176. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 2. März 1577
Regeln für die geistliche Leitung der Nonnen dieses Klosters und des Klosters zu Paterna.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Die überaus erfreulichen Nachrichten und die vielen Geschenke, die Sie mir gesandt haben, würden billigerweise eine längere Antwort erfordern. Für mich wenigstens wäre es ein großes Vergnügen, Ihnen einen ausführlichen Brief zu schreiben. Allein ich habe Ihnen erst gestern geschrieben, und die Mühe, die ich in diesem Winter auf das Briefschreiben verwenden mußte, hat meinen Kopf so geschwächt, daß ich deshalb sehr krank wurde. Jetzt ist zwar mein Zustand um vieles besser, allein desungeachtet schreibe ich fast nie meine Briefe mit eigener Hand, da dies, wie man mir sagt, notwendig ist, um wieder vollkommen zu genesen.
O welch große Freude haben Sie mir mit den niedlichen Geschenken bereitet, die Sie mir für den Administrator gesendet haben! Sie können nicht glauben, welche Opfer dieser Wohltäter für die Nonnen in Malagón und für mich bringt. Meinen Sie ja nicht, daß es ihn geringe Mühe kostet, die Arbeiten glücklich zu Ende zu führen, da jeden Augenblick tausend Schwierigkeiten mit den Arbeitsleuten zutage treten. Ich gab ihm das kleine Reliquienkästchen. Beide sind sehr schön, aber das große gefällt mir noch mehr, besonders seitdem es von uns wieder hergestellt wurde. Als es ankam, war das Glas zerbrochen, wie ich Ihnen schon mitgeteilt habe. Wir ließen wieder ein ganz gutes einsetzen. Das Fußgestell war verdreht, und es wurde ein Sockel aus Eisen dazu gemacht. Diese Gegenstände müssen immer so sein.
Auch den Becher, will sagen das kleine Krügelchen, habe ich dem Administrator gegeben; ein so schönes habe ich noch nie gesehen. Ich denke nicht, daß mir das Tragen der Wollenkleider so schädlich ist, daß ich aus einem so feinen Becher trinken müßte. Ich habe ihm auch das Parfümfläschchen angeboten, das Sie schickten. Er legt auf derlei Dinge großen Wert, da er ein Mann von hoher Abkunft ist. Kommen Sie doch auch endlich von Sevilla aus Ihrem Kloster Malagón zu Hilfe!
Das Orangenblütenwasser durfte ich nicht weggeben, weil es der Mutter Priorin ganz besonders wohl bekommt und auch mir sehr zuträglich ist. Bitten Sie in meinem Namen die Mutter der Portugiesin, sie möchte Ihnen etwas von diesem Wasser geben, und senden Sie es uns um der Liebe willen, d. h. unter der Bedingung, wie ich es hier gegeben habe.
O wie froh bin ich doch, daß Sie schon so viel von der Schuld Ihres Klosters abgetragen haben! Wir dürfen uns indessen nicht allzusehr freuen, bis jene Nonne einmal Profeß abgelegt hat. Sollte dies aber auch nicht geschehen, so wird Gott auf andere Weise Hilfe schaffen. Möchten doch die Nonnen inständig den Herrn bitten, daß er mich von meinem Kopfleiden befreie! Ich habe Ihnen schon durch den Eilboten, der heute abging, wenigstens teilweise die Ursachen dieses Leidens berichtet.
Ihre Gebetsweise gefällt mir sehr wohl. Die Wahrnehmung, daß Sie schon im Besitze dieses Gebetes sind und Gott sich so gnädig gegen Sie erweist, ist kein Mangel an Demut, wenn Sie nur, was Sie ja auch tun, eingedenk sind, daß es nicht Ihr Werk ist. Wenn das Gebet von Gott ist, dann verleiht er Ihnen auch diese Einsicht. Ich preise Seine Majestät von ganzem Herzen, daß Sie solche Fortschritte machen, und werde mich bemühen, den Herrn um das zu bitten, was Sie wünschen. Beten Sie auch für mich, daß ich der Erhörung für würdig befunden werden möge!
