307. Brief — An die Priorin und die unbeschuhten Karmelitinnen zu Sevilla
Malagón, 13. Januar 1580
Die Gelübdeablegung der Neuprofessen und die Kandidatinnen. Glückwunsch zur Wahl der Priorin. Ratschläge.
Jhs
Die Gnade des Heiligen Geistes sei mit Euerer Lieb, meine Schwestern und Töchter!
Mit Ihren Briefen haben Sie mir eine große Freude bereitet, und ich möchte gerne einer jeden von Ihnen eigens ausführlicher antworten; allein es fehlt mir dazu die Zeit, da meine vielen Beschäftigungen mich so sehr in Anspruch nehmen. Haben Sie darum Nachsicht mit mir und geben Sie sich mit meinem guten Willen zufrieden! Es würde mir zu großer Freude gereichen, jene kennenzulernen, die erst in jüngster Zeit ihre Gelübde abgelegt haben, sowie jene, die neuerdings ins Kloster eingetreten sind. Möchten die ersteren sich recht glücklich fühlen, Bräute eines so großen Königs zu sein! Seine Majestät mache sie so heilig, wie ich es wünsche und den Herrn darum bitte, auf daß sie in jener Ewigkeit, die kein Ende nimmt, sich seiner erfreuen mögen!
Die Schwester Hieronyma unterzeichnet sich als »Mistgrube«. Gebe Gott, daß diese Demut keine bloße Redensart sei! Der Schwester Gabriela teile ich mit, daß ich das Bild des heiligen Paulus erhalten habe. Es ist sehr hübsch; und weil die Statur dieses Heiligen so klein war wie die ihrige, gefiel es mir um so mehr. Ich hoffe zu Gott, er werde sie vor seinem Angesichte noch groß machen. Es hat wirklich den Anschein, der Herr wolle Sie alle zu höherer Vollkommenheit führen als die Nonnen in Kastilien, da er Ihnen so große Prüfungen gesendet hat; aber sorgen Sie dafür, daß Sie das Verdienst durch Ihre Schuld nicht verlieren! Der Herr sei gepriesen für alles, vorzüglich auch dafür, daß Sie es in der Wahl der Priorin so gut getroffen haben! Es war dies für mich ein großer Trost. Hier in Kastilien hat uns die Erfahrung gezeigt, daß Gott jenen Nonnen, die er als die ersten Oberinnen einer Stiftung aufstellt, auf besondere Weise mit seiner Gnade beisteht und ihnen zum Wohle des Klosters und ihrer Töchter ein reichlicheres Maß von Liebe schenkt als jenen, die später erwählt werden. So gelingt es ihnen auch mehr, die Seelen auf dem Wege der Vollkommenheit voranzuführen. Nach meiner Ansicht soll man daher in unseren Klöstern, wenn man an der zuerst aufgestellten Oberin nicht bedeutende Fehler wahrnimmt, keine Änderung vornehmen; denn es hat dies weit schlimmere Folgen, als Sie sich denken können. Der Herr erleuchte Sie, damit Sie in allem seinen Willen erfüllen! Amen.
Die Schwester Beatrix von der Mutter Gottes und die Schwester Margareta bitte ich ebenso, wie ich es schon früher den anderen Schwestern gegenüber getan habe, sie möchten doch ja nicht mehr von den vergangenen Vorkommnissen reden außer mit unserem Herrn und mit dem Beichtvater. Sind sie auch früher einer Selbsttäuschung verfallen, indem sie nicht mit jener Aufrichtigkeit und Liebe, zu der uns Gott verpflichtet, zu Werke gegangen sind, so sollen sie sich doch jetzt alle Mühe geben, aufrichtig zu sein und von der Wahrheit nicht mehr abzuweichen. Was zur schuldigen Genugtuung gegen andere getan werden muß, das soll geschehen; sonst könnten sie nie zum Frieden gelangen, und der Teufel würde sie immerfort versuchen. Haben sie sich mit dem Herrn ausgesöhnt, so sollen sie sich wegen der Vergangenheit nicht mehr beunruhigen; denn der Teufel hat es in seiner Wut darauf abgesehen, daß dieses in seinem Beginne heilige Werk keine weiteren Fortschritte mache. Doch darüber darf man sich nicht wundern, sondern vielmehr darüber, daß er uns überall nicht noch größeren Schaden zugefügt hat.
Gar oft läßt der Herr einen Fall zu, damit die Seele um so demütiger werde. Erhebt sich die Seele wieder zur Rechtschaffenheit und Selbsterkenntnis, dann macht sie in der Folge im Dienste unseres Herrn um so größere Fortschritte, wie wir dies an vielen Heiligen sehen. Da Sie also, meine Töchter, Kinder der allerseligsten Jungfrau und untereinander Schwestern sind, so seien Sie einander gegenüber recht liebevoll und vergessen Sie das Vergangene, gleich als ob es nicht geschehen wäre! Ich sage dies zu allen. Ich habe mit ganz besonderer Sorgfalt jene Gott empfohlen, die meinen, ich sei gegen sie aufgebracht. Es hat mich aber wirklich betrübt und würde mich stets schmerzen, wenn sie das zu tun unterlassen, um was ich sie um der Liebe unseres Herrn willen bitte. Meine liebe Schwester Johanna vom Kreuze schwebte mir immer vor Augen; allein ich denke mir, daß sie durch jene Verfolgung an Verdiensten immer reicher geworden ist. Da sie den Namen »vom Kreuze« angenommen hat, so ist ihr auch ein guter Teil vom Kreuze zugefallen. Sie möge mich unserem Herrn empfehlen und nicht denken, daß er um ihrer oder um meiner Sünden willen, die noch viel größer sind, allen diese Prüfung auferlegt hat. Alle aber bitte ich um das eine, meiner im Gebete nicht zu vergessen; denn Sie schulden mir weit mehr als die Nonnen in Kastilien. Unser Herr mache Sie so heilig, wie ich es wünsche! Amen.
Euerer Lieb Dienerin
Theresia von Jesu
