356. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Alcalá de Henares
Palencia, am 27. Februar 1581
Die Berichte der Nonnen. Die Nonnen zu Ávila. Anträge und Bemerkungen bezüglich der Satzungen. Wunsch der Heiligen, es möchte in der Einsiedelei zu St. Alexius und in Salamanka ein Männerkloster errichtet werden.
Jesus sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Sie werden wohl, wie ich mir denke, wenig Zeit haben, um Briefe zu lesen. Gott gebe, daß ich mich diesmal kurz fassen kann! Anbei folgen die noch rückständigen Berichte. Euere Hochwürden haben gut getan, daß Sie die Anordnung trafen, die Nonnen sollten ihre Berichte und Bittgesuche zuerst an mich senden. Denn die Schwestern des St.JosephsKlosters in Ávila haben derartige Wünsche vorgebracht, daß sie sich, wenn sie in Erfüllung gingen, in nichts von den Nonnen des Klosters zur Menschwerdung unterscheiden würden. Ich bin entsetzt darüber, was dort der Teufel treibt; doch fast alle Schuld fällt auf den Beichtvater, so vortrefflich er sonst auch ist. Er hat immer darauf hingearbeitet, daß alle Schwestern Fleisch essen dürfen, und dies war eine von den Bitten, die sie stellten. Sehen Sie doch, welch sonderbares Verlangen! Es tut mir recht weh, sehen zu müssen, wieviel dieses Kloster von seiner ursprünglichen Vollkommenheit verloren hat; und mir bangt vor der großen Mühe, die notwendig sein wird, um das Kloster wieder auf seinen früheren Stand zurückzuführen, obwohl vortreffliche Nonnen sich dort befinden. Und um ihren Wünschen größeren Nachdruck zu verleihen, bitten sie auch noch den Provinzial, Pater Angelus, um die Erlaubnis, daß jene, die eine schwächliche Gesundheit haben, zu ihrer Erleichterung Eßwaren in ihrer Zelle aufbewahren dürfen; und diese Bitte bringen sie in einer Weise vor, daß ich mich gar nicht wundern würde, wenn er ihnen die Erlaubnis gäbe. Da können Sie sehen, wer sie beeinflußte, eine solche Bitte an Pater Angelus zu stellen. Auf diese Weise muß das klösterliche Leben allmählich schwinden.
Darum habe ich gebeten, es möge in die Satzungen die Verordnung aufgenommen werden, daß keine Oberin den Nonnen erlauben könne, irgend etwas für sich zu besitzen. Diese Verordnung sollte mit allem Nachdruck eingeschärft werden. Auch die Kranken sollten an diese Verordnung gebunden sein, während die Krankenwärterin dafür Sorge zu tragen hat, daß sie für die Nacht in der Zelle zurückläßt, was die einzelnen bedürfen. Dies geschieht auch in all unseren Klöstern mit großer Liebe und Sorgfalt, wenn es die Krankheit erfordert.
Einen Punkt habe ich vergessen; zum Glücke haben mich andere Schwestern, die mir schrieben, daran erinnert. Es sollte nämlich auf dem Kapitel festgesetzt werden, was die unbeschuhten Väter für eine jede unserer Nonnen, die mit Tod abgeht, zu beten haben. Sorgen Euere Paternität dafür, daß dies geregelt werde, und wir werden für Ihre Verstorbenen das gleiche tun wie Sie für die unsrigen.
Soviel ich weiß, beten die unbeschuhten Väter nur das Totenoffizium, und sie haben bis jetzt noch keine Messe für unsere Verstorbenen gelesen; hier in diesem Kloster wird, wenn einer unserer Brüder stirbt, eine Messe gesungen und vom Konvente im Chor ein Totenoffizium gebetet. Es ist dies, wie ich glaube, eine Verordnung der alten Satzungen; denn so hielt man es auch im Kloster der Menschwerdung. Vergessen Sie diesen Punkt nicht!
Ebenso sollte entschieden werden, ob das Motuproprio des Papstes noch verpflichtend sei, das ein Verlassen der Klausur verbietet, sei es nun, um in die Kirche zu gehen oder um die äußere Pforte zu verschließen. Dies muß beobachtet werden, wo es immer leicht geschehen kann, wenn auch kein päpstliches Verbot bestünde; es ist das am sichersten. Indessen ist es besser, daß dies jetzt ausdrücklich als Verpflichtung festgesetzt und zugleich erklärt wird, was zu geschehen hat, wenn dies nicht beobachtet werden kann, wie z. B. in den ersten Anfängen einer Gründung. Ich glaube auch, daß dies in allen Klöstern so gehalten werden wird, wenn man einmal weiß, daß es nicht anders geschehen darf. Unterlassen Sie um der Liebe willen nicht, dies zu regeln!
Die Priorinnen von Toledo und Segovia haben die Türe, die in die Kirche führt, schon geschlossen, und zwar ohne es mir zu sagen. Diese beiden Priorinnen sind eifrige Dienerinnen Gottes und sehr verständig, so daß ich wünschte, ihr Beispiel möchte mich aneifern, da ich weit hinter ihnen zurückstehe. Übrigens wird dieser Punkt in allen Klöstern, die Klausur haben, beobachtet.
