341. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Sevilla
Valladolid, am 20. November 1580
Austritt des Don Franz aus dem Kloster zu Pastrana. Schwere Erkrankung des Paters Petrus Fernández.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität!
Da ich heute schon einen langen Brief nach Ávila geschrieben habe und mein Kopf ermüdet ist, so ist dieser Brief nicht von meiner Hand. Gestern sandte ich Ihnen durch Vermittlung der Doña Johanna Dantisko einen Brief, und vorher schon habe ich Ihnen auf demselben Wege ein sehr langes Schreiben zukommen lassen. Gebe Gott, daß diese sicherer nach Sevilla gekommen sind als Ihre Briefe nach Valladolid, wenn Sie überhaupt einen geschrieben haben! Ich bin sehr um Sie bekümmert, bis ich erfahre, ob Sie gesund und wohl in Sevilla angekommen sind.
Diesen gegenwärtigen Brief schreibe ich, um Ihnen mitzuteilen, daß von Sevilla ein Eilbote hieher geht; unterlassen Sie darum nicht, mir durch diesen einen Brief zu senden! Ich befinde mich, Gott sei Dank, wohl, und auch die Schwester Maria vom heiligen Joseph ist wieder fieberfrei.
Mein Brief von gestern berichtete Ihnen die Geschichte des Don Franz, der uns alle in Staunen setzt. Man hat ihn, wie es scheint, in einen ganz anderen Menschen umgestaltet und seinen Sinn verändert. Daß er zu seinen Verwandten zurückgekehrt ist, wundert mich nicht; aber darüber muß ich staunen, daß Gott eine Seele von sich weist, die ihm so gerne dienen will. O wie erhaben sind doch seine Gerichte! Ich habe inniges Mitleid empfunden, als ich diesen jungen Menschen wieder sah. Er betreibt nun mit Eifer die Verwaltung seines Gutes und hat große Freude daran; dabei aber erfüllt ihn eine solche Scheu vor dem Verkehr mit den unbeschuhten Karmeliten und Karmelitinnen, daß er allem Anscheine nach uns, besonders mich, nicht mehr sehen will. Wie man mich versichert und wie er selbst sich geäußert hat, fürchtet er, es möchte die Sehnsucht nach dem Ordensleben wiederkehren. Daraus kann man annehmen, wie heftig die Versuchung gewesen ist. Ich bitte Euere Paternität, ihn Gott zu empfehlen und Mitleid mit ihm zu haben! Er geht jetzt mit dem Gedanken um, sich zu verehelichen, aber nur in Ávila. Es wird das eine sehr armselige Heirat werden, die mannigfache Betrübnis über ihn bringen wird. Ohne Zweifel muß zu seinem Austritt aus dem Orden der Umstand beigetragen haben, daß Euere Paternität und Pater Nikolaus so schnell wieder abgereist sind. Vielleicht hat auch das Kloster von Pastrana nicht den besten Eindruck auf ihn gemacht. Wie dem auch sei, ich bin nach meinem Dafürhalten von einer großen Last befreit.
Die Frage betreffs der Kapelle wird aufs neue aufgerollt. Gestern hat mir Pater Angelus hierüber geschrieben, was mich sehr ermüdet. Dieser Pater ist gar nicht nach Madrid gekommen; er begibt sich jetzt in das Kloster zum heiligen Paulus nach Moraleja. Der General hat ihm, wie man mir sagt, die Akten des Kapitels geschickt. Pater Petrus Fernández ist noch nicht gestorben, allein sein Zustand ist sehr schlimm. Hier sind alle Schwestern gesund und wünschen zu erfahren, wie es Euerer Paternität ergeht. Meine Sekretärin und die Mutter Agnes von Jesu entbieten Ihnen ihre ehrfurchtvollen Empfehlungen.
Ich meine, Sie sind über die Bezahlung des Geldes an Godoy in Sorgen; allein ich will Ihnen sagen, daß ich den Auftrag gab, eine höhere Summe zu zeichnete, als wir ihm geliehen haben; so ist er mein Schuldner geworden.
Es ist schon die Mette vorüber, und wir stehen am Vorabend des Festes Mariä Opferung. Diesen Tag werde ich nie vergessen; an ihm entstand nämlich jener bekannte Streit, als Euere Paternität mir im Kloster zu Sevilla das Breve vorzeigten. Gott behüte Sie und mache Sie so heilig, wie ich ihn darum bitte! Amen.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu
Gott gebe, daß Sie diesen in so großer Eile geschriebenen Brief
doch lesen können! Unser Don Franz ist in großer Unruhe, und wie ich erfahren, hat er ein starkes Magen und Kopfleiden; auch sein Herz ist sehr schwach. Gott hat mir eine große Gnade erwiesen, daß er das Ordenskleid nicht genommen hat. In Ávila hat er mir oft gesagt, daß niemand ihn zwinge. Ich versichere Sie, mein Vater, ich habe immer gefürchtet, was ich jetzt mit eigenen Augen sehe. Ich weiß nicht, welche Vorahnung ich hatte; jetzt fühle ich mich ganz erleichtert, da ich nicht mehr für ihn zu sorgen habe. Er wird zwar, wie er mir sagt, betreffs seiner Verehelichung nie anders als nach meinem Wunsche handeln, allein ich fürchte, daß er sich nicht glücklich fühlen wird; so würde ich ihn ganz sich selber überlassen, wenn ich dadurch nicht den Anschein erwecken würde, als sei ich ungehalten über das Vergangene. Wenn Sie die Briefe lesen könnten, die er mir von Alcalá und von Pastrana aus schrieb, so würden Sie staunen über die Freude und den Eifer, womit er mich bat, ihm die Aufnahme in den Orden zu erwirken. Es muß eine heftige Versuchung über ihn gekommen sein; übrigens habe ich mit ihm über diese Angelegenheit kein Wort gesprochen, da er sehr ergriffen und ein Verwandter bei ihm war. Es muß dies wohl für ihn eine große Demütigung sein. Möge Gott ihm helfen und Euere Paternität behüten! Nach meinem Dafürhalten wäre Don Franz ein Heiliger unter Heiligen geworden. Ich hoffe jedoch von der Güte Gottes, daß er sein Heil findet; denn er fürchtet sich vor jeder Beleidigung Gottes.
Ihre Reisegefährtin, Anna vom heiligen Bartholomäus, empfiehlt sich Ihnen vielmals. Sie ist sehr bekümmert um Sie und wünscht zu erfahren, wie es Ihnen auf den übrigen Reisen ohne uns ergangen ist. Was uns betrifft, so fühlen wir uns hier ohne Sie so vereinsamt, als ob wir in einer Wüste wären. Die Schwester Casilda von der Empfängnis empfiehlt sich in Ihre Gebete. Unser Herr erhalte Sie und verleihe uns den Trost, Sie, mein Vater, recht bald wiederzusehen! Um Sie nicht zu ermüden, will ich weiter nichts sagen.
Euerer Paternität unwürdige Untergebene
Anna vom heiligen Bartholomäus
Sollten Euere Paternität etwas vom guten Pater Bartholomäus
von Jesu erfahren, so geben Sie mir, bitte, davon Nachricht! Denn es wird mir dies großen Trost gewähren.
