77. Brief — An Pater Johann Baptist Rubeo (Rossi) von Ravenna, General der Karmeliten in Rom
Sevilla, am 18. Juni 1575
Bericht über die letzten Stiftungen. Verteidigung der unbeschuhten Karmeliten.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei immerdar mit Euerer Wohlehrwürden!
In der vorigen Woche habe ich an Sie zwei ausführliche Briefe von gleichem Inhalt geschrieben und auf zwei verschiedenen Wegen gesandt, weil ich wünsche, daß einer von ihnen in Ihre Hände gelange. Gestern, am 17. Juni, übergab man mir zwei Briefe von Ihnen, die ich mit großer Sehnsucht erwartet hatte, den einen datiert vom Oktober, den anderen vom Januar. Obgleich sie nicht mehr so neuen Datums waren, wie ich es wünschte, so bereiteten sie mir doch großen Trost und ließen mich wissen, daß Sie sich wohl befinden.
Unser Herr erhalte Ihnen diese Gesundheit, wie wir, Ihre Töchter, in diesen Klöstern ihn unablässig darum bitten! Jeden Tag wird im Chore ein besonderes Gebet für Sie verrichtet, und außerdem lassen sich dies alle Schwestern angelegen sein; denn da sie wissen, wie sehr ich Sie liebe, und keinen anderen als geistlichen Vater erkennen, so tragen Sie innige Liebe zu Ihnen. Und es ist dies immerhin noch wenig; denn auf Erden haben wir kein anderes Gut; und da alle so zufrieden sind, können sie Ihnen als dem Begründer dieser Reform nicht genug danken.
Ich schrieb Euerer Wohlehrwürden über die Klosterstiftung in Veas, und wie man auch in Caravaca ein solches Kloster verlangt; aber die für die letztere Stiftung erteilte Erlaubnis enthielt eine derartige Klausel [daß ich sie nicht annehmen konnte. Daraufhin gab man mir die Erlaubnis wie für die Stiftung von Veas; man nimmt an, daß die Nonnen unter der Jurisdiktion Euerer Wohlehrwürden stehen, und so wird es für alle gut sein, wenn es Gott gefällt]. Auch setzte ich in meinem Schreiben die Gründe auseinander, warum ich zur Stiftung nach Sevilla gekommen bin. Möge es unserem Herrn gefallen, daß ich den Zweck meiner Bemühungen erreiche, nämlich die Angelegenheiten dieser Unbeschuhten ins reine zu bringen und zu verhüten, daß sie Ihnen Verdruß bereiten! Um diese Gnade flehe ich zu Gott.
Es diene Euerer Wohlehrwürden zur Kenntnis, daß ich, als ich mich nach Veas begab, zuvor genau mich erkundigte, ob diese Stadt nicht zu Andalusien gehöre; denn ich hatte nie den Gedanken, dorthin zu gehen [weil ich voraussah, daß es mir bei jenem Volke nicht gut gefallen werde]. Nun aber ist die Sache so, daß Veas zwar nicht zu Andalusien, aber doch zur Ordensprovinz gleichen Namens gehört. Ich erfuhr dies erst mehr als einen Monat nach der Stiftung des Klosters. Weil ich mich aber mit meinen Nonnen schon dort befand, so hielt ich es nicht für gut, dieses Kloster wieder aufzugeben. Dies war zum Teil auch die Ursache meiner Reise hieher. Wenn ich aber Euerer Wohlehrwürden schrieb, so war mein Hauptgrund der, Sie über die mißlichen Verhältnisse aufzuklären, in denen sich unsere Brüder befinden. Denn obwohl sie ihre Angelegenheit zu rechtfertigen wissen und ich auch an ihnen nichts anderes wahrnehme, als daß sie wahre Söhne Euerer Wohlehrwürden sind und das Verlangen haben, Ihnen keinen Verdruß zu bereiten, so kann ich doch nicht umhin, ihnen einige Schuld beizulegen. Sie scheinen jetzt selbst einzusehen, daß es besser gewesen wäre, einen anderen Weg einzuschlagen, um Euere Wohlehrwürden nicht zu betrüben. Ich hatte einen heftigen Disput mit ihnen, besonders mit Pater Mariano, der eine große Gewandtheit besitzt; Gracián aber ist wie ein Engel. Wäre dieser allein gewesen, so würden sich die Dinge anders gestaltet haben. Er ist nur auf Befehl des Paters Balthasar hieher gekommen, der damals Prior in Pastrana war. Ich versichere Sie, daß Sie sich freuen würden, ihn unter ihre Söhne zählen zu dürfen, wenn Sie ihn kennen würden. Denn ich weiß, daß er es ist; übrigens ist auch Pater Mariano Ihr Sohn.