Der von mir gestellte Antrag, »daß jene Nonnen, die ihre Klöster verlassen, um ein anderes zu gründen, dort bleiben sollen, wenn sie nicht in dem Kloster, aus dem sie gekommen sind, zu Priorinnen erwählt werden«, ist zu beschränkt; lassen darum Euere Paternität noch beifügen: »oder wenn nicht eine andere Notwendigkeit eine Ausnahme begründet«. Ich glaube, Euerer Paternität schon geschrieben zu haben, daß es gut wäre, wenn man die Verordnungen der apostolischen Visitatoren mit den Satzungen womöglich zu einem Ganzen vereinigen würde. Denn da diese in einigen Punkten voneinander abweichen, so werden jene Nonnen, die davon weniger unterrichtet sind, verwirrt. Ich bitte Sie um der Liebe Gottes willen, sich doch trotz Ihrer vielfachen Beschäftigungen Zeit nehmen zu wollen, daß alles recht verständlich und klar gefaßt werde! Denn da ich meine Anträge in so vielen Briefen zerstreut vorgelegt habe, so fürchte ich, Sie möchten dadurch zu sehr in Anspruch genommen werden und dabei das Wichtigste vergessen.
Da Sie mir weder über den Empfang der Ihnen übersandten Berichte noch auch über den Empfang meines Briefes Mitteilung gemacht haben, so wurde ich zu dem Gedanken versucht, der Teufel möchte verhindert haben, daß die hauptsächlichsten Anträge, die darin enthalten waren, und die für unseren Pater Kommissär bestimmten Briefe in Ihre Hände gelangten. Würde dies unglücklicherweise der Fall sein — was sehr traurig wäre — , so bitte ich Euere Paternität, mir sogleich durch einen eigenen Boten, den ich bezahlen werde, davon Mitteilung machen zu wollen. Ich halte indessen diese Befürchtung nur für eine Versuchung; denn der hiesige Eilbote ist unser Freund und hat sich die Besorgung der Briefe angelegen sein lassen.
Es diene Ihnen zur Kenntnis, daß einige Väter, die im Kapitel Stimmrecht besitzen, den Pater Makarius als Provinzial wählen wollen; ich habe das in Erfahrung gebracht. Läßt Gott dies zu, nachdem in dieser Angelegenheit so viel gebetet wurde, so ist es gewiß das beste. Seine Urteile sind unergründlich. Einen von denen, die mir diese Nachricht hinterbracht haben, finde ich geneigt, dem Pater Nikolaus die Stimme zu geben; und wenn jene ihre Meinung ändern, dann wird der letztere gewählt werden. Gott leite diese Angelegenheit und erhalte Sie! Wie schlimm auch immer die Wahl ausfallen mag, die Hauptsache bleibt doch immer, daß sie geschehen ist. Gott sei gepriesen für immer!
Es wäre mein Wunsch, Euere Hochwürden möchten sich die Hauptsache von dem, was ich Ihnen geschrieben habe, auf einem kleinen Zettel vermerken und meine Briefe dann verbrennen, denn bei Ihren so vielfachen Beschäftigungen könnten sie leicht in fremde Hände fallen, und das wäre höchst unangenehm.
Alle Schwestern dieses Klosters, insbesondere meine Gefährtinnen, empfehlen sich Ihnen recht sehr.
Morgen ist der letzte Tag des Monats; heute ist, wie ich glaube, der 27.
Uns geht es hier gut, ja jeden Tag noch besser. Wir sind eben in Unterhandlungen betreffs des Kaufes eines sehr gut gelegenen Hauses. Es wäre mein Wunsch, mit meinen Beschäftigungen bald zu Ende zu kommen, um nicht so weit von Ihnen entfernt zu sein.
Sehen Sie ja dem Erwerb der Einsiedelei zum heiligen Alexius kein Hindernis entgegen! Wenn sie auch ein wenig von der Stadt entfernt liegt, so wird man doch für jetzt keinen besser gelegenen Platz finden. Mir hat sie, als ich auf meiner Reise vorbeikam, sehr gut gefallen; zudem hat sie uns jene Frau durch ihre Tränen erworben. Es wäre mein Wunsch, daß Sie dieses Kloster und jenes zu Salamanka zuerst gründen würden; es sind dies nämlich sehr bedeutende Städte. Man darf nicht zu wählerisch sein, da unsere Patres kein Geld haben. Hat man einmal Besitz ergriffen, so hilft Gott weiter. In Salamanka muß man nämlich die Häuser mit teuerem Gelde kaufen, und wir wissen selbst kein Mittel, um eines für die Nonnen zu bekommen. Glauben Sie mir um der Liebe willen in diesem Punkte; denn ich habe hierin Erfahrung! Nehmen Sie, ich wiederhole es, davon Besitz, und Gott wird alles glücklich zu Ende führen! Muß man auch an so bedeutenden Orten nur mit einem Winkel beginnen, so ist doch schon viel geschehen, wenn überhaupt der Anfang gemacht ist. Seine Majestät führe alles zu jenem Ende, das notwendig ist zu seiner Verherrlichung! Amen.
Es wäre mein innigster Wunsch, wenn die Stiftung des Klosters zu St. Alexius recht bald zustande käme. Abgesehen von den überaus wichtigen Gründen, die ich für dieses Projekt habe, würde das Kloster der Patres auch in unserer Nähe sein. Diese sollen aber nicht nach Valladolid kommen, bis sie die Erlaubnis des Abtes erlangt haben. Denn der Bischof steht jetzt auf besserem Fuße mit ihm, und seine Schwester wird diese Erlaubnis erwirken. Sagen Sie dies in meinem Namen jenen Vätern, die diese Stiftung betreiben müssen, und geben Sie ihnen auch zu verstehen, daß sie, wenn sie in so bedeutenden Städten anfangs zu viel Zeit in der Wahl eines geeigneten Platzes verlieren, zuletzt leer ausgehen werden.
