewissen hat; und nach meiner Ansicht hat ihn Beatrix so in Verwirrung gestürzt. Wenn auch diese Schwester noch nicht so ist, wie wir es wünschen, so habe ich mich doch über ihre Einkehr in sich selbst gefreut. Hier in diesen kastilianischen Klöstern wurde viel für sie gebetet, und vielleicht hat sich der Herr doch ihrer erbarmt. Es hat mir indessen recht wehe getan, als ich beim Lesen Ihrer Briefe erfuhr, daß man ihr die Kommunion erlaubt habe. Ich muß Ihnen, meine Mutter, sagen, daß es nicht recht ist, derartige Vorkommnisse ungestraft hingeben zu lassen. Es wäre gut gewesen, wenn man sie mit beständiger Haft, die man, wie Sie sagen, für sie schon bestimmt hatte, bestraft und nicht mehr daraus entlassen hätte.
Ihr Brief kam so spät in meine Hände, daß meine Antwort in diesem Falle wohl nicht mehr zur rechten Zeit eintreffen wird; denn ich weiß nicht, wann dieser Brief nach Sevilla abgehen wird. Den Ihrigen, der vom Mai, und zwar, wie ich glaube, vom 15. Mai datiert war, überbrachte man mir erst am Vorabend von Peter und Paul; und so weiß ich nicht, was ich darauf antworten soll. Es wäre indes eine Torheit, zu warten, bis Pater Gracián kommt, um diese Angelegenheit in Ordnung zu bringen. Das beste wird sein, daß Beatrix schon vorher ihre Aussagen zurücknehme und alle Lügen widerrufe, damit es nicht den Anschein gewinne, als sei sie von ihm dazu beredet worden. Es wundert mich nur, daß nicht Sie selbst schon auf diesen Gedanken gekommen sind. Wenn diese Nonne Verleumdungen ausgesprochen hat, die in der Zukunft noch Schaden bringen könnten, so wird es notwendig sein, daß mein Vater Rodrigo Alvarez sich umsehe, was zu tun sei. Diese Nonne muß widerrufen und den Widerruf eigenhändig unterzeichnen. Möge dies, meine Tochter, mit Gottes Hilfe in der Weise geschehen, daß ihm dadurch Genugtuung verschafft werde und diese Seele nicht verlorengehe!
Seine Majestät tröste auch diesen armen Paulus! Er muß wohl ein frommer Mann sein, da ihn Gott mit so vielen Leiden heimsucht. Halten Sie es für etwas Unbedeutendes, in einem Kloster zu sein, von dem aus man die Galeeren sehen kann? Die Schwestern in Kastilien beneiden Sie darum sehr. Denn dies ist ein großer Behelf zum Lobpreise unseres Herrn. Ich versichere Sie, daß die Schwestern es sehr bedauern werden, wenn sie dieses Haus verlassen.
Eben meldet man mir, die Mauren hätten sich zu einem Überfall auf die Stadt Sevilla verschworen. Da würden ja die Schwestern eine vortreffliche Gelegenheit haben, die Marterkrone zu erlangen. Suchen Sie sich darüber Gewißheit zu verschaffen, und die Mutter Subpriorin möge uns dann das Nähere berichten! Über deren gute Gesundheit bin ich sehr erfreut; allein es schmerzt mich, zu erfahren, daß Ihr Gesundheitszustand kein besonders guter ist. Sorgen Sie doch um der Liebe willen ja recht für Ihre Gesundheit! Ein sehr gutes Mittel gegen Nierenleiden, sagt man mir, seien reife Hagebutten, die man dörrt und zu Pulver stößt; man nehme davon jeden Morgen so viel, als ein halber Real wiegt. Fragen Sie darüber einen Arzt, und lassen Sie es um der Liebe willen nicht mehr so lange anstehen, bis Sie mir schreiben!
