227. Brief — An Pater Hieronymus Gracián in Madrid
Ávila, am 15. April 1578
Mittel und Wege zur Errichtung einer eigenen Provinz der Unbeschuhten.
Jesus sei mit Euerer Paternität, mein Vater!
Nach der Abreise des Paters Prior von Mancera habe ich mit Magister Daza und mit Doktor Rueda über die Errichtung einer eigenen Provinz gesprochen. Ich möchte eben nicht, daß Euere Paternität etwas unternehmen, wovon man sagen könnte, es wäre verfehlt. Dies würde mich, selbst wenn es einen guten Ausgang nähme, mehr schmerzen als alles andere, was in bezug auf unsere Angelegenheit ohne Schuld von unserer Seite übel ausfallen würde. Es scheint Ihre Aufgabe sehr schwierig zu sein, wenn sich in der Euerer Paternität ausgestellten Vollmacht nicht eine besondere Klausel befindet, die Ihnen gestattet, sie vollführen zu können. Insbesondere ist Doktor Rueda dieser Ansicht, und seinem Gutachten schließe ich mich ganz und gar an; denn ich sehe, daß er in allem das Rechte getroffen hat, und zudem ist er ein Mann von großer Gelehrsamkeit. Weil es sich hier um Übertragung einer Jurisdiktion handelt, so ist nach seiner Ansicht die Wahl eines Provinzials eine schwierige Sache. Gesetzt, der General oder der Papst würden dazu nicht die Erlaubnis geben, so könnten Sie keine Wahl vornehmen, da die Stimmen der Wählenden nicht gültig wären. Da dürften sich die Beschuhten, wie er sagt, nur an den Papst wenden und lautes Geschrei erheben, daß man sich dem Gehorsam entziehe und Obere wähle, ohne dazu ein Recht zu haben; dies würde einen üblen Eindruck machen. Nach seiner Ansicht wäre es viel schwieriger, vom Papste die Bestätigung einer solchen Wahl zu erlangen als die Erlaubnis zur Errichtung einer gesonderten Provinz. Diese Erlaubnis würde der Papst gern erteilen, wenn der König in dieser Angelegenheit nur einen einfachen Brief schreiben würde. Es ginge dies ganz leicht, wenn man dem Papste nahelegen würde, wie die Beschuhten ihre unbeschuhten Brüder behandeln. Der König würde uns vielleicht gerne diesen Dienst erweisen, wenn man an ihn das Ansuchen stellte. Damit hätte auch die Reform selbst viel gewonnen; denn dann würden die Beschuhten mehr Rücksicht auf uns nehmen und ihren Plan, die Reform gänzlich zu vernichten, endlich einmal aufgeben.
Vielleicht wird es gut sein, wenn Euere Paternität mit dem Pater Magister Chaves sich besprechen und ihm den Brief lesen lassen würden, den ich Ihnen durch den Pater Prior gesandt habe. Denn er ist ein sehr kluger Mann; und wenn er seinen Einfluß beim König benützt, so könnte er vielleicht in unserer Angelegenheit etwas erreichen. Diese Briefe des Königs könnten dann unsere Patres, die bestimmt sind, nach Rom zu reisen, mitnehmen. Würde dies aber auch nicht geschehen, so möchte ich doch auf keinen Fall, daß diese Reise unterbliebe, da es nach der Meinung des Doktors Rueda der sicherste Weg und das einfachste Mittel ist, sich direkt an den Papst oder an den General zu wenden. Ich versichere Sie, daß diese Angelegenheit schon in Ordnung wäre, wenn wir sie im Verein mit dem Pater Padilla beim König betrieben hätten. Auch Euere Paternität könnten selbst mit dem König und mit dem Erzbischof sich darüber besprechen. Denn wenn der Provinzial nach seiner Erwählung vom König bestätigt werden und dieser ihm seine Huld zuwenden soll, so ist es besser, wenn man sich schon jetzt darum bewirbt. Dieser Schritt kann nicht umsonst sein; dann könnten wir uns wenigstens die Schande und die Demütigung ersparen, die uns treffen würde, wenn die Wahl des Provinzials vollzogen und nicht bestätigt würde. Es wäre immer eine Schande für uns, wenn man etwas unternähme, wozu man nicht ermächtigt war und was man nicht überlegt hätte; Euere Paternität würden dadurch viel an Ansehen verlieren.
