255. Brief — An Pater Paulus Fernández aus der Gesellschaft
Jesu in Madrid
Ávila, am 4. Oktober 1578
Prüfungen, die über die Reform und über Pater Gracián kamen. Bitte an Pater Fernández, die Reform beim Präsidenten des Königlichen Ratskollegiums und beim Nuntius verteidigen zu wollen.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, mein Vater!
Es wird ungefähr acht Tage sein, daß ich von der Priorin in Toledo, Anna von den Engeln, einen Brief erhielt, worin sie mir mitteilt, daß Sie in Madrid seien. Es hat mir dies großen Trost bereitet; denn es scheint mir, Gott habe Sie in diese Stadt geführt, damit ich einige Erleichterung in meinen Bedrängnissen finde. Ich versichere Sie, daß diese seit August vorigen Jahres so schwer und so mannigfaltig waren, daß es eine große Erquickung für mich gewesen wäre, wenn ich Sie hätte sehen und Ihnen einige davon erzählen können; denn alle zu schildern, wäre unmöglich. Den Höhepunkt haben diese Bedrängnisse eben jetzt erreicht, wo wir uns in einer Lage befinden, von der Ihnen der Überbringer dieses Briefes berichten wird. Er ist ein Mann, der wegen seiner großen Liebe zu uns viel darunter leiden muß und unseres vollen Vertrauens würdig ist.
Der Teufel kann es nicht ertragen, daß diese unbeschuhten Brüder und Nonnen unserem Herrn so treu dienen. Es wäre für Sie in der Tat ein Trost, zu sehen, welch ein vollkommenes Leben sie führen. Es bestehen bereits neun Klöster der unbeschuhten Väter, in denen sich viele sehr verdienstvolle Männer befinden. Da wir aber noch keine eigene Provinz besitzen, so haben wir so viele Beschwerden und Leiden von seiten der Beschuhten zu erdulden, daß es nicht zu beschreiben ist. Unser ganzes Wohl und Wehe liegt gerade jetzt nach Gott zunächst in den Händen des Nuntius. Um unserer Sünden willen aber haben ihm die Beschuhten so arge Berichte über uns hinterbracht, und er schenkt ihnen solchen Glauben, daß ich nicht weiß, welchen Ausgang dies alles noch nehmen werde. Über mich haben sie ausgesagt, ich sei eine Landstreicherin und ein unruhiges Weib, und die von mir errichteten Klöster seien ohne Erlaubnis des Papstes und des Ordensgenerals gegründet worden. Sagen Sie nun selbst: Kann man wohl eine ärgere und eines Christen unwürdigere Anschuldigung gegen mich vorbringen?
Auch noch vieles andere, was ich gar nicht wiederholen kann, sagen diese guten Väter mir und dem Pater Gracián nach, der ihr Visitator war. Man kann nur seufzen über so unerträgliche Verleumdungen. Indessen kann ich Sie versichern, daß Pater Gracián einer der eifrigsten Diener Gottes ist, mit denen ich je verkehrt habe, ein Mann von hohem sittlichen Ernst und großer Reinheit des Gewissens; glauben Sie mir, daß ich Ihnen hierin die Wahrheit sage! Zudem ist er, wie Sie wohl wissen, von frühester Jugend an in der Gesellschaft Jesu erzogen worden. Der Grund, warum der Nuntius gegen ihn so erbittert ist, rührt von Alcalá her. Wollte man ihn aber über diese Dinge, die man ihm vorwirft, vernehmen, so würde man finden, daß ihm deswegen nur geringe oder gar keine Schuld beigemessen werden kann. Ebenso verhält es sich auch mit mir; ich habe nichts getan, was sein Mißfallen hätte erregen können, sondern habe mich sogleich dem Breve, das er hierher sandte, von Herzen gern unterworfen und ihm einen Brief geschrieben, so demütig, als ich ihn abfassen konnte.
Ich denke mir, daß diese Prüfung von oben kommt. Der Herr will, daß wir leiden, da niemand für die Wahrheit eintritt und ein Wort zu meiner Verteidigung spricht. Was mich betrifft, so versichere ich Sie in aller Wahrheit, daß dies alles mich in keiner Weise verwirrt oder quält, ich empfinde darüber im Gegenteil eine ganz besondere Freude. Allein nach meiner Ansicht würde der Nuntius, wenn er die Unwahrheit dessen erkennen würde, was diese Väter über mich sagen, vielleicht auch das nicht glauben, was diese dem Pater Gracián nachsagen; daran aber wäre uns am meisten gelegen. Da der Nuntius vorgibt, wir bestünden mit Unrecht, und unsere Klöster seien ohne Erlaubnis gegründet worden, so sende ich Ihnen hier eine Abschrift der Vollmachtsbriefe, die ich mit Siegel versehen in Händen habe. Ich sehe, daß der Teufel alles aufbietet, um diese Klöster in Mißkredit zu bringen; und darum wäre es mein Wunsch, es möchten sich Diener Gottes finden, die für sie einstehen. O mein Vater, wie wenig Freunde hat man doch in der Zeit der Not!