Dieser letztere ist ein tugendhafter, der Bußstrenge ergebener Mann und hat sich durch seine vortrefflichen Eigenschaften die Achtung aller erworben. Euere Wohlehrwürden dürfen sicher überzeugt sein, daß nur der Eifer für die Ehre Gottes und das Wohl des Ordens ihn geleitet haben. Indessen war, wie schon erwähnt, sein Eifer übermäßig und ohne die nötige Umsicht. Daß er aus Ehrsucht gehandelt, finde ich nicht. Allein der Teufel bringt, wie Euere Wohlehrwürden selbst sagen, Verwirrung in diese Angelegenheiten, und so läßt sich jener Pater zu manchen Worten hinreißen [deren Tragweite er nicht voraussieht]. Ich habe selbst mehrmals solche Worte von ihm hören müssen; weil ich aber weiß, daß er ein tugendhafter Mann ist, so gehe ich darüber hinweg. Würden Euere Wohlehrwürden alle Entschuldigungen hören, die er [vorbringt], so würden Sie damit zufrieden sein. Dieser Tage sagte er mir, er werde keine Ruhe finden, bis er sich Ihnen zu Füßen werfen könne.
Ich habe Ihnen schon mitgeteilt, wie diese beiden Väter mich gebeten haben, an ihrer Stelle Ihnen zu schreiben und Sie zu entschuldigen; denn sie selbst wagen es nicht. Dies habe ich schon getan, und somit will ich hier nichts weiter sagen, als was ich für meine Pflicht erkenne.
Mögen Euere Wohlehrwürden um der Liebe unseres Herrn willen glauben, daß ich alle Unbeschuhten miteinander für nichts hielte, wenn sie nur im mindesten durch ihren Ungehorsam Sie betrüben würden. Dies ist in Wahrheit so, und ich würde es als Beleidigung meiner eigenen Person ansehen, wenn man Euerer Wohlehrwürden irgendeinen Verdruß verursachte. Diese Väter haben meine Briefe nicht gesehen und werden sie auch nicht zu sehen bekommen. Doch habe ich dem Pater Mariano gesagt, ich wisse, daß Sie Nachsicht mit ihnen haben werden, wenn sie sich gehorsam erzeigten. Pater Gracián ist nicht hier. [Der Nuntius hat ihn, wie ich Euerer Wohlehrwürden schon schrieb, zu sich berufen.] Seien Sie überzeugt, daß ich beide nie mehr sehen noch auch hören wollte, wenn ich sie ungehorsam fände. Ich aber kenne keine so gehorsame Tochter Euerer Wohlehrwürden, wie diese sich Ihnen als gehorsame Söhne erzeigen.
Gestatten Sie jetzt, daß ich Ihnen meine Ansicht sage; und wenn es eine Torheit von meiner Seite ist, so verzeihen Sie mir! Was die Exkommunikation betrifft, so verhält es sich, wie Pater Gracián von Madrid aus an Pater Mariano schrieb, also: Der Provinzial, Pater Angelus, sagte zu Pater Gracián, er könne ihn nicht im Kloster behalten, da er exkommuniziert sei; deshalb begab sich dieser in das Haus seines Vaters. Als dies der Nuntius erfuhr, ließ er den Pater Angelus rufen, machte ihm heftige Vorwürfe und erklärte ihm, daß es eine Beschimpfung seiner Person sei, wenn man jene, die auf sein Geheiß sich hier befänden, für exkommuniziert betrachte; wer dies behaupte, den werde er strafen. Sogleich begab sich Pater Gracián in das Kloster; er ist noch dort und predigt in der Hauptstadt.
Mein Vater und Herr, es ist jetzt nicht am Platze, gegen diese Männer in solcher Weise vorzugehen. Dieser Pater Gracián hat einen Bruder, der als Sekretär des Königs in dessen Nähe und bei ihm sehr beliebt ist. Der König selbst hat, wie ich erfahren habe, [nichts dagegen, daß die Reform Fortschritte macht]. Die beschuhten Väter sagen selbst, sie wüßten nicht, wie Euere Wohlehrwürden gegen so tugendhafte Männer auf diese Weise verfahren mögen; sie wollten gerne mit den »Beschaulichen« verkehren; allein sie würden daran gehindert durch die Exkommunikation, die Euere Wohlehrwürden verhängt. [Doch diese Leute bleiben nicht beim Worte.] Vor Ihnen spricht man so, hier spricht man wieder anders. Sie gehen zum Erzbischof und sagen ihm, daß man nicht strenge vorzugehen wage, da man sich sogleich an Euere Wohlehrwürden wenden würde. Es sind dies sonderbare Leute. Ich, mein Herr, erfahre alles, das eine wie das andere, und unser Herr weiß, daß ich die Wahrheit rede; denn ich habe die Überzeugung, daß die Unbeschuhten Ihre gehorsamsten Söhne sind und sein werden. Euere Wohlehrwürden sehen nicht, was hier vorgeht; ich aber sehe es und sage es, weil ich Ihre Heiligkeit kenne und weiß, wie sehr Sie die Tugend lieben.
