219. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá de Henares
Ávila, am 2. März 1578
Verschiedene Ratschläge für das innere und äußere Leben dieses Paters. Angelegenheit des Paters Salazar. Skrupel des Paters Gracián.
Jhs
Der Heilige Geist sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Vor kurzem habe ich zwei Briefe von Euerer Paternität erhalten, einen, den Sie am Fastnachtsdienstag schrieben, und den anderen, dem eine Schilderung des guten Hirten an die Schwestern beilag. Gebe Gott, daß wir in uns die Züge des guten Hirten ebenso zu verwirklichen verstehen, wie Sie ihn schildern! Übrigens glaube ich, daß er uns weit mehr gibt, als wir ihm geben können. Auch das kleine Heftchen ist vortrefflich. Ich begreife nicht, wie Paulus sagen kann, er wisse nichts vom Gebete der Vereinigung. Jene lichthelle Dunkelheit und jene Verzückungen [von denen er spricht,] lassen das Gegenteil erkennen. Nur weil dieser Zustand [schnell] vorübergeht und nicht gewöhnlich ist, weiß man es nachher nicht recht.
Ich beneide die Seelen sehr, deren Förderung Ihnen obliegt; und es ist zu bedauern, daß ich mich hier allein sehe, ohne etwas anderes zu tun als zu essen, zu schlafen und über jene Väter, die unsere Brüder sind, zu reden, wozu es, wie Sie aus beiliegendem Zettel ersehen werden, immer Gelegenheit gibt. Um mich nicht zu ermüden, und weil es schon spät ist, habe ich der Schwester Katharina den Auftrag gegeben, Ihnen zu schreiben; denn wir haben heute abend noch eine Predigt des Magisters Daza zu hören, der vortrefflich predigt. Die Dominikaner erweisen uns große Liebe; sie predigen jede Woche zweimal bei uns. Auch die Väter der Gesellschaft Jesu predigen bei uns wöchentlich einmal. Was die Predigten Euerer Paternität betrifft, so erinnere ich mich noch recht oft an sie.
Ich weiß nicht, welche Versuchung Sie veranlaßt, daß Sie zum Predigen von Ort zu Ort reisen. Es hat mich wirklich recht peinlich berührt, was man deshalb über Sie ausgestreut hat. Gott behüte Sie, mein Vater! Aber die Zeiten sind jetzt so gefährlich, daß es große Vermessenheit ist, solche Reisen zu machen. Seelen, [denen Sie predigen können], gibt es ja überall. Gebe Gott, daß das, was großer Eifer zu sein scheint, nicht etwa eine Versuchung ist, die uns vielleicht teuer zu stehen kommt! An jenem Orte genügte die Katze, und es befinden sich dort, wie ich glaube, auch Dominikaner und Franziskaner. Ich kann mir übrigens nicht denken, daß jener gute Mann auch gut predigt. Entrichten Sie ihm meine Empfehlungen und teilen Sie mir mit, ob man ihn auch hören mag. Da sehen Sie, wie neugierig ich bin! Nein, sagen Sie es mir nicht und zerreißen Sie diesen Brief, damit er ihn nicht zur Sühne für meine Sünden zu lesen bekommt.
Aber wie haben wir doch über Ihr Essen im Spitale und über Ihre unschmackhaften Stockfischpasteten lachen müssen! Indessen erregt in mir das, was man sich über Euere Paternität erzählt, den Wunsch, Sie möchten nicht mehr so unvorsichtig sein.
Carillo hat recht, wenn er behauptet, ich hätte wenig Mut. Er hat mir nämlich auf meinen ersten Brief geantwortet, in dem ich ihm verschiedene Dinge ans Herz legte und vor allem, daß sein Vorhaben [bei uns einzutreten] eine Eingebung des bösen Feindes sei. Er sagte, mein Brief habe ihn zum Lachen gebracht, sonst aber gar keinen Eindruck auf ihn gemacht. Ich sei, bemerkt er, wie ein Mäuschen, das Furcht hat vor den Katzen. Er habe mit dem Allerheiligsten Sakrament in der Hand das Gelübde gemacht, und die ganze Welt sei nicht imstande, ihn von diesem Vorhaben abzubringen. Ich gestehe Ihnen, dies setzt mich in Staunen; denn seine Mitbrüder behaupten, daß nicht bloß er, sondern jeder, der ihm das Ordenskleid gebe, der Exkommunikation verfalle. Er gibt vor, er habe von seinem Provinzial bereits die Erlaubnis, und Euere Paternität hätten ihm einen Brief geschrieben. Obgleich Sie sich, so behauptet er, fürchten wie ein Menschenkind, so schreiben Sie doch wie ein Engel; und hierin hat er bezüglich jenes Briefes recht. Seine Mitbrüder fordern Unbilliges, wenn sie verlangen, daß man ihm die Aufnahme verweigere; wahrscheinlich meinen sie, es könne dies nicht geschehen. Sie werden, wie ich glaube, Euerer Paternität schon geschrieben haben, daß Sie allen Klöstern die Weisung geben, ihn nicht aufzunehmen; denn sie betreiben diese Sache sehr eifrig. Mich haben sie so gedrängt, daß ich ihnen schließlich erklärte, ich hätte an Euere Paternität geschrieben. Wahrhaftig, wenn es doch sein soll und geschehen kann, wie Carillo vorgibt, dann müßte man wohl wünschen, daß es schon geschehen wäre, ehe in unseren Klöstern dadurch eine solche Unruhe entsteht, daß man ihnen die Weisung gibt, ihn nicht aufzunehmen.