Nach der Ansicht des Doktors Rueda würde man auch weniger dagegen einzuwenden haben, wenn der Visitator aus dem Dominikanerorden oder ein anderer die Wahl leitete, als wenn die Unbeschuhten für sich allein ihre Oberen wählten. Denn in Sachen der Jurisdiktion ist es, wie ich schon erwähnt habe, von großer Bedeutung und Wichtigkeit, daß das leitende Oberhaupt von der gesetzlichen Autorität bevollmächtig ist. Wenn ich daran denke, daß man Euerer Paternität in dieser Angelegenheit mit Grund einen Fehler vorwerfen könnte, so verliere ich den Mut; würde man Sie aber ohne Grund anschuldigen, dann würde mein Mut nur um so mehr gestärkt werden. Ich habe die Stunde nicht erwarten können, Ihnen dies alles zu schreiben, damit Sie es wohl überlegen.
Wissen Sie, was mir in den Sinn gekommen ist? Ich habe mir gedacht, unser Pater General könnte sich vielleicht meiner Briefe, die übrigens voll Ehrfurcht abgefaßt waren, zu unseren Ungunsten bedienen, und man habe sie den Kardinälen gezeigt. Und da habe ich mir vorgenommen, nichts mehr zu schreiben, bis diese Angelegenheiten geschlichtet sind. Aber es dürfte sich empfehlen, dem Nuntius gelegentlich irgendein Geschenk anzubieten. Ich sehe voraus, daß Sie, mein Vater, da Sie sich in Madrid befinden, an einem Tage vieles erreichen werden. Wenn Sie dort mit diesen und jenen sich besprechen, vorzüglich mit Ihren Bekannten im Palaste, und wenn auch Pater Antonius die Herzogin von der Sache unterrichtet, so könnte man dadurch viel gewinnen und vom König die Verwirklichung unserer Wünsche erreichen; denn er will die Erhaltung der Klöster der Reform. Aus Pater Mariano, der öfter Gelegenheit hat, mit dem König zu sprechen, könnte ihn von unserer Lage unterrichten, ihn um seine Huld bitten und ihm vor Augen stellen, wie lange der kleine Heilige, Pater Johannes vom Kreuz, schon im Gefängnisse schmachtet. Der König schenkt ja allen Gehört, und ich sehe nicht ein, warum ihm dies nicht besonders Mariano sagen und ihn um die gewünschte Gnade bitten sollte.
Aber wie gesprächig bin ich wieder und welch ungereimtes Zeug schreibe ich Euerer Paternität! Und das ertragen Sie alles an mir. Ich versichere Sie, ich härme mich ganz ab, daß mir die Freiheit fehlt, das selbst auszuführen, was ich anderen zu tun anrate. Da jetzt der König eine so weite Reise antritt, so wünschte ich, daß noch etwas zum Abschluß gebracht würde. Gott wolle dies verwirklichen, da er es kann!
Mit großer Sehnsucht erwarten wir diese Damen. Die hiesigen Nonnen sind fest entschlossen, Ihre Schwester nicht fortzulassen, sondern ihr hier das Ordenskleid zu geben. Euere Paternität sind ihnen zu großem Danke verpflichtet. Ich rechne ihnen dies hoch an. Es sind ihrer nämlich schon ziemlich viele, und sie leiden auch etwas Mangel; allein um des Wunsches willen, eine Ihrer Schwestern im Kloster zu haben, überwinden sie jedes Hindernis. Und was sagt und tut nicht alles die kleine Theresia! Auch ich würde mich über den Eintritt Ihrer Schwester ins hiesige Kloster freuen; denn da, wo sie hingeht, werde ich mich nicht so an ihr erfreuen können wie hier, und vielleicht werde ich sie nie mehr wiedersehen, da der Ort weit entlegen ist. Übrigens hängt diese Frage von mir ab, und ich werde die Nonnen von der Ausführung ihres Entschlusses abhalten; denn Ihre Schwester ist schon in Valladolid aufgenommen und wird sich dort ganz wohl fühlen. Es würde dies die dortigen Schwestern und besonders Casilda sehr verdrießen, wenn sie nicht dorthin ginge. Die Juliana gedenke ich hier zu behalten, wenn ich auch den Schwestern noch nichts davon sage; ich will sie nicht nach Sevilla schicken, da dies der Doña Johanna zu schwer fallen würde. Vielleicht würde es auch dieses Kind, wenn es einmal älter geworden, selbst schmerzlich empfinden. O wie bekümmert bin ich doch um Ihre andere Schwester, die sich im Dameninstitut befindet! Weil sie es nicht einsieht, kann ihr auch nicht geholfen werden. Bei uns würde sie gewiß viel ruhiger und vergnügter sein als da, wo sie ist.
