97. Brief — An die Mutter Maria Baptista, Priorin in Valladolid
Sevilla, am 29. April 1576
Verfolgungen, die sie in Sevilla erduldete.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Ihnen, meine Tochter!
Morgen reist der Bote ab, und ich hatte nicht gedacht, Ihnen zu schreiben, weil ich nichts Gutes zu berichten habe. Man ließ mir in der letzten Nacht, kurz bevor die Pforte geschlossen wurde, sagen, der bisherige Bewohner des Hauses erachte es nunmehr für gut, daß wir übermorgen einziehen. Es ist dies der Tag des heiligen Philippus und Jakobus. Daraus nehme ich ab, der Herr wolle uns allmählich von unseren Mühseligkeiten ausruhen lassen.
Senden Sie diesen Brief, sobald Sie können, der Mutter Priorin in Medina; denn sie wird wegen eines Briefes, den ich ihr schrieb, in Sorge sein, obwohl ich mich in der Darlegung unserer Leiden nur sehr kurz gefaßt habe. Glauben Sie mir, daß seit der Stiftung des St. Josephsklosters alles soviel wie nichts war im Vergleich mit dem, was ich hier gelitten. Wüßten Sie es, so würden Sie einsehen, daß ich recht habe; denn es ist ein Werk der göttlichen Erbarmung, wenn wir diese Leiden glücklich überstehen. Doch kann man jetzt schon sagen, daß es so sein werde. Es ist etwas Entsetzliches um die Ungerechtigkeiten, die hierzulande gang und gäbe sind, wenig Wahrheit, lauter Falschheit. Ich versichere Sie, daß dieses Land mit Recht den schlechten Ruf hat, der ihm anhaftet. Gott sei gepriesen, daß aus allem für uns Gewinn erfolgt! Über den Anblick so vieler hier vereinten Widerwärtigkeiten war ich voll der höchsten Freude. Wäre mein Bruder nicht hier gewesen, so hätten wir uns in unserer Verlegenheit nicht helfen können.
Mein Bruder hat viel ausgestanden. Er bewies durch seine Freigebigkeit und durch Erduldung der Mühseligkeiten, deren er sich unseretwegen unterzog, einen Edelmut, der uns zum Lobpreise Gottes stimmte. Wohl mit Recht haben unsere Schwestern eine so große Liebe zu ihm; denn niemand außer ihm hat ihnen geholfen, und manche haben unsere Leiden nur vermehrt. Jetzt hat er sich unseretwegen in ein Asyl geflüchtet. Es war ein großes Glück, daß er nicht ins Gefängnis gesperrt wurde; denn dieses ist hier wie eine Hölle; alles geschieht ohne Gerechtigkeit. Man verlangt von uns und von ihm als Bürgen, was wir nicht schuldig sind. Die Angelegenheit muß dadurch geregelt werden, daß wir uns an den Hof wenden; denn sonst gibt es keinen Ausweg. Indessen hat mein Bruder sich gefreut, etwas für Gott leiden zu können. Er ist bei unserem Vater im Karmelitenkloster. Auf diesen regnet es Leiden in Menge. Ich muß mir Mühe geben, ihm die unsrigen geringer darzustellen, als sie wirklich sind. Dies ist auch billig; denn gerade diese Leiden haben ihn am meisten gequält. Vernehmen Sie einiges davon!
Sie wissen schon von den Aussagen jener Nonne, die aus dem Kloster getreten ist; ich habe Ihnen davon geschrieben. Dies ist aber nichts im Vergleich mit ihren Anklagen gegen uns. Sie können sich selbst eine Vorstellung davon machen. Ganz unerwartet kamen die Untersuchungsrichter zu jenen, denen sie es gesagt hatte, und dies nicht bloß einmal. Man wußte nicht, zu welchem Zwecke sie kamen; aber nach der Person zu urteilen, die man vorgeladen hatte, können wir mit Bestimmtheit sagen, daß es sich um diese Anklagen handelte. Was mich betrifft, so versichere ich Sie, daß mir Gott die Gnade erwies, mich noch zu freuen. Selbst die Vorstellung des großen Nachteils, der für alle unsere Klöster daraus erfolgen könnte, vermochte nicht das Übermaß meiner Freude abzuschwächen. Es ist etwas Großes um die Sicherheit des Gewissens und um die Freiheit des Geistes.
