385. Brief — An Pater Hieronymus Gracián
Ávila, am 17. September 1581
Casilda de Padilla und ihr Austritt aus dem Karmel. Schwierigkeiten betreffs ihrer Mitgift.
Jesus sei mit Euerer Hochwürden, mein Vater!
Ich habe Ihnen schon einen Brief über Toledo zugesendet; heute überbrachte man mir beiliegenden Brief von Valladolid. Die darin mir mitgeteilte Neuigkeit hat mich für den ersten Augenblick in Schrecken versetzt; bald aber habe ich mir den Gedanken vergegenwärtigt, daß die Urteile Gottes erhaben sind und daß er trotzdem unseren Orden liebt und auch durch diesen Vorfall etwas Gutes fördern oder etwas Schlimmes verhindern wird, was wir jetzt nicht einsehen. Ich bitte Sie um der Liebe Gottes willen, betrüben Sie sich nicht allzusehr über diese Angelegenheit! Mit dem armen Mädchen habe ich großes Mitleid; es ist am meisten zu bedauern. Denn es ist eitles Geschwätz, wenn man sagt, sie habe aus Mißvergnügen den Orden verlassen, nachdem sie doch immer so seelenvergnügt darin gelebt hatte. Es scheint nicht der Wille der göttlichen Majestät zu sein, daß wir bei den Großen dieser Erde unsere Ehre suchen, sondern bei den Armen und Geringen, wie die Apostel waren; darum sollen wir unbesorgt sein betreffs dieses Vorfalles. Und weil die Verwandten der Casilda auch die andere Tochter aus dem Kloster zur heiligen Katharina von Siena herausgenommen haben, um sie wieder zu sich zurückzuführen, so bewahrt uns das vor jeglichem Nachteile, ich meine vor aller Verurteilung von seiten der Welt; es ist vielleicht das bessere, unser Auge auf niemand anders zu richten als auf Gott allein.
Gott beschütze dieses arme Kind; aber uns bewahre er vor den Großen dieser Welt, die allvermögend und doch dabei so außerordentlich wankelmütig sind! Die Arme wird wohl nicht verstanden haben, wozu man sie veranlaßte; wenigstens wird sie sich sehr täuschen, falls sie glauben sollte, wieder in den Orden zurückkehren zu können; denn ihre Wiederaufnahme wäre nach meinem Dafürhalten für uns gar nicht gut. Wenn aus diesem Vorfall irgendein Nachteil für uns entstehen könnte, so wäre es der, daß solche Dinge schon in diesen ersten Anfängen vorkommen. Wäre Casilda wirklich so unzufrieden gewesen wie die Flamländerin im hiesigen Kloster, dann würde ich mich über diesen Schritt nicht wundern; aber dann hätte sie sich nach meinem Dafürhalten unmöglich so lange verstellen können.
[Dieses Komplott muß wohl seinen Anfang genommen haben, seitdem die Subpriorin von Palencia sich mit der Priorin (von Valladolid) entzweit hat. Ihr Beichtvater war ein Pater aus der Gesellschaft Jesu, welcher der Doña Maria de Acuña sehr ergeben war. Ich erfuhr, daß dieser den Nonnen riet, nicht der Subpriorin (Dorothea), sondern der Priorin die Stimme zu geben. Denn Doña Acuña war ihr abgeneigt, da man auf den Erbteil noch nicht Verzicht geleistet hatte und diese Dame ihn für ein Kollegium verwenden wollte. Alle diese Gründe mitsammen mögen vielleicht dazu beigetragen haben. Denn wenn man diese Nonne für glücklich hielt, dann hätte man nach meinem Dafürhalten nicht in dieser Weise verfahren dürfen. Möge uns Gott vor solcher Arglist bewahren!
Trotzdem scheint es mir nicht klug zu sein, auch nur im geringsten eine Änderung in bezug auf die Väter der Gesellschaft Jesu zu machen; es wäre dies aus verschiedenen Gründen nicht gut. Ein Grund davon ist der, daß sie uns in dieser Gegend den größten Teil der Schwestern zugeschickt haben; und wenn diese hätten denken müssen, daß sie diese Väter nicht mehr um Rat fragen könnten, dann würden sie nicht eingetreten sein. Aber es wäre von großer Bedeutung, wenn wir unsere Patres (als Beichtväter) haben könnten, da wir uns dann allmählich von jenen lossagen könnten. Möge Gott Euere Paternität erleuchten! Da der Bote im Begriffe ist, abzureisen, so schreibe ich nichts weiter.
Ihr Kreuz ist hier geblieben, und ich weiß nicht, wie ich es Ihnen schicken soll, ohne daß es zerbricht. Nehmen Sie ein Kreuz von unseren Schwestern in Toledo, und wir werden diesen von hier aus das Ihrige zuschicken.]
Ich habe Mitleid mit der armen Priorin, die so viel leiden muß, ebenso mit unserer Maria vom heiligen Joseph; schreiben ihr doch Euere Hochwürden um der Liebe willen!
Es fällt mir wirklich recht schwer, Sie jetzt so weit von uns entfernt zu sehen; ich weiß nicht, wie mir zumute ist. Gott führe Sie wieder glücklich zurück! Entrichten Sie, bitte, an Pater Nikolaus meine Empfehlungen! Alle Schwestern dieses Klosters empfehlen sich Ihnen und jenem Pater.
Heute ist der 17. September.
Euerer Hochwürden Untergebene und Tochter
Theresia von Jesu
Doña Maria de Acuña schrieb an die Priorin und brachte in ihrem Briefe viele Entschuldigungen vor; sie habe, wie sie sagt, nicht anders handeln können und bittet, die Verpflegungskosten für ihre Tochter zu berechnen. Sie gedenkt, den Pflichtteil zu behalten, und zwar deshalb, weil man annehmen muß, daß Casilda vor der Zeit ihre Gelübde abgelegt hat. Da sie aber durch ein päpstliches Breve dazu die Erlaubnis erhielt, so weiß ich nicht, wie man sich eines solchen Vorwandes bedienen mag.
Ich bedauere die arme Casilda; denn ihre Liebe zum Orden war wirklich außerordentlich groß. Ich weiß nicht, welcher böse Geist sie verwirrt hat. Gott sei mit ihr!