[Unserer Sünden wegen liegen die Angelegenheiten des Ordens hierzulande so, daß ich, nachdem ich dies gesehen, unsere Brüder in Kastilien noch für sehr gut halte. Seitdem ich hier bin, hat sich sogar eine sehr peinliche Sache zugetragen. Die Polizei fand nämlich zwei Ordensmänner in einem Hause, das in keinem guten Rufe stand, und führte sie öffentlich ins Gefängnis, was sehr zu tadeln war. Über menschliche Schwachheiten entsetze ich mich nicht, aber ich wünschte, man sähe mehr auf die Ehre. Dies geschah, seitdem ich an Euere Wohlehrwürden geschrieben. Man sagt jedoch, es sei gut, daß man diese Leute ertappt habe.]
Einige der Beschuhten kamen zu mir, um mich zu besuchen. Diese scheinen mir gut zu sein, vor allem der Prior, der ein sehr ausgezeichneter Mann ist. Er kam, um sich die Vollmachtsbriefe zeigen zu lassen, kraft welcher ich hier die Stiftung vorgenommen habe. Er hätte gerne eine Abschrift davon mitnehmen mögen, [allein ich bat ihn, keinen Prozeß anhängig zu machen]. Er erkannte wohl, daß ich die Stiftung rechtmäßig vornehmen konnte. Denn in dem letzten Briefe, den Euere Wohlehrwürden mir nach der Ankunft der Visitatoren in lateinischer Sprache zusandten, gaben Sie mir die Erlaubnis, allerorts Stiftungen vorzunehmen. So werden die Worte des Briefes von den Gelehrten verstanden, da Euere Wohlehrwürden weder ein bestimmtes Kloster noch ein Königreich bezeichnen, noch überhaupt eine bestimmte Grenze festsetzen, sondern einfach sagen »allerorts«. Dazu erteilen Sie mir noch den besonderen Auftrag, Klöster zu gründen, der mich veranlaßte, mich mehr anzustrengen, als meine Kräfte es erlaubten; denn ich bin schon alt und sehr ermüdet. Doch dies alles achte ich nicht, auch nicht die Mühseligkeiten, die ich im Kloster der Menschwerdung ausstehen mußte. [Ich bin nie gesund gewesen und hatte auch nicht den Wunsch, es zu sein, was das Verlangen betrifft, von dieser Verbannung befreit zu werden, so war es freilich sehr lebendig, weshalb] mir der Herr alle Tage größere Gnaden erweist. Er sei gepriesen für alles!
Was die Brüder betrifft, die man aufgenommen, so habe ich mit Pater Mariano darüber schon gesprochen. Er erwiderte mir, daß dieser Pater Piñuela sich hinterlistigerweise mit dem Habit der Unbeschuhten habe bekleiden lassen, er sei nach Pastrana gegangen mit der Behauptung, Vargas, der Visitator von Andalusien, habe ihn eingekleidet. Später habe sich herausgestellt, daß er den Habit selbst genommen. Man geht schon lange davon um, ihn auszustoßen, und so wird es sicher auch geschehen. Der andere ist nicht mehr bei den Unbeschuhten.
Die Klöster wurden auf Befehl des Visitators Vargas gegründet kraft der ihm eigenen apostolischen Vollmacht. Denn hier hält man bei der Reform des Ordens die Gründung von Klöstern der Unbeschuhten für die Hauptsache. Darum gab auch der Nuntius in seiner Eigenschaft als Reformator dem Pater Anton von Jesu die Vollmacht, Klöster zu errichten. Dieser Pater aber handelte vernünftiger [als Vargas], da er nichts unternahm, ohne vorher Euere Wohlehrwürden um die Erlaubnis hiezu gebeten zu haben. Und wenn Theresia von Jesu in Andalusien gewesen wäre, so hätte man vielleicht besser auf diesen Punkt geachtet. Denn man verhandelte in der Tat nie über die Errichtung eines Klosters ohne die Zustimmung Euerer Wohlehrwürden, sonst wäre ich mit aller Entschiedenheit dagegen aufgetreten. In dieser Beziehung ging Pater Petrus Fernández, der Visitator von Kastilien, sehr taktvoll zu Werke, und ich bin ihm sehr dankbar dafür, daß er darauf achtete, Euere Wohlehrwürden in keiner Weise zu betrüben.