Mein Bruder Laurentius, der Ihnen diesen Brief überbringt, begibt sich an den Hof und von da, wie ich glaube, nach Sevilla. Wollen Euere Paternität ihm doch die Erlaubnis geben, daß er das Kloster betrete, um da einen Kochherd in Augenschein zu nehmen, den die Priorin anfertigen ließ! Die Nonnen erzählen Wunderbares von diesem Herde; und wenn ihn mein Bruder nicht sieht, so können wir hier keinen solchen aufstellen lassen. Ist dieser Herd wirklich so, wie man ihn schildert, dann wäre er für alle Brüder und Nonnenklöster ein kostbarer Schatz. Ich schreibe der Mutter Priorin, sie möge meinen Bruder zu dem besagten Zwecke eintreten lassen. Wenn Euere Paternität dies nicht für einen genügenden Grund halten, so geben Sie mir, bitte, Nachricht; denn mein Bruder wird sich einige Zeit in Madrid aufhalten. Wüßten Sie, was man über diesen Herd schreibt, so würden Sie sich nicht wundern, daß man hier auch einen solchen zu haben wünscht. Man behauptet, er sei sogar vorzüglicher als die kleine Schmiede des Soto; mehr könnte man wohl nicht sagen.
Weil auch die Priorin, wie ich glaube, Ihnen schreiben wird, so füge ich nichts weiter bei, als daß Gott Euere Paternität behüten möge. Die Priorin von Alba ist sehr krank. Empfehlen Sie diese Gott! Mag man auch dieses oder jenes an ihr auszusetzen haben, man würde doch viel an ihr verlieren; denn sie ist sehr gehorsam; und wo dies der Fall ist, da bessert man auch alles, wenn man darauf aufmerksam gemacht wird. Was haben doch die Nonnen von Malagón dadurch auszustehen, daß ihre Mutter Brianda nicht mehr bei ihnen ist! Indessen habe ich doch lachen müssen über ihren Wunsch, wieder nach Malagón zurückzukehren.
Doña Luise de la Cerda hat ihre jüngste Tochter durch den Tod verloren. Die Leiden, die Gott dieser Dame sendet, gehen mir sehr tief zu Herzen. Es bleibt ihr jetzt nur mehr die eine Tochter, die Witwe ist. Ich halte es für billig, daß Euere Paternität ihr schreiben und sie trösten, da wir ihr sehr viel verdanken.
Überlegen Sie es, ob nicht Ihre Schwester doch hier bleiben soll! Wenn Sie es für besser halten und die Doña Johanna sie gerne mehr in ihrer Nähe haben möchte, so will ich kein Hindernis in den Weg legen. Da sie jedoch schon entschlossen ist, nach Valladolid zu gehen, so fürchte ich, es möchte später eine Versuchung über sie kommen, wenn sie von den Annehmlichkeiten des dortigen Klosters erzählen hört, die hier nicht zu finden sind, sei es auch nur des Gartens wegen, im Vergleich zu dem der hiesige ein elender Boden zu nennen ist. Gott erhalte Sie, mein Vater, und mache Sie so heilig, wie ich ihn darum bitte! Amen, Amen. Mit meinem Arm beginnt es besser zu werden.
Heute ist der 15. April.
Euerer Paternität unwürdige Dienerin und Tochter
Theresia von Jesu
Doña Guiomar ist hier und befindet sich besser; sie hat großes Verlangen, Euere Paternität zu sehen. Sie und alle Nonnen beklagen ihren geliebten Pater Johannes vom Kreuz. Es war dies ein schwerer Schlag. Im Kloster der Menschwerdung geht allmählich alles wieder den gewohnten Gang.