Auch ist es gut, daß Sie achthaben auf die Gebetsweise der Schwester Beatrix. Verhindern Sie aber nach Kräften, daß sie von derlei Dingen weder in der Unterhaltung noch auch sonst redet! Seien Sie überzeugt, daß in diesem Punkte viel an dem Verhalten der Priorinnen gelegen ist. Die Schwester Elisabeth vom heiligen Hieronymus hat hier kein Wort über diese Dinge verloren; die Priorin brach die Rede jedesmal sogleich ab, gab ihr einen Verweis und brachte sie auf diese Weise zum Schweigen. Und Sie wissen auch, daß sie während meines Aufenthaltes in Sevilla nicht viel davon zur Sprache gebracht hat. Ich weiß nicht, ob wir gut gehandelt haben, daß wir sie von uns fortließen und nach Paterna schickten. Gebe Gott, daß alles gut ausgehe!
Denken Sie doch, welch ein Skandal es gewesen wäre, wenn das Schriftstück, in dem sie von ihren Offenbarungen sprach, nicht in die Hände der Priorin sondern der anderen Nonnen gekommen wäre! Gott verzeihe dem, der ihr den Auftrag zum Schreiben gegeben hat! Unser Vater ist der Ansicht, ich sollte dieser Schwester in dieser Angelegenheit einen ernsten Verweis erteilen. Lesen Sie den Brief, den ich an sie beigelegt, und wenn Sie es für gut halten, dann senden Sie ihr ihn.
Sie handeln sehr vernünftig, wenn Sie nicht gestatten, daß Ihre Nonnen über dergleichen Dinge mit jemand sprechen. So schreibt mir die Priorin von Veas, daß die Nonnen ihres Klosters mit dem Beichtvater nur von ihren Sünden sprechen und auf diese Weise alle in einer halben Stunde mit der Beichte fertig sind; auch fügt sie bei, man sollte es in allen Klöstern so halten. Da die Nonnen in Veas sehr zufrieden sind und große Liebe zu ihrer Priorin tragen, so wenden sie sich in ihren inneren Angelegenheiten an sie. Sie können Ihren Nonnen sagen, sie möchten sich, statt solche um Rat zu fragen, die in diesen Dingen vielleicht wenig erfahren sind, an mich wenden, da ich doch hierin einige Erfahrung besitze. Bei Ihnen in Sevilla muß man in dieser Hinsicht etwas vorsichtiger sein als sonst irgendwo.
Schreiben Sie der Schwester … vom heiligen Franziskus, daß sie, wenn die Fastenzeit vorüber ist, der Elisabeth vom heiligen Hieronymus Fleisch zu essen gebe und ihr nicht gestatte, zu fasten. Ich möchte wissen, was diese damit meint, wenn sie sagt, Gott tue ihr so große Gewalt an. Sie spricht sich darüber nicht aus. Bedenken Sie, wie lästig den Schwestern dieses Weinen fallen muß und auch das beständige Aufzeichnen [ihrer Offenbarungen], das sie ansehen müssen.
Suchen Sie das, was sie schreibt, zu bekommen, und senden Sie es mir! Nehmen Sie ihr auch alle Hoffnung, sich mit einem anderen darüber besprechen zu können, außer mit unserem Vater; denn derartige Besprechungen haben ihr sehr geschadet. Seien Sie überzeugt, daß man in Sevilla diese Sprache noch weniger versteht, als Sie meinen. In der Beichte und mit Pater Acosta könnte sie über solche Dinge reden, ohne daß es Schaden brächte. Allein dies nützt ihr nach meiner Ansicht weniger als jeder anderen.
Die Verordnung, daß den Nonnen in Paterna einige Freiheit zugestanden werde, ist gut, obwohl es besser gewesen wäre, wenn man sich gleich anfangs etwas weniger nachgiebig gezeigt und nur das Unvermeidliche gestattet hätte. Wenn sie durch ihr Ungestüm etwas erreichen in Dingen, die sich auf die Reform beziehen, so meinen sie gleich, sie könnten auf diese Weise alles erlangen, was sie wünschen. Sie haben sehr gut getan, daß Sie die zur Reform gesandten Schwestern anwiesen, den Übungen der Kommunität beizuwohnen.
Der Doña Luise habe ich bisher weder das Reliquienkästchen noch die Briefe übergeben, weil sie abwesend war und erst vorgestern wieder hieher kam; ich werde es aber tun, sobald sie ihre Besuche beendet hat. Empfehlen Sie diese und auch Doña Guiomar Gott; denn sie sind sehr von Leiden heimgesucht.