Allen Schwestern empfehle ich mich vielmals, besonders der Schwester vom heiligen Franziskus. Die Schwestern des hiesigen Klosters und die Mutter Priorin senden Ihnen freundliche Grüße. Es muß sich doch recht sonderbar ausnehmen, inmitten dieser Fahnen und Vorbereitungen zum Kriege sich zu befinden! Suchen Sie nur aus all diesem Nutzen für Ihre Seelen zu ziehen und im inneren Leben zuzunehmen inmitten dieses Kriegsgeschreies, das Sie hören! Sie müssen wohl recht über sich selbst wachen, daß Sie sich nicht zerstreuen! Ich habe nämlich ein inniges Verlangen, Sie alle recht heilig zu sehen.
Wie schön wäre es doch, wenn die Stiftung in Portugal zustande käme! Nach Aussage des Don Teutonio, des Erzbischofs von Ebora, soll dieser Ort nur vierzig Meilen von Sevilla entfernt sein. Es wäre wahrlich eine große Freude für mich, dorthin mich begeben zu können. Ich versichere Sie, daß mich schon während meines ganzen Lebens das Verlangen beseelte, etwas zur Ehre Gottes zu tun; und da mein Leben nur mehr kurze Zeit währen wird, so möchte ich die noch, übrigen Tage nicht so in Untätigkeit hinbringen, wie dies in den letzten Jahren der Fall war. Da bezog sich alles nur auf inneres Leiden, im übrigen ist nichts von Wichtigkeit geschehen. Bitten Sie alle unseren Herrn, er möge mir die Kraft verleihen, wenigstens einigermaßen in seinem Dienste tätig sein zu können!
Ich habe Ihnen schon nahegelegt, diesen Brief meinem lieben Pater Gregor übergeben zu wollen, der ihn auch als an ihn selbst geschrieben ansehen möge. Sagen Sie ihm auch, daß ich ihn im Herrn liebe und ihn wieder einmal zu sehen wünschte! Mein Bruder starb am Sonntag nach dem Feste des heiligen Johannes.
Erkundigen Sie sich doch um der Liebe willen, wann die Flotte ankommt, und suchen Sie genau in Erfahrung zu bringen, wer jene sind, die von der Stadt der Heiligen Drei Könige zurückkehren, und ob Didakus López de Zúñiga noch am Leben oder schon gestorben ist! Ist er wirklich gestorben, so lassen Sie vor einem Notare eine Urkunde über sein Ableben abfassen und senden Sie mir diese auf ganz sicherem Wege zu! Sorgen Sie wo möglich dafür, daß zwei oder drei Zeugen die Urkunde bestätigen; mit einem Worte, suchen Sie die Sache möglichst gut in Ordnung zu bringen! Wir werden nämlich, wenn López wirklich gestorben ist, sogleich einige Häuser für die Schwestern in Salamanka kaufen; dies ist zwischen seinen Erben und mir schon abgemacht. Denn in dem Hause, in dem die Nonnen jetzt wohnen, führen sie das beklagenswerteste Dasein von der Welt, und ich wundere mich nur, daß sie noch am Leben sind.
Dieser Didakus López ist ein Edelmann aus Salamanka, der schon seit vielen Jahren in der Stadt der Heiligen Drei Könige wohnt. Sollte er noch am Leben sein, so müssen mir Euere Ehrwürden ebenso über den Zeitpunkt, wann die Flotte wieder zurückkehrt, Nachricht geben, weil ich ihm einige Briefe senden will. Bedenken Sie wohl, daß es sich um eine wichtige Angelegenheit handelt und deshalb große Sorgfalt am Platze ist! Dieser Edelmann mußte schon über fünfundsiebzig Jahre alt gewesen sein und war beständig leidend. Es ist darum wohl anzunehmen, daß er schon im Himmel ist.
Sie können mir Ihre Briefe über Madrid senden und sie an Doña Johanna Dantisko, die Mutter des Paters Gracián, adressieren. Ich werde bemüht sein, Ihnen bald wieder zu schreiben. Gott gebe, daß dieser Brief nicht verlorengehe! Seine Majestät behüte Sie und mache Sie so, wie ich es wünsche!
Heute ist der 4. Juli.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Anschrift: An die Mutter Priorin vom heiligen Joseph im Karmel zu Sevilla.
