162. Brief — An die Mutter Maria vom heiligen Joseph, Priorin in Sevilla
Toledo, am 3. Januar 1577
Familien und Klosterangelegenheiten.
Jesus sei mit Euerer Ehrwürden, meine Tochter!
Ohne Zweifel werden meine Schwestern in Sevilla freudige Weihnachten und ein glückseliges neues Jahr gehabt haben, weil ja unser Vater bei Ihnen war. Wäre ich bei Ihnen gewesen, so hätte ich mich ebenso glücklich gefühlt. Es hat noch nicht den Anschein, als ob seine Arbeiten in Andalusien so bald ein Ende nehmen würden; deshalb fühle ich allmählich die Einsamkeit, die uns sein Fernsein von hier verursacht. O welch große Kälte müssen wir hier ausstehen! Es ist fast ebenso kalt wie in Ávila. Trotzdem bin ich gesund, allein ich sehne mich innig nach einem Brief aus Sevilla; denn mir scheint, daß ich schon seit langem keinen mehr von dort erhalten habe. Es ist ja wahr, daß die Boten viele Zeit nötig haben, bis sie hierher und wieder zurück kommen, allein wenn man etwas sehnsüchtig erwartet, dann scheint sich alles zu verzögern.
Aus dem, was Sie auf den Umschlag des Briefes geschrieben haben, ersehe ich, daß Sie sich seit dem Aderlaß besser befinden. Ich möchte aber vor allem wissen, ob Sie fieberfrei sind. Ihr Brief hat mich sehr erfreut, allein noch größere Freude würde ich empfinden, wenn ich Sie wieder einmal sehen könnte. Gerade jetzt würde mir dieses einen besonderen Trost gewähren; denn wie ich glaube, sind wir die besten Freundinnen. Ich habe nur wenige, mit denen ich über gewisse Sachen so gerne reden möchte wie mit Ihnen; denn Sie sind fürwahr ganz nach meinem Sinn. Darum freut es mich sehr, aus Ihren Briefen wahrzunehmen, daß Sie mich verstanden haben. Möge Gott es fügen, daß wir uns einmal wiedersehen! Dann werden Sie nicht mehr so einfältig sein, nachdem Sie bis zur Genüge erfahren, wie sehr ich Sie liebe und welch innigen Anteil ich an Ihrer Krankheit nehme.
Mit der Krankheit der Mutter Priorin von Malagón kennt sich niemand aus. Man sagt, es gehe ihr besser, allein das heftige Fieber verläßt sie noch immer nicht, und sie kann das Bett noch nicht verlassen. Ich wünschte recht sehr, sie befände sich in so gutem Zustand, daß man sie hieher bringen könnte. Wollen Sie und Ihre Schwestern ja nicht unterlassen, sie recht inständig Gott zu empfehlen. Weil ich weiß, daß es nicht notwendig ist, Ihnen dies einzuschärfen, so schreibe ich es nicht jedesmal.
Haben Sie noch nicht bemerkt, daß ich immer, wenn ich an unseren Vater schreibe, gerne auch einen Brief an Sie beilege, so sehr ich auch mit Arbeiten überhäuft bin? Es wundert mich, ich versichere Sie, sehr, daß Ihnen dies entgeht. Auch an meine Gabriela würde ich hie und da schreiben, wenn ich mehr Zeit hätte. Empfehlen Sie mich ihr sowie der Beatrix, ihrer Mutter und allen Schwestern vielmals.
Meinem Vater schrieb ich, daß es gut wäre, wenn man den Nonnen in Paterna, die an Schwestern, will sagen an Laienschwestern, Mangel haben, einige von den unsrigen senden würde; es wäre dies für unsere anderen Nonnen eine große Hilfe; denn ich versichere Sie, ihre Zahl ist zu gering. Schreiben Sie diesen Schwestern meine Empfehlungen und berichten Sie mir jedesmal, wie es ihnen geht. Pater Ambrosius schrieb mir, daß unser Vater sich sehr wohl befinde. Ich habe Euerer Ehrwürden schon meine Anerkennung ausgesprochen für die Verpflegung, die Sie ihm angedeihen lassen; denn ich glaube, daß diese großenteils zur Erhaltung seiner Gesundheit beiträgt. Gepriesen sei Gott, der uns eine solche Gnade erweist!
Empfehlen Sie mich dem Pater Anton! Weil er mir nie antwortet, so schreibe ich ihm auch nicht. Wenn möglich, lassen Sie ihn von unseren vielen Briefen nichts wissen. Sagen Sie auch meinem Vater, er möge darüber nicht mit ihm reden. An García Alvarez und an alle, die Sie noch sehen, meine Empfehlungen!
Eben kommt mir die Frage in den Sinn: Wie haben denn die Schwestern die Christnacht zugebracht? Teilen Sie es mir mit, und Gott sei mit Ihnen! Seine Majestät mache Sie so heilig, wie ich darum zu ihr flehe!
Heute ist der 3. Januar.
Mein Bruder hat mir gestern geschrieben; die Kälte hat ihm bisher nicht geschadet. Man muß Gott preisen für die Gnaden, die er ihm im Gebete erweist. Er sagt, er habe dieses den Gebeten der unbeschuhten Karmelitinnen zu verdanken. Er macht bedeutende Fortschritte in der Vollkommenheit und ist wohltätig gegen uns alle. Mögen die Schwestern in Sevilla seiner nicht vergessen!
Ihre
Theresia von Jesu, Karmelitin
Wenden Sie das Blatt um!
Ich übergab einer Schwester das Schriftstück, das unser Vater bezüglich des García Alvarez abgefaßt hat, damit sie es abschreibe; denn es enthält sehr wichtige Ratschläge für jedes Kloster. Ich möchte nämlich eine Abschrift für Ávila; aber man findet es nicht mehr. Es scheint, der böse Feind habe dieses Schriftstück verschwinden lassen. Schicken Sie mir noch einmal eine andere, gut leserliche Abschrift davon; vergessen Sie es ja nicht!