Die zweite trat in ein anderes Kloster. Gestern erhielt ich die Nachricht, daß sie den Verstand verloren habe, und dies aus keinem anderen Grunde, als weil sie uns verlassen hat. Da sehen Sie, wie wunderbar die Gerichte Gottes sind, der für die Wahrheit Zeugnis gibt. Jetzt wird man erkennen, daß alles, was sie sagte, unsinniges Geschwätz war. Sie sagte nämlich, daß wir die Nonnen an Händen und Füßen bänden und sie so geißelten, und wollte Gott, es wäre alles, was sie sagte, nur von dieser Art! Außer dieser schweren Verleumdung sagte sie noch tausend andere Dinge, so daß ich klar erkannte, der Herr wolle uns mit Betrübnis heimsuchen, um alles zu einem freudigen Ausgang zu führen. Haben Sie also keinen Kummer; denn ich hoffe zum Herrn, daß wir bald nach dem Einzug ins Haus abreisen können. Die Franziskaner sind nämlich nicht wieder gekommen, und wenn sie auch noch kommen würden, nachdem man vom Hause Besitz genommen, so hätte dies alles nichts zu bedeuten.
Erhabene Seelen sind es, die sich in diesem Kloster befinden, und die Priorin dahier hat einen weit größeren Mut als ich, über den ich nur staunen kann. Mir scheint, daß meine Anwesenheit für die Schwestern eine Erleichterung war; aber auf mich fielen die Streiche. Die Priorin hat auch einen scharfen Verstand. Ich versichere Sie, daß diese allem Anscheine nach sich vortrefflich für Andalusien eignet. O wie notwendig war es, nur auserlesene Nonnen hieher zu bringen! Ich bin gesund, jedoch noch nicht sehr lange. Ihr Sirup gibt mir Leben. Unser Vater kränkelt, aber nicht am Fieber. Er weiß nichts von diesem Brief. Empfehlen Sie ihn Gott und beten Sie, daß unser Herr uns aus allen diesen Streitigkeiten glücklich erlösen wolle. Ich vertraue auf ihn, daß er uns erhören werde. O welch ein Jahr habe ich hier verlebt!
Jetzt wollen wir von Ihren Ratschlägen sprechen. Was vor allem den Titel »Don« betrifft, so gibt man in Amerika allen denen, die Vasallen haben, diesen Titel. Als mein Bruder mit seinen Söhnen hieher kam, bat ich ihn, sie nicht so nennen zu lassen, und gab ihm auch Gründe dafür an. Es geschah dies, und alle waren damit zufrieden und stille. Als aber Johann de Ovalle und meine Schwester ankamen, reichten meine Gründe nicht mehr hin. Ich weiß nicht, was die Ursache davon war. Vielleicht wollten sie ihren Söhnen den Titel wahren. Und weil mein Bruder nicht hier, sondern lange Zeit verreist war und ich mit ihm nicht mehr zusammenkam, so redeten sie ihm nach seiner Rückkehr so vieles vor, daß mein Bemühen fruchtlos blieb. In Ávila ist dieser Titel wirklich so etwas Allgemeines, daß man ihn nicht beachtet. Er ist eine Schande. In bezug auf diese Verwandten ist mir dieser Titel gewiß anstößig; was mich betrifft, so glaubte ich niemals, daß man darauf Obacht geben könne. Machen Sie sich auch nichts daraus, was Sie in dieser Hinsicht von mir gehört haben; denn im Vergleich mit anderen Dingen, die man von mir sagt, hat dies gar nichts zu bedeuten. Ich werde aus Liebe zu Ihnen mit dem Vater dieser Neffen nochmals reden; ich glaube aber nicht, daß es etwas nützen werde, weil ihr Oheim und ihre Tante dagegen sind und sie sich an diesen Titel schon so sehr gewöhnt haben. Es ist für mich jedesmal eine Abtötung, so oft ich ihn höre.