Da ich diesen Brief nicht ohne Unterbrechung schreiben konnte, so weiß ich nicht, ob ich nicht manche Ihrer Fragen zur Beantwortung vergessen habe. Diese Riegel, die ich mitsende, sind geradeso wie die an den hiesigen Chorgittern; es ist nach meiner Ansicht nicht notwendig, daß sie feiner gearbeitet sind. Ich weiß wohl, daß Sie damit nicht zufrieden sein werden; seien Sie wie die hiesigen Schwestern, die nicht so verwöhnt sind wie Sie. Übrigens sind diese Riegel die besten, die es gibt, und ich begreife nicht, wie Sie andere Schlösser verlangen können. Die Kruzifixe sind in der Arbeit. Nach meiner Ansicht wird jedes einen Dukaten kosten.
Alle Schwestern empfehlen sich Ihren Gebeten. Elisabeth hatte große Freude an den portugiesischen Süßigkeiten und an dem rauhen Wollenzeug. Gott vergelte es Ihnen! Ich bin jetzt vortrefflich mit Kleidern versehen. Meinen Sie etwa, es komme mich nicht schwer an, daß ich nichts habe, um Ihnen ein Gegengeschenk zu machen? Es fällt mir dies wahrhaftig sehr schwer. Die Unfruchtbarkeit unserer Gegend ist aber außerordentlich groß; es gibt nur zu gewissen Zeiten Quitten, und Sie bekommen in Sevilla viel bessere als hier. An dem Gewürz und an dem Balsam hatten die Schwestern große Freude. Ich hätte diese Sachen gerne verschenkt, allein man ließ es nicht zu, weil sie viele unserer Nonnen notwendig haben.
Hier folgen auch die Antworten auf die Frage, die ich meinem Bruder vorgelegt hatte. Die Verfasser dieser Antworten waren übereingekommen, sie in das St. Josephskloster zu senden, damit die Nonnen dortselbst ihr Urteil abgeben könnten. Bei der hierüber gepflogenen Beratung war auch der Bischof zugegen, und er befahl, diese Antworten mir zu übersenden, damit ich selbst darüber meine Ansicht äußerte. So mußte ich denn gehorchen, obwohl ich wegen argen Kopfleidens kaum zu lesen vermochte. Wollen Sie diese Antworten dem Pater Prior und dem Herrn Nikolaus zeigen; Sie müssen ihnen aber den ganzen Hergang erzählen und mein Urteil nicht eher lesen lassen, bevor sie nicht diese Antworten kennengelernt haben. Ist es Ihnen möglich, so senden Sie mir alle diese Schriftstücke wieder zurück. Unser Vater wäre sehr erfreut, wenn er von ihnen Einsicht nehmen könnte. Wenn man sie übrigens nach Ávila sandte, so geschah es in der Absicht, sie ihm zu übergeben, obwohl diesen Weg kein Maultiertreiber nimmt.
Ich sende Ihnen auch einen Brief, den mir mein Bruder geschrieben hat. Von den Gnadenerweisungen, womit der Herr ihn bereichert, schreibt er mir vieles; ich habe aber gerade nur diesen Brief zur Hand. Ich denke, daß Sie darüber erfreut sein werden, da Sie große Liebe zu ihm tragen. Zerreißen Sie den Brief, wenn Sie ihn gelesen haben, und Gott sei mit Ihnen! Ich kann zu keinem Ende kommen, wenn ich an Sie schreibe, und doch ermüdet mich dies Schreiben sehr. Seine Majestät mache Sie heilig!
Soeben überbringt man mir einen Brief von unserem Vater, den er vor vierzehn Tagen in Malagón geschrieben hat. Er ist, Gott sei Dank, gesund.
Heute ist der 2. März.
Meine Empfehlungen an alle unsere Väter! Teilen Sie mir mit, wie es mit der Gesundheit des Paters Bartholomäus steht.
Euerer Ehrwürden Dienerin
Theresia von Jesu
Seien Sie mir dankbar, daß ich Ihnen einen Brief mit eigener Hand schrieb; ich habe selbst an die Nonnen des St. Josephsklosters in Ávila nicht mehr eigenhändig geschrieben.
Gestern habe ich an Euere Ehrwürden und an unseren Vater durch den Eilboten einen Brief geschickt; das ist der Grund, warum ich heute einen anderen Weg gewählt habe.
Anschrift: An die Mutter Priorin vom heiligen Joseph in Sevilla.