Der Visitator von Andalusien dagegen hat diesen Vätern so viele Vergünstigungen und so weitgehende Vollmachten erteilt und sie noch dazu gebeten, von ihnen Gebrauch zu machen, daß Euere Wohlehrwürden bei ihrer näheren Kenntnis einsehen würden, daß jene keine so große Schuld trifft. Sie sagen auch, daß sie trotz inständiger Bitten den Pater Kaspar sowie andere nie hätten aufnehmen noch in ein Freundschaftsverhältnis mit ihm treten wollen. Das Kloster aber, das sie dem Orden entzogen, hatten sie ihm bald wieder zurückgegeben. Und so bringen sie gar vieles zu ihrer Entschuldigung vor, woraus ich ersehe, daß sie nicht böswillig verfahren sind. Wenn ich aber die großen Leiden, die sie erduldet haben, und die Bußwerke, die sie üben, betrachte und sie als wahre Diener Gottes erkenne, so tut es mir wehe, sehen zu müssen, daß Euere Wohlehrwürden ihnen Ihr Wohlwollen entziehen.
[Die Klöster sind gegründet worden durch den Visitator, der dorthin Ordensmänner gesendet und ihnen mit den strengsten Vorschriften angeordnet hat, ihre Weisungen nicht außer acht zu lassen. Der Nuntius hat dem Pater Gracián Vollmachtsbriefe erteilt, um Ordnung zu schaffen, und ihn beauftragt, über die Klöster der unbeschuhten Karmeliten zu wachen. Euere Wohlehrwürden sagen selbst, daß man sich an das halten müsse, was die Visitatoren vorschreiben, und wie Sie wissen, gibt der Papst denselben Auftrag im Breve, das sie von ihrem Amte entbindet. Auch begreife ich nicht, wie man jetzt alles vernichten will. Und das ist nicht alles: wir haben, sagt man, in unserer Konstitution einen Satz, der dieser Vorschrift entspricht und die Weisung gibt, daß in jeder Provinz Klöster der Reform sein sollten. Wenn der ganze Orden diesen Artikel beobachten soll, dann begreift man hier dieses Vorgehen nicht. Was diese Ordensmänner betrifft, so werden sie als Heilige angesehen, welchen Grad der Tugend sie auch erreicht haben, und sie sind in der Tat rechtschaffene Männer, die ein Leben der strengsten Zurückgezogenheit führen. Es befinden sich unter ihnen Personen von hoher Abkunft, die sich dem Gebetsleben widmen. Mehr als zwanzig unter ihnen haben die Hochschule besucht, oder wie man das nennt, ich weiß es nicht, die einen hörten die Vorlesungen des kanonischen Rechtes, die anderen der Theologie und sie sind sehr begabt.]
In diesem Kloster [zu Sevilla] und in jenen zu Granada und Peñuela sind, wie ich gehört zu haben glaube, zusammen mehr als siebzig. Ich weiß nicht, was aus all diesen Ordensmännern werden soll und auch aus dem Rufe, den sie vor aller Welt genießen, denn man betrachtet sie als Heilige. Und wenn man gegen sie strenge vorgehen wird, dann werden wir es vielleicht alle bitter entgelten müssen. Überdies stehen sie beim König in hohem Ansehen, und der Erzbischof von hier sagt, daß sie allein wahre Ordensmänner seien. Wenn sie jetzt die Reform verlassen sollten, weil Euere Wohlehrwürden sie nicht dulden wollen, so geht das nicht an. Glauben Sie mir, daß man Ihnen da nicht beipflichten werde, wenn Sie dafür auch die wichtigsten Gründe von der Welt hätten. Denn diese Brüder wollen weder selbst Ihrer Obhut entzogen werden, noch wäre dies von seiten Euerer Wohlehrwürden recht, noch würde unserem Herrn ein Dienst erwiesen werden. Empfehlen Sie diese Angelegenheit Seiner Majestät und vergessen Sie als wahrer Vater das Geschehene! Bedenken Sie, daß Sie ein Diener der seligsten Jungfrau sind und daß es diese beleidigen müßte, wenn Sie jene von Ihrer Obhut ausschließen würden, die mit ihrem Schweiße ihren Orden verbreiten wollen. Die Angelegenheiten stehen nun so, daß eine ernstliche Überlegung notwendig ist…