Daß Theresita an Padilla geschrieben habe, glaube ich nicht. Sie wird nur an die Priorin von Medina und an Sie geschrieben haben, um Ihnen beiden eine Freude zu machen; sonst hat sie an niemand geschrieben. An Padilla, glaube ich, hat sie nur einmal zwei oder drei Worte gerichtet. Sie bildet sich ein, ich sei ganz für Sie und meinen Bruder eingenommen, und dies bringe ich ihr nicht aus dem Kopf. Nach dem, wie Sie beide mir gesinnt sind, müßte dies auch der Fall sein, wenn ich anders wäre, als ich bin. Aber bedenken Sie, so sehr ich auch meinem Bruder zum Danke verpflichtet bin, so freute ich mich doch, daß er sich in ein Asyl zurückgezogen hat, weil er auf diese Weise nicht mehr so oft zu mir kommen kann; denn es ist wahr, daß er mir etwas hinderlich ist. Wenn er jedoch bei mir ist und unser Vater oder sonst jemand kommt, so folgt er doch wie ein Engel, sobald ich an ihn das Ansuchen stelle, sich zu entfernen. Deshalb liebe ich ihn aber nicht weniger — ich habe ihn wirklich sehr gerne —, sondern ich möchte nur allein sein. So ist es in Wahrheit; mag man nun denken, was man will, es ist wenig daran gelegen.
Wenn Padilla gesagt hat, er sei Visitator, so hat er dies nur im Scherze gesagt. Ich kenne ihn. Bei all dem leistet er uns große Hilfe, und wir verdanken ihm vieles. Niemand ist ohne Fehler. Was wollen Sie denn? Ich habe mich sehr gefreut, daß Doña Maria mit der erhaltenen Erlaubnis zufrieden ist. Erzählen Sie ihr recht vieles an meiner Statt! Weil es heute schon sehr spät ist, so schreibe ich ihr diesmal nicht. Wenn es mir auch leid tut, daß sie ohne die Frau Herzogin sein muß, so erkenne ich doch darin den Willen des Herrn, der verlangt, daß sie mit ihm allein sich unterhalte und bei ihm allein ihren Trost suche.
Von Ávila weiß ich nur, was Sie mir schreiben. Gott sei mit Ihnen! Der Casilda und allen Schwestern sowie meinem Vater, Pater Dominikus, empfehle ich mich vielmals. Ich wünschte gar sehr, es möchte letzterer seine Abreise von Ávila verschieben, bis ich daselbst angekommen sein werde. Da er aber will, daß es für mich in allen Stücken nur Kreuz geben soll, so möge es geschehen. Unterlassen Sie nicht, mir zu schreiben. Die Nonne, von der Sie sagen, daß sie so tüchtig sei, weisen Sie ja nicht ab. O wenn sie doch hieher kommen wollte! Ich möchte nämlich, wenn es möglich wäre, noch einige aus Kastilien hieher bringen; denn nach meiner Ansicht braucht man jetzt keinen Kummer mehr zu haben, da ich glaube, es werde alles gut ausgehen.
Vergessen Sie nicht, diesen Brief der Mutter Priorin von Medina zu senden, diese aber soll ihn an die Priorin in Salamanka weiterbefördern; denn er ist für alle drei (bestimmt). Gott mache Sie mir heilig! Ich gestehe Ihnen, daß mir das Volk dieses Landes nicht zusagt und ich mich, wenn Gott damit gedient ist, bald im Lande der Verheißung zu sehen wünsche. Würde ich jedoch erkennen, daß Gott mehr gedient werde, wenn ich hier bliebe, so würde ich auch ganz gerne hier verweilen. Der Herr wolle helfen! Heute ist der Weiße Sonntag.
Euerer Ehrwürden
Theresia von Jesu
Empfehlen Sie mich meiner lieben Maria vom Kreuze und der Subpriorin. Meiner lieben Maria vom Kreuze wollen Euere Ehrwürden diesen Brief vorlesen. Alle Schwestern mögen uns Gott empfehlen!