Man sagt, Sie stünden beim Präsidenten in Ansehen und seien seinetwegen in Madrid. Ich glaube, daß er dies alles und auch andere Dinge vom Nuntius weiß. Es wäre uns viel damit gedient, wenn Sie ihn darüber aufklären würden. Sie können dies, da Sie Augenzeuge von allem sind und auch meinen Seelenzustand kennen. Seien Sie versichert, daß Sie dadurch unserem Herrn einen großen Dienst erweisen würden. Sagen Sie ihm, wieviel daran gelegen ist, daß die begonnene Reform unseres Ordens, der, wie Sie wissen, so tief herabgesunken war, sich weiter entwickle und befestige. Man sagt, es sei dies ein neuer Orden und man wolle Neuerungen einführen. Aber man lese nur unsere ursprüngliche Regel nach; diese ist es, die wir ohne Milderung und in derselben Strenge befolgen, wie sie der Papst anfänglich gegeben hat. Man soll nur das für wahr halten, was man sieht, und darauf achten, wie wir und wie die Beschuhten leben, und soll nicht mehr auf diese hören. Ich weiß nicht, woher sie so viele Dinge nehmen, die sich gar nicht finden und womit sie uns bekämpfen. Ich bitte Sie, in meinem Namen mit dem Pater reden zu wollen, der des Nuntius Beichtvater ist. Empfehlen Sie mich ihm und legen Sie ihm die ganze Wahrheit dar, damit er den Nuntius im Gewissen verpflichte, so nachteilige Dinge nicht zu veröffentlichen, ehe er sich über den Tatbestand unterrichtet hat! Erklären Sie ihm, daß ich, obwohl sehr böse, doch nicht so vermessen bin, zu tun, was man mir andichtet! Dies alles können Sie ihm mitteilen, wenn Sie es für gut finden, wenn nicht, so mag es unterbleiben.
Sie können ihm auch, wenn Sie es für zweckdienlich erachten,
die Vollmachtsbriefe vorzeigen, kraft derer ich die Stiftungen der Klöster vorgenommen habe. Einer davon enthält den ausdrücklichen Befehl, die Fortsetzung der Stiftungen nicht zu unterlassen. Als ich eines Tages unseren Pater General bat, diesen Befehl aufzuheben, gab er mir zur Antwort: »Ich wünsche, daß Sie so viele Klöster stiften, als Sie Haare auf dem Haupte haben.« Es ist darum nicht recht, daß man so viele Diener Gottes durch falsche Anschuldigungen ihres guten Namens beraubt. Da ich, wie man sagt, in der Gesellschaft Jesu meine Erziehung und mein Leben erhalten habe, so dürfte es nach meinem Dafürhalten ganz, in der Ordnung sein, wenn ein Mitglied dieser Gesellschaft einem Manne von solchem Ansehen, wie der Nuntius ist, die Wahrheit darlegen würde, damit er, da er ein Fremdling in unserem Land und deshalb nach Spanien gekommen ist, um die Orden zu reformieren, davon unterrichtet werde, was zu reformieren sei und wem er seine Gunst erweisen soll, und damit er jene strafe, die so empörende Lügen vorgebracht haben.
Sie werden selber sehen, was zu tun ist. Ich meinerseits bitte Sie um der Liebe unseres Herrn und seiner glorreichen Mutter willen inständig, uns in unserer jetzigen Not Ihre Huld zuzuwenden, nachdem Sie uns schon von dem Tage an, an dem Sie uns kennenlernten, Ihre Gunst erwiesen haben. Alle Glieder der Reform werden Ihnen dies reichlich lohnen. Übrigens sind Sie das der Liebe, die ich zu Ihnen trage, sowie auch der Wahrheit schuldig, der Sie zu ihrem Rechte verhelfen müssen, wie es Ihnen am geeignetsten erscheint.
Ich bitte Sie auch, mir über alles und besonders über Ihre Gesundheit Nachricht zu geben; mit der meinigen stand es in diesem Jahre sehr schlecht, da mich der Herr mit Leiden jeder Art heimgesucht hat. Indessen würden mich meine persönlichen Leiden nicht schmerzen, wenn ich nur nicht mitansehen müßte, was um meiner Sünden willen diese Diener Gottes leiden. Seine Majestät sei mit Ihnen und behüte Sie! Teilen Sie mir auch mit, ob Sie wirklich, wie man mir gesagt, längere Zeit in Madrid bleiben werden!
Heute ist das Fest des heiligen Franziskus.
Ihre unwürdige Dienerin und wahre Tochter
Theresia von Jesu, Karmelitin
Anschrift: An den hochherrlichen und hochwürdigen Herrn und meinen Vater Dr. Paul Fernández aus der Gesellschaft Jesu, meinen Gebieter in Madrid, eigenhändig zu übergeben.
