136. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Sevilla
Toledo, im November 1576
Einige Angelegenheiten in betreff der Visitationen, die dieser Pater vornahm.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
In der vergangenen Woche, nämlich in der Oktave von Allerheiligen, habe ich Ihnen geschrieben, wie sehr mich Ihr Brief trotz seiner Kürze gefreut hat. Es war dies der letzte, den ich von Ihnen erhalten habe. Gebe Gott, daß das, worüber Sie Ihrer Mitteilung gemäß nach Rom geschrieben haben, glücklich zustande komme. In dieser Angelegenheit soll es keine widersprechenden Meinungen geben.
Ich habe Ihnen auch meine große Freude ausgedrückt über die Briefe, die Sie an Pater Mariano geschrieben und die mir dieser auf mein Verlangen zugeschickt hat. Es ist dies eine Geschichte, die mich außerordentlich zum Lobpreise Gottes gestimmt hat. Ich muß nur staunen über ein so kluges und geschicktes Verfahren. Gepriesen sei der Herr, der Ihnen dies eingibt! Denn offenbar ist es sein Werk. Wollen daher Euere Paternität stets die große Gnade im Auge behalten, die Ihnen der Herr erweist, und ja nicht auf sich selbst vertrauen! Als ich vernahm, daß Pater Bonaventura voll Selbstvertrauen sei und ihm alles leicht vorkomme, war ich, ich versichere Sie, darüber sehr erstaunt; denn es hat ihm das gar keinen Vorteil gebracht. Der große Gott Israels will in seinen Geschöpfen gepriesen werden. Daher müssen wir nach Ihrem Beispiele in allem seine Ehre und Verherrlichung suchen und mit möglichster Sorgfalt uns hüten, nach unserer persönlichen Ehre zu streben. Für unsere Ehre wird Seine Majestät, wenn es ihr gefällt, schon sorgen. Für uns ist es ersprießlich, daß wir von unserer Armseligkeit durchdrungen sind und dadurch seine Erhabenheit erhöhen. Aber wie töricht bin ich doch, und wie wird mein Vater lachen, wenn er dies liest!
Möge Gott den Schmetterlingen verzeihen, daß sie mit solchem Troste genießen, was ich nur um den Preis so großer Mühen erlangen konnte, als ich bei Ihnen war. Ich kann mich des Neides nicht erwehren, und dennoch macht es mir große Freude, den Eifer wahrzunehmen, womit sie ohne alles Aufsehen dem Paulus einige Erleichterung zu verschaffen suchen.
Ich habe ihnen schon mehrere alberne Ratschläge in meinen Briefen erteilt, wofür sie an mir Rache nehmen könnten. Soll ich mir etwa die Freude versagen, die ich darüber empfinde, daß der einige Labung erhält, der so große Not leidet und so viele Arbeit hat? Doch die Tugend meines Paulus ist erhaben über dies alles, und er kennt mich jetzt besser als ehedem. Damit Euere Paternität bei niemand den Anschein erwecken, als würden Sie Ihre Pflicht verletzen, bitte ich Sie in diesem Fall, nicht als Kaplan dort zu wohnen. Das geziemt sich. Ich versichere Sie, daß ich alle Leiden, die ich bei der dortigen Stiftung ausgestanden habe, für gut angewendet halten wurde, wenn auch die gelegentliche Verpflegung Euerer Paternität deren einzige Frucht gewesen wäre. Ich muß den Herrn immer aufs neue preisen für die Gnade, die er mir dadurch erwies, daß er Ihnen eine Zufluchtsstätte verschaffte, wo Sie von Weltleuten verschont bleiben und ausruhen können. Die dortigen Schwestern erweisen mir dadurch einen großen Gefallen — und das ist auch eine Wohltat für Euere Paternität —, daß sie mir alle Vorgänge so genau berichten. Sie sagen auch, daß Euere Paternität ihnen dazu den Auftrag gegeben; es ist dies eine große Gnade von Ihrer Seite und ein großer Trost für mich, da ich daraus ersehe, daß Sie mich nicht vergessen.
Doña Helene hat mit dem ausgemachten Vermögen ihrer Tochter auch das ihrige vereint im Falle, daß sie in den Orden tritt. Sie sagt, daß man dafür noch zwei Chor und zwei Laienschwestern aufnehmen müsse; dazu bleibe ihr noch soviel, daß nach dem Ausbau des Klosters auch eine fromme Stiftung gemacht werden könne wie in Alba. Sie überläßt dies indes dem Gutachten Euerer Paternität, dem des Paters Balthasar Alvarez und dem meinigen. Pater Alvares, hat mir beiliegendes Gutachten zugesandt; er will ihr nicht antworten, bis er meine Ansicht weiß. Ich habe wohl beachtet, mich darnach zu richten, was Sie als Ihren Willen erkennen ließen, und habe demgemäß nach vielem Überlegen und Beraten die hier beifolgende Antwort gegeben. Falls Euere Paternität damit nicht einverstanden sind, wollen Sie mich davon benachrichtigen. Nur bitte ich, zu beachten, daß ich bestimmte Einkünfte in den bereits als arm gestifteten Klöstern nicht haben möchte. Gott erhalte Sie mir!
Euerer Paternität unwürdige Tochter und Dienerin
Theresia von Jesu