Ich sehe auch nicht ein, wie Euere Paternität eine solche Weisung erteilen können; denn wenn es geschehen kann, so scheint es Gewissenspflicht zu sein, ihn aufzunehmen. Ich glaube auch gerne, daß ihm auf jene Weise, wie er sich die Sache denkt, kein Mensch ein Hindernis in den Weg legt. Darum wird es, wenn nicht die Angelegenheit schon erledigt ist, immerhin gut sein, zu zögern. Möge der Herr die Sache in die Hand nehmen! Je mehr man Hindernisse in den Weg legt, desto mehr scheint mir die Ehre Gottes dadurch gefördert zu werden und desto mehr leuchtet mir ein, daß der Teufel die Sache verhindern will. Die Väter der Gesellschaft Jesu scheinen zu fürchten, Carillo sei nicht der einzige, der diesen Schritt im Sinne habe; aber selbst wenn alle jene, von denen Euere Paternität berichten, bei uns eintreten wollten, so würde das nur einen geringen Abgang für sie bedeuten, da ihr Orden ja so viele Religiosen zählt.
Was die Skrupel des Paulus betrifft, die sich darauf beziehen, ob er von seinen Vollmachten noch Gebrauch machen könne oder nicht, so hat er, wie mir scheint, etwas unter dem Eindruck der Melancholie gelitten, als er diesen Brief schrieb oder als ihm jene Skrupel kamen. Es geht dies aus den von ihm angeführten Gründen deutlich hervor. Darum wollte ich auch nicht aufs neue um Rat fragen. Übrigens werden diese Skrupel, wie mir Ardapilla schreibt, nur von kurzer Dauer sein; denn er sagt, der große Engel habe sein Gutachten über Gilbert schon abgesendet, und man erwarte es mit jedem Tag.
Ich habe wegen Ihrer Abwesenheit dieselben Befürchtungen wie Elias. Wer auf solchen Wegen geht, für den ist alles zu befürchten. Möge der Herr den Paulus aus allen Gefahren erretten! Denn die Verblendung der Gegner ist so groß, daß ich über keine Handlungsweise von ihrer Seite erstaunt bin. Aber darüber wundere ich mich, daß Paulus sich nicht fürchtet und ohne die geringste Veranlassung von einem Ort zum anderen reist.
Ich komme nun wieder auf das zurück, wovon ich schon gesprochen. Vor längerer Zeit habe ich an Paulus geschrieben, was mir ein gelehrter Theologe aus dem Dominikanerorden geantwortet hat, dem ich alles erzählte, was Mathusalem vorgenommen. Soviel ich mich erinnere, sagte er, daß seine Anordnungen keine Rechtskraft besäßen, da er sich hätte ausweisen müssen, kraft welcher Vollmacht er so handelte. Darum haben wir hierüber kein Wort mehr zu verlieren.
Ich wollte Euerer Paternität auch den Brief der Priorin von Valladolid mitsenden, in dem sie mir von der Aufregung erzählt, die Carillos Angelegenheit hervorgerufen hat. Endlich sind ihrem Berichte zufolge die Väter der Gesellschaft Jesu mit mir und mit den unbeschuhten Karmelitinnen wieder ganz zufrieden. All ihre Drohungen scheinen spurlos vorüberzugehen. Was mich einzig beschäftigt und in Furcht erhält und was ich von Ihnen recht klar bewiesen wünschte, ist nur die Frage, ob Carillo, ohne Gott zu beleidigen und ohne der Exkommunikation zu verfallen, diesen Schritt tun könne. Wäre es wirklich so, wie die Väter der Gesellschaft Jesu sagen, so könnten Euere Paternität ihn durchaus nicht aufnehmen. Wenn der Graf de Tendilla nach Rom reist oder wenn er auch diese Reise unterläßt und man seinen Bericht sieht, den er dorthin sendet, so glaube ich gewiß, daß Carillo die Erlaubnis erhalten wird.
Ich habe mich über die gute Nachricht von der Reise des Grafen nach Rom sehr gefreut; denn jetzt können unsere Patres mit ihm reisen. Der Herr leite diese Angelegenheit und erhalte mir Euere Paternität!
Ich weiß nun nicht, ob ich auf all Ihre Fragen geantwortet habe; aber ich habe jetzt keine Zeit mehr. Doch, ist der Brief etwa allzu kurz ausgefallen für eine Person, die keine Zeit hat? Alle Schwestern empfehlen sich Ihnen angelegentlich; sie haben sich über die Ämter, die Sie ihnen übertragen haben, sehr gefreut. Doña Guiomar habe ich nicht gesehen; sie kommt nur selten zu uns, da sie sehr leidend ist.
Heute ist der 2. März.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und wahre Tochter. — Ja, Ihre wahre Tochter; aber wie wenig bin ich es in den Augen gewisser Väter! —
Theresia von Jesu
Es tut mir recht leid, daß Pater Mariano so von Kräften gekommen ist. Sorgen Sie dafür, daß er kräftige Nahrung zu sich nimmt und sich in keiner Weise um die Reise nach Rom kümmert; denn an seiner Gesundheit ist mehr gelegen. O wie lange zögert doch Ihre Schwester, um hieher zu kommen! Wie sehnsüchtig wird sie erwartet! Meine kleine Elisabeth befindet sich, wie man mir schreibt, ganz wohl.
